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Die gestiefelte Geigerin

Barbara Kubli rockt für Gotthard, Rod Stewart und Robbie Williams

Bei den Rockern der Gotthard-Band spielt sie die erste Geige. Die Glarnerin Barbara Kubli begleitet auch Superstars wie Rod Stewart, Robbie Williams und Kanye West. Rock-Lady oder Klassik-Dame – die Violinistin, deren eigene Streicherformation G-Strings heisst, pfeift auf Konventionen.

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Barbara Kubli Violonistin

Lustig bis in die Zehenspitzen: Barbara Kubli, hier im Entree ihres Dachlofts in Wald ZH, liebt Cowboystiefel, trägt dazu ungleiche Socken mit Marienkäfer-Muster.

Geri Born

Sie nennt ihre Geige salopp «Erwerbsholz», fackelt Notenblätter schon mal wütend im Cheminéefeuer ab – und statt im Rock steht Barbara Kubli (53) lieber rockig in Jeans auf der Bühne. «Aber die müssen dann echt schwarz sein, nicht hellschwarz oder so», sagt die Musikerin klipp und klar. Die Violinistin, die seit zehn Jahren bei der erfolgreichsten Schweizer Rockband Gotthard die erste Geige spielt und schon mit Superstars wie Rod Stewart, Robbie Williams und Kanye West live auf der Bühne stand, sagt über sich: «Ich bin nicht die typische Geigerin, wie sie die meisten Menschen im Kopf haben, dazu passt schon nur mein Kleidungsstil gar nicht. Ich bin eine Aussenseiterin; ich bin einfach anders.»

Genau dieses Anderssein macht die Glarnerin so «gmögig». Sie ist Wirbelwind und Frohnatur in einer Person. Als Zweijährige schnappt sie sich Grosis Blasbalg, ein Holzlineal, stellt sich in deren Küche in Engi GL und fiedelt vergnügt auf ihrer «Giige» herum. Im Alter von vier Jahren erhält sie erste Unterrichtsstunden im Geigespielen, erklärt mit sechs ihren Eltern, das sie Musikerin werden wolle. Warum sie sich für die «Königin der Streichinstrumente» entschieden hat, weiss Kubli bis heute nicht. «Ich erinnere mich nur, dass Grossmutter im Chor war, mit meiner Mutter und mit mir sang, während Vater Klavier spielte.»

Barbara Kubli Violonistin

Musikalisch bis in die Fingerspitzen: Barbara spielt eher selten mit ihrem Mann Chris. «Es endet oft unharmonisch», sagt sie lachend.

Geri Born
Ein kurzer Durchhänger

Obwohl ihre Eltern anfangs kritisch reagieren und auf einen «anständigen Beruf» pochen, wird sie von ihnen voll und ganz unterstützt; sie ermöglichen ihrer Tochter das Studium am Konservatorium in Luzern. Die damalige Warnung ihres Vaters «Kunst und Kultur sind ein unsicheres Business» fährt ihr vor drei Jahren zu Beginn der Pandemie ein. Sie unterrichtet in dieser Zeit zwar weiterhin Geigenschüler, «die Bühnenauftritte aber fehlten mir doch sehr». Einzig in der Pubertät erleidet Barbaras Geigenleidenschaft kurzzeitig einen Hänger, sie legt eine «Übeträgheit» an den Tag. Als die Eltern Barbara provozierend fragen: «Du willst Musik studieren?», ist der Ehrgeiz ihrer Tochter aber schnell wieder geweckt.

Barbara Kubli Violonistin

Ungekünstelte Künstlerin: Barbara vor dem Schopf ihrer Grosseltern in Engi GL, im Hintergrund die Tschingelhörner. «Ich würde sofort wieder hierherzügeln.»

Geri Born
Wo die Musik für Zoff sorgt

Üben, üben und nochmals üben – auch heute probt sie täglich, trainiert Fingerfertigkeit und Schnelligkeit. «Wenn etwas nicht klappt, wie ichs mir vorstelle, rufe ich schon mal laut ‹Sch...giige›». Oder sie verbrennt wütend Notenblätter – kürzlich erst musste ein Musikstück des Klassikkomponisten Felix Mendelssohn Bartholdy dran glauben.

Trotz solch leidenschaftlicher Ausbrüche, ihre Liebe zur Geige schmälert das nicht. Als ein ehemaliger Partner sie einst fragt, was ihr wichtiger sei, «ich oder die Geige?», findet sie: «Was für eine blöde Frage. Ich bin mit niemandem so lange zusammengewesen in meinem Leben wie mit meinem Instrument. Seit ich vier war, habe ich es jeden Tag in der Hand.»

Mit Chris (59) ist Barbara seit 23 Jahren liiert, 2007 heiratet sie den TV-Produktionsleiter. Neben feinem Essen und gutem Wein verbindet das Paar die Leidenschaft zum Töfffahren. «Nur zusammen musizieren, das funktioniert bei uns gar nicht», sagt sie lachend. «Da kriegen wir uns jedes Mal in die Haare.»

Mit kleinen TV-Auftritten, unter anderem in «Benissimo», baut sich Kubli nach und nach ein Netzwerk im Musikbusiness auf. 2002 steht sie mit Gölä auf der Bühne des zweimal ausverkauften Hallenstadions. 2012 kommt das Angebot von Gotthard, im gleichen Jahr begleitet sie Rod Stewart bei dessen Konzert an der legendären AVO Session in Basel. «Ich durfte mega coole Sachen erleben», schwärmt die Musikerin. Leo Leoni (57) Gitarrist und Kopf von Gotthard, findet für seine Geigerin nur lobende Worte: «Barbara versteht es wie kaum eine andere, die Verbindung zwischen Klassik und Rockmusik zu spielen und zu leben.»

Barbara Kubli Violonistin

Entspannt von Kopf bis Fuss: Barbara mit ihrer Maine-Coon-Katze Rossini im ausgebauten Dachstock einer ehemaligen Feinweberei von 1856.

Geri Born
Sie lässt Gotthard daheim rocken

Dass Kubli der Geige neben klassischen Tönen auch harte Rocklaute entlockt, stösst Kolleginnen mitunter sauer auf. «Auf was für ein Niveau lässt du dich herab», hat sie schon zu hören bekommen. «Ich bin offen für alle Arten von Musik. Entscheidend ist, mit Freude und Leidenschaft dabei zu sein.»

Diese Begeisterung soll ihre Heimat zu spüren bekommen. Am Vorabend des Glarner Stadt-Open-Airs Sound of Glarus gibts am 23. August ein einzigartiges Konzert: Gotthard und das Sinfonieorchester TiFiCo rocken unter dem Glärnisch. Kubli ist die treibende Kraft hinter dem Projekt. «Es ist ein Dankeschön an mein Daheim.»

Kürzlich kehrt die Geigerin an den Ort zurück, an dem sie den Grundstein für ihre Karriere legte. Als sie im Park des Konservatoriums Dreilinden in Luzern spaziert, wird ihr so richtig bewusst: «Barbara, du hast geschafft, wovon du als Kind geträumt hast.»

 

Tickets gibt es bei ticketcorner.ch

Von René Haenig am 4. Juni 2023 - 08:00 Uhr