Kreischend springen Nikki, 6, und Leslie, 5, in eine Pfütze. Dann stupst Nikki ihre Schwester in die Seite und ruft: «Lueg! Da chunnt der Geissepeter!»
Da kommt auch schon der nächste Trauffer-Fan aus der Familie von Marco Pfeuti, 51, so Göläs richtiger Name, angetrabt. Der kleine Australian Shepherd Ozzy wirft sich vor seine Füsse. Trauffer krault sein Fell und lässt den Blick über das Gewusel um ihn herum schweifen. Kinder und Hunde, die im Matsch spielen, Männer und Frauen, die Zelte aufbauen und Holz fürs Lagerfeuer anschleppen. Und unzählige Autos, Quads und Motorräder. «Wenn mir das jemand vor zwei Wochen gesagt hätte …», meint er kopfschüttelnd.
Da waren er und seine Freundin Brigitte Schöb, 40, noch der Meinung, der erste gemeinsame Freizeittrip der Büetzer Buebe Gölä und Trauffer gehe nach Südfrankreich. Dabei hätte Trauffer wissen müssen, dass es seinen derzeitigen Arbeitskollegen kaum zum Sonnenbaden an einen schicken Strand zieht. Darum sind sie nun alle hier gelandet, auf einem 40 Hektar grossen Offroad-Gelände im Burgund im östlichen Zentrum von Frankreich.
«Komm, wir fahren mal ein Wochenende zusammen weg, statt immer nur zu arbeiten», meint Gölä vor ein paar Wochen zu Trauffer. Hinter den beiden Mundart-Stars liegt eine intensive Zeit.
Angefangen hat alles damit, dass sie von unterschiedlicher Seite her angefragt wurden, je einen Song fürs Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Zug beizusteuern. Das kommt dem jeweils andern zu Ohren, und man beschliesst, lieber gemeinsame Sache zu machen. Die Büetzer Buebe sind geboren.
Auf ihrem Album, das gerade erschienen ist, ist auch der offizielle ESAF-Song «Maa gäge Maa» zu finden, der schon Stunden nach der Veröffentlichung die Schweizer iTunes-Charts anführt. Am 22. August 2020 wird das Duo als erster Schweizer Act das Zürcher Letzigrund-Stadion füllen. 48 000 Fans passen rein. Wegen der grossen Nachfrage hängen sie einen Tag später gar ein Zusatzkonzert an. Die Schweizerinnen und Schweizer scheinen mehr als angetan zu sein von dieser Verbindung. Das Urgestein und der Alpentainer. Die beiden einzigen Mundart-Musiker, die bisher im Zürcher Hallenstadion auftraten. Was für ein Traumpaar.
Eines auf Zeit allerdings. «Es gibt ein Album und ein Konzert. Fertig», sagt Gölä. Marco Pfeuti und Marc Trauffer – das ist nichts für die Ewigkeit. «Es ist wie ein Ferienflirt. Wir wissen genau, wann er zu Ende ist», so Trauffer. Und: «Unser Ziel mit diesem Projekt ist es nicht, beste Freunde zu werden. Wir wollen musikalisch etwas Einmaliges schaffen.» Natürlich versteht man sich gut, musikalisch und privat. Aber so viel, wie die beiden verbindet, so gross sind auch die Unterschiede zwischen ihnen.
Gölä, der Beizers-Sohn und gelernte Maler, der als Bub dem Metzger helfen musste. Der, wenn er nicht Musik macht, am liebsten auf irgendeiner Baustelle «wercht». Der in den Ferien im Camper unterwegs ist und zwei Tage am gleichen Ort für Zeitverschwendung hält.
Trauffer, der Schreiners-Sohn und gelernte Maurer, der als Kind mit den berühmten Holzkühen des Familienunternehmens spielte. Der, wenn er nicht Musik macht, die Trauffer Holzspielwaren AG in der dritten Generation führt. Der in den Ferien am liebsten tagelang am Strand liegt und das Handy zu Hause lässt.
Daraus, dass er Sonne und Meer dem Regen und Dreck im Burgund vorzieht, macht Trauffer denn auch keinen Hehl. Auch wenn ihm die Offroad-Runde auf dem Quad Spass macht – «mein neues Hobby wird das sicher nicht». Noch besser wirds, als die beiden die Strecke in Göläs VW unsicher machen. Und im Schlamm stecken bleiben. Nach dem ersten Schreckmoment prustet Trauffer lachend los. Als der Wagen aus dem Schlamassel gezogen ist, kommt Göläs Frau Heidi, 31, angebrettert. «Und, Schätzi, gefällts dir?», fragt ihr Mann. Sie nickt strahlend, drückt ihm einen dicken Kuss auf den Mund. «Dann dreh noch mal eine Runde. Ich schau auf die Kinder und baue das Zelt auf.»
Trauffer stellt einen grossen Parmaschinken auf einen Campingtisch und beginnt zu schneiden. Die beiden Mädchen beobachten ihn mit grossen Augen. «Esst ihr Fleisch?», fragt der «Geissepeter». Gölä lacht laut, als Leslie das Stück Schoggi in ihrer Hand auf den Tisch legt und diese nach dem Schinken ausstreckt. «Die ist eine Wildsau, die wird mal Motocross-Fahrerin», sagt er über seine Jüngste, die grösser und schwerer ist als ihre ältere Schwester. «Es ist schön, dass ich so viel mit ihnen unternehmen kann. Für die Buben hatte ich zu wenig Zeit, das bereue ich.» Göläs Söhne Mike, 22, und Lenny, 15, stammen aus früheren Beziehungen.
Trauffers Kinder aus erster Ehe, Lars, 17, und Lani, 15, sind dieses Wochenende zu Hause geblieben. «Lani hat einen wichtigen Anlass, deshalb müssen wir auch früher zurück», erklärt Marc. Und erzählt lachend, wie seine Tochter Gölä kürzlich eine erboste Whatsapp-Nachricht schickte, weil er in einem Interview gegen «Studierte» motzte. Die Gymnasiastin habe klargestellt, dass auch Lernen Arbeit sei. Gölä grinst. «Das war ein Plädoyer für Büezer. Aber selbstverständlich wäre ich auch stolz, wenn meine Kinder studieren würden. Sie sollen das tun, was sie glücklich macht.»
Sagts und klappt das Zelt auf, das auf einem Anhänger mitgeführt wird. «Warum haben wir nicht so was?», fragt Brigitte. Trauffer seufzt. «Du bringst mich immer in so Scheiss-Situationen», sagt er zu Gölä. Denn das Paar – nicht im Besitz eines Zeltes – schläft im Auto. «Du weisst schon, dass du mir für diesen Trip etwas schuldest, Pfeuti», meint Trauffer. «Die nächste Reise plane ich!»