Es ist ein ganz kurzer Augenblick, den sich Deleila Piasko (31) nach fast jeder Frage nimmt. Sie hält inne, um nachzudenken. «Ich liebe es, alles zu analysieren», sagt sie. «Ich kann stundenlang ein Thema in meinem Kopf auseinandernehmen und neu beleuchten. Ich nehme selten etwas auf die leichte Schulter.»
Die Zürcherin spielt eine der Hauptrollen in der neuen Netflix-Serie «Transatlantic» von Erfolgsproduzentin Anna Winger («Unorthodox») an der Seite von US-Schauspielerin Gillian Jacobs und des deutschen Darstellers Moritz Bleibtreu. Es geht um eine Gruppe von Amerikanern, die während des Zweiten Weltkriegs Intellektuellen hilft, vor den Nazis zu flüchten. Deleila Piasko spielt Lisa Fittko, eine antifaschistische Kämpferin. Deren Rolle basiert auf einer realen Figur. Sie führt die Flüchtlinge zu Fuss über die Pyrenäen. «Lisa ist sehr entschieden und mutig. Und steht für humanitäre Hilfe ein», sagt Piasko. «Aber sie hat eine Mauer um sich aufgebaut und ist etwas skeptisch. Für sie zählen Taten mehr als Worte. Für mich auch. Vielleicht ist das auch etwas Schweizerisches.»
Deleila Piasko wächst in Kilchberg ZH auf. Ihr Vater ist Physiker, die Mutter Tänzerin. Sie ist das älteste von drei Kindern. «Wenn ich an meine Kindheit denke, sehe ich den See und erinnere mich an viele Stunden in der Badi», sagt sie. «Ich merkte erst Jahre später, was für ein Privileg es ist, einfach so in einem See mitten in der Stadt baden zu können.» Schon als Kind will sie Schauspielerin werden. «Ich verkleidete mich – und zwang meinen Bruder und meine Schwester mitzumachen. Ich war immer am ‹Theäterlen› oder machte eine Show.» Ihre Mutter schickt sie ins Kinder- und Jugendtheater Metzenthin. «Das gefiel mir.»
Als Teenager verliert sie aber die Lust an der Schauspielerei. «Ich wollte nach der Matura alles Mögliche machen. Philosophie studieren oder in einem Kibbuz in Israel leben.» Doch ihre beste Freundin überzeugt sie, sich an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin zu bewerben. «Obwohl ich nie damit gerechnet hätte, wurde ich direkt angenommen.» Also zieht sie mit 20 Jahren nach Berlin. «Ich vermisste meinen damaligen Freund. Alles war so neu, so gross. Am Anfang schämte ich mich für meinen Akzent», sagt sie und lacht. «Aber es war auch super, in meinen Zwanzigern in so einer aufregenden Stadt zu leben. Ich bin froh, bin ich diesen Weg gegangen.» Seither ist sie auf den Bühnen des Deutschen Theaters Berlin und des Staatsschauspiels Dresden gestanden. Und war festes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Und sie war in den Kinofilmen «Stasikomödie» und «Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» zu sehen.
Während die Crew 2022 «Transatlantic» in Marseille dreht, greift Russland die Ukraine an. «Das hat mich erschüttert. Die Geschichte von Flucht, Krieg und Tod war auf einmal viel näher», sagt Piasko. «Unsere Arbeit bekam eine total andere Gültigkeit.» Piasko selbst stammt aus einer jüdischen Familie. Ihre Urgrosseltern flüchteten noch vor dem Zweiten Weltkrieg aus Galizien und Riga in die Schweiz und nach Israel. «Dadurch ist diese Thematik in mir verwurzelt.» Und wieder nimmt sie sich einen ganz kurzen Augenblick Zeit, um zu überlegen: «Für mich ist es darum eine besondere Ehre, diese Rolle zu spielen.»