Gewöhnlich heissen Männer auf den Salomonen Rellysdom Feliy oder Mostin Wauky. Seit geraumer Zeit trifft man auf dem Inselstaat im Südpazifik aber auch einige junge Männer, die auf den Namen Hermann Oberli hören. Dazu später mehr.
Klimawechsel. Die 900-Seelen-Gemeinde Muntelier FR am Murtensee. Statt 35 Grad wie auf den Salomonen sind die Temperaturen angenehme 25 Grad tiefer. Hermann Oberli, 79, lebt hier mit seiner Ehefrau Elisabeth, 75.
Im Dezember wurde der gebürtige Emmentaler mit der Limmex-Medaille in der Kategorie Soziales ausgezeichnet. Die Preisverleihung würdigt aussergewöhnliche Menschen über 65. Oberli lebte mit seiner Frau von 1993 bis 2003 auf den Salomonen nordöstlich von Australien und baute unter anderem einen Chirurgie-Master-Studiengang auf, um die Fachkräfte im Land zu halten. «Die Auszeichnung ist eine grosse Ehre. Mich freut es auch, weil damit wieder vermehrt auf die noch immer schwierige medizinische Versorgung im Südpazifik aufmerksam gemacht wird.» Als Auszeichnung für sein Lebenswerk sieht er die Medaille nicht. «Die Arbeit geht weiter.»
Noch immer reist Oberli einmal pro Jahr auf die Salomonen, berät und bildet Ärzte aus. Zum Erfolg habe auch seine Frau beigetragen. «Sie hat stets alles im Hintergrund organisiert.»
Das Paar ist seit 52 Jahren verheiratet, kennengelernt haben sie sich beim Skifahren auf der Axalp ob Brienz. Elisabeth Oberli wusste damals: «Mit Hermann werde ich mehr von der Welt sehen als nur den Brienzersee.» Ihr Abenteuer beginnt 1974 mit einem Aufenthalt im polynesischen Samoa. Oberli ist begeisterter Hochseesegler, kannte das Land aus Büchern von Weltumseglern. «Diese Region hatte uns immer gereizt.»
Als Oberli ein Inserat in der «Schweizerischen Ärztezeitung» sieht, zögert er nicht und zieht mit seiner Familie in die Südsee. Tochter Bettina – heute eine bekannte Filmregisseurin («Die Herbstzeitlosen», «Le vent tourne») – ist eineinhalb, Sohn Kaspar sechs Jahre alt. «Wir waren jung, naiv und abenteuerlustig», sagt Oberli. «Anfangs hatten wir mit der Hitze zu kämpfen. Aber die Kinder gewöhnten sich schnell daran.» Oberli verdient 5000 US-Dollar pro Jahr – zu wenig, um dem Nachwuchs eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie bleiben zwei Jahre, dann kehren sie heim. Das Paar verspricht: Wenn die Kinder erwachsen sind, wollen wir wieder losziehen.
Die nächsten 17 Jahre arbeitet Oberli als Chefarzt der Chirurgie im Spital Meiringen und ist Ende der 80er-Jahre für das IKRK mehrmals im pakistanischen Peschawar im Einsatz.
Anfang der 90er lockt ein Inserat die Oberlis erneut in die Ferne. Das Gesundheitsministerium der Salomonen sucht für die Hauptstadt Honiara einen Arzt zum Aufbau der Unfallchirurgie mit Erfahrung in einem Entwicklungsland. Die Entscheidung fällt schnell. «Ich glaube, für unsere Kinder war es manchmal hart. Sie steckten mitten in der Ausbildung, und wir zogen ans andere Ende der Welt», sagt Elisabeth Oberli.
Der Start verläuft schwierig. Oberli ist als einziger ausgebildeter Chirurg für die Behandlung von Patienten – in über 70 Sprachen – zuständig. Mit vom Lions Club Meiringen gesammelten Spenden kann er medizinisches Material aus der Schweiz organisieren, das Spital notdürftig sanieren und fünf einheimische Chirurgen ausbilden. Seine Frau unterstützt ihn beim Netzwerken, holt Studenten, die ein Praktikum absolvieren, am Flughafen ab und betreut sie.
Während eines Heimaturlaubs kommt es im Juni 2000 auf den Salomonen zum Regierungssturz, der in einem Bürgerkrieg gipfelt. Oberli kehrt als IKRK-Delegierter in «sein» Spital zurück. Zwei Patienten sind erschossen worden. Oberli hält die Stellung, bis sich die Situation beruhigt. Die Löcher der Kugeln sind noch heute in der Wand zu sehen – auf Wunsch von Oberli: «Mir war es wichtig, dass die Menschen sich daran erinnern.»
In den folgenden Jahren wird Oberli als «Knochen-Doktor» bekannt. Ein Lehrer kann nach einem schlecht behandelten Krokodilbiss seinen Arm erst nach einer Operation durch Oberli wieder bewegen. Viele Bewohner sprechen von Wundern, nennen aus Dankbarkeit ihren Nachwuchs Hermann Oberli. 2003 kehrt das Paar in die Schweiz zurück. Tochter Bettina erwartet das erste Kind. Die Eltern von Elisabeth sind krank. «Es war an der Zeit.»
Im Winterhalbjahr vermisst Elisabeth Oberli die Wärme und die frischen Ananas. Für Hermann Oberli ist die Rückkehr auf die Salomonen einmal pro Jahr wichtig: «Die Inseln sind unsere zweite Heimat. Es ist schön, dass wir was bewirken konnten.»