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Bastian Baker musste aus Afghanistan flüchten

«Ich hatte grosse Angst»

Bastian Baker war als Unicef-Botschafter in Afghanistan, um Kindern zu helfen. Bis zur Evakuierung mit Polizei-Eskorte. Was er in dem Land, das von den radikal islamistischen Taliban regiert wird, erlebt hat, schildert er exklusiv bei SI online.

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<p>Der Lausanner Musiker Bastian Baker war für seine erste Mission als Unicef-Botschafter in Afghanistan.</p>

Der Lausanner Musiker Bastian Baker war für seine erste Mission als Unicef-Botschafter in Afghanistan.

Mirjam Kluka (PD)

Bastian Baker (34) ist noch immer mitgenommen von den Ereignissen der letzten Tage. Der Sänger war in einem humanitären Einsatz, um anderen zu helfen – dann musste ihm selber geholfen werden. «Ich hatte grosse Angst!», sagt er. «Ich wusste nicht, ob ich sicher und schnell wieder nach Hause komme.»

Der Schweizer Erfolgsmusiker, unter anderem ausgezeichnet mit dem Swiss Music Award und dem Prix Walo, erzählt voller Emotionen von den fünf Tagen, als er als Unicef-Botschafter in Afghanistan war. Seine Mission: Kindern zu helfen. Die Realität: ein Wechselbad der Gefühle. Er und das Team standen plötzlich da ohne Rückflug, ohne Geld, ohne Pass. Und weil das Internet im ganzen Land gekappt war, waren sie von der Aussenwelt abgeschnitten. Gefangen in einem Land, das seit August 2021 von den radikal-islamistischen Taliban mit eiserner Faust regiert wird.

<p>Auch der Besuch von Primarschulen stand für den Schweizer Erfolgsmusiker auf dem Programm.</p>

Auch der Besuch von Primarschulen stand für den Schweizer Erfolgsmusiker auf dem Programm.

Mirjam Kluka (PD)

Afghanistan ist einer der dunkelsten Orte der Welt. Unter den Taliban gilt die Scharia, die gnadenlos durchgesetzt wird. Frauen sind weitgehend entrechtet, erst Ende 2024 wurde ihre Unterdrückung verschärft: In vielen Regionen müssen sie nun sogar ihre Fenster verhängen, damit sie nicht nach draussen schauen können.

Neben der katastrophalen Menschenrechtslage steckt das Land in einer der weltweit schlimmsten humanitären Krisen. Fast die gesamte Bevölkerung lebt in Armut, viele sind geflohen, über 23 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 20 Millionen leiden an akutem Hunger. Fast jedes zweite Kind unter fünf Jahren ist mangelernährt. Aussichten auf Besserung gibt es keine. Einziger Lichtblick ist die Hilfe von humanitären Organisationen.

<p>Bastian Baker war als Botschafter mit Unicef-CEO Bettina Junker (Mitte) in Afghanistan. Vorwiegend hielt sich die Delegation im Uno-Camp in Bamiyan auf.</p>

Bastian Baker war als Botschafter mit Unicef-CEO Bettina Junker (Mitte) in Afghanistan. Vorwiegend hielt sich die Delegation im Uno-Camp in Bamiyan auf.

Mirjam Kluka (PD)

Die Taliban sperrten das Internet

Nach der Landung in der Hauptstadt Kabul fuhren Bastian Baker und sein Team ins Uno-Camp in der Provinz Bamiyan. «Die Fahrt dauerte fünf Stunden. Als wir ankamen, fragte ich nach WLAN.» Die Antwort: «Die Taliban haben es gesperrt. Am ersten Abend nahm ich es gelassen.» Der Singer-Songwriter machte sich keine grossen Gedanken und bereitete seine Mission für den nächsten Tag vor. «Vor der Abreise habe ich meiner Familie gesagt, sie sollen nicht auf eine Nachricht von mir warten, es könne schwierig mit dem Internet werden. Ich war da noch chillig unterwegs. Das bin ich generell im Leben.»

Am Tag darauf besuchte Baker ein Spital. Dann rief der Missionschef die siebenköpfige Delegation zusammen und sagte ihnen, die Lage sei «viel schlimmer als gedacht». Einen Tag vor Ende der Hilfsmission hiess es: Stopp. «Wir wussten nur, dass wir dringend nach Kabul zurückmüssen.» Jedoch: Kein Flugzeug startete, die Banken waren geschlossen, das Internet abgeschaltet, die Pässe eingezogen. In solchen Situationen folgen die Teams einem klaren Sicherheitsprotokoll der Vereinten Nationen, das Mitarbeitende und Protagonisten schützen soll. Entsprechend musste für die Rückreise eine Polizei-Eskorte organisiert werden, das dauerte zwei Tage. Die Zeit nutzten sie, um doch noch möglichst viele der geplanten Programmpunkte umzusetzen.

<p>Auch der Besuch auf der Säuglingsstation hat den Schweizer Musiker emotional sehr berührt.</p>

Auch der Besuch auf der Säuglingsstation hat den Schweizer Musiker emotional sehr berührt.

Mirjam Kluka (PD)

Der ehemalige Eishockeyprofi Bastien Kaltenbacher, wie Baker bürgerlich heisst, besuchte Kinderspitäler, Primarschulen und abgelegene Dörfer. Dort verteilte er Winterjacken und Decken, mit Buben spielte er Volleyball. Musik machen durfte der Musiker nicht, das ist in Afghanistan illegal. Die Taliban haben Singen, Musizieren, alles verboten, das sie mit westlicher Kultur in Verbindung bringen. Die Begegnungen hinterliessen bei ihm tiefe Eindrücke: «Die Armen versuchen, glücklich zu sein und positiv zu bleiben. Nur in den Augen der Erwachsenen sieht man, wie schlimm für sie alles ist. Die Kinder haben den Glanz in ihren Augen noch nicht verloren», erzählt Baker.

Zwei Tage warteten sie auf die Polizei-Eskorte

Besonders eindrücklich sei eine Begegnung in einem Kinderkrankenhaus gewesen. «Ich war etwa eine halbe Stunde lang bei einem anderthalb Jahre alten Mädchen. Es hat mich die ganze Zeit angelächelt. Das bleibt mir mein Leben lang in Erinnerung.» Er empfinde es als Privileg, Teil der Unicef-Mission zu sein, sagt er. Er erlebte, mit wie viel Freude die Kinder lernen, wie unbeschwert sie lachen, wie schön die Natur ist.

Die Lage vor Ort stellt das Hilfswerk vor grosse logistische Herausforderungen: Schulen und Spitäler in abgelegenen Dörfern sind schwer erreichbar, Transportwege eingeschränkt, viele Regionen isoliert. Die Unicef liefert medizinische Versorgung, Impfungen, Nahrungsmittel, Bildungsangebote und Winterausrüstung – trotz Blackout, eingeschränkter Bewegungsfreiheit und Sicherheitsrisiken.

<p>Nach Tagen im Uno-Camp in Bamiyan informierte sie der Missionschef, die Lage sei schlimmer als gedacht, sie müssten dringend nach Kabul zurück und aus Afghanistan abreisen.</p>

Nach Tagen im Uno-Camp in Bamiyan informierte sie der Missionschef, die Lage sei schlimmer als gedacht, sie müssten dringend nach Kabul zurück und aus Afghanistan abreisen.

Mirjam Kluka (PD)

Bastian Baker befand sich während der Evakuierung erstmals in einer Ausnahmesituation. «Wir wussten auf der Fahrt zurück nach Kabul nicht, ob wir unterwegs angegriffen werden oder ob die Hauptstadt bombardiert wird. Es war total verrückt. Wir waren zwar sicher, aber die Umstände voller Unsicherheit machten mir grosse Sorgen.» In den Tagen hat Bastian Baker vieles durchgemacht und gefühlt – Freude und Hoffnung, Angst und dann Erleichterung.

Bettina Junker (58), Unicef-CEO Schweiz und Liechtenstein, die mit Baker vor Ort war, sagt: «In Afghanistan habe ich erlebt, wie vielschichtig, weit verbreitet und direkt lebensbedrohlich die Armut von Kindern und Familien ist. Sie brauchen unsere Solidarität und unsere Stimme. Die humanitäre Krise und die Bildungschancen für Mädchen stehen im Zentrum unserer Arbeit – denn wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir eine ganze Generation.»

<p>Nach der Machtübernahme der Taliban 2021 war die Unicef eine der wenigen Non-Profit-Organisationen, die in Afghanistan blieb.</p>

Nach der Machtübernahme der Taliban 2021 war die Unicef eine der wenigen Non-Profit-Organisationen, die in Afghanistan blieb.

Mirjam Kluka (PD)

Kurz vor dem Abflug in Kabul erhielten sie ihre Pässe zurück. «Aber wir wussten erst nicht, ob wir mit dem Uno-Flugzeug nach Usbekistan oder Tadschikistan fliehen können.» Sie seien schlussendlich via Dubai nach Zürich geflogen. Am Samstagmorgen landeten sie in Kloten. «Ich bin dankbar, dass ich in Afghanistan sein durfte», sagt Bastian Baker. «Die Menschen brauchen unsere Hilfe. Damit die Kinder auch als Erwachsene ihren Glanz nicht aus den Augen verlieren.»

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Von Flavia Schlittler vor 3 Stunden