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Roger Schawinski macht sich stark

«Ich scheue den Kampf nicht»

Vom Radiopiraten zum Medienpionier – und zurück? 40 Jahre nach seinem Kampf für das erste Schweizer Privatradio nimmt es Roger Schawinski erneut mit der Medienpolitik auf und mobilisiert gegen die Abschaltung von UKW.

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Roger Schawinski

Roger Schawinski vor einer Projektion, die ihn 1979 vor seiner UKW-Sendeantenne auf dem Pizzo Groppera zeigt.

Geri Born

Es verwundert niemanden – ausser ihn selbst. Roger Schawinski, 76, befindet sich als alleinige Leitfigur in einem medienpolitischen Kampf. In einem Kampf für das Radio, «und vor allem für dessen Konsumenten», wie er sagt.

1979 baute er auf dem Pizzo Groppera in Italien die stärkste UKW-Antenne der Welt und sendete von dort als Medienpirat mit Radio 24 sein Programm bis in die Schweiz. So kenterte er das staatliche Hörfunk-Monopol.

Nun ist Schawinski zurück! Auch 2021 sorgt er mit der Ultrakurzwelle (UKW) für Furore. Der Medienpionier will verhindern, dass die analoge Technologie neben der digitalen – Digital Audio Broadcasting (DAB) – untergeht.

Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) plant, die Radioübertragung gänzlich auf DAB+ und Internet umzustellen und UKW abzuschalten – die SRG per August 2022, bis Januar 2023 müssen Privatradios folgen. Dagegen wehrt sich Roger Schawinski. «Wie schrieb ich in meiner Biografie? ‹Die Zeit der grossen Kämpfe ist vor-bei, aber so ganz traue ich mir nicht.›» Der Medienunternehmer lacht. Gänzlich ist er nicht überrascht von seinem Aktivismus. «Wenn ich etwas sehe, das keinen Sinn ergibt, und ich das Gefühl habe, dass ich etwas machen kann, dann versuche ich es auch, selbst wenn ich alleine bin», sagt der Radio-1-Chef. «Ich scheue den Kampf nicht – auch heute nicht.»

Roger Schawinski

Roger Schawinski. Medienunternehmer, Moderator und Gründer von Radio 24, Radio 1, Tele Züri sowie der SRF-Sendung «Kassensturz».

Geri Born

Roger Schawinski, wieso sind Sie gegen DAB+?
Ich bin nicht gegen DAB+, sondern gegen die Abschaltung von UKW. Diese Technologie wird noch immer stark genutzt. In der Schweiz gibt es zehn Millionen UKW-Radios in Haushalten, hinzu kommen zwei Millionen in Autos. All diese Geräte muss man wegschmeissen – Elektroschrott für nichts! Zusätzlich müssen die Konsumenten in neue DAB-Radios investieren, Kosten von gegen 600 Millionen, die auf sie abgewälzt werden. So entstand die Idee zur Petition «Rettet UKW».

DAB beziehungsweise DAB+ wird seit 25 Jahren entwickelt. Warum sind Sie nicht eher dagegen gewesen?
Mitte der 80er und 90er kam das digitale Radio auf. Digital galt als sexy, analog als unsexy. Also entwickelte die European Broadcasting Union (EBU) eine neue digitale Technologie: DAB. Aus damaliger Sicht eine innovative Sache. Aber dann kam das Internet und revolutionierte die Welt.

Sie gelten als Medienpionier. Konnten Sie das Internet nicht voraussehen?
Nein, nicht einmal Bill Gates konnte das. Aber spätestens als das Internet da war, hätte die DAB- Entwicklung gebremst werden müssen. Dass dies nicht geschah, ist ein grosser Fehler. Ursprünglich war eine Follower-Strategie geplant: Die europäischen Länder gehen voraus, die Schweiz folgt. Aber niemand ging voraus! In Norwegen hat die Einführung von DAB nicht funktioniert. Irland hat aufgehört, Deutschland und Österreich haben es weit in die Zukunft geschoben. Nur die Schweiz will DAB als einziges Land in Europa durchstieren. Weil gewisse Leute hier nicht zugeben wollen, dass die Millionen-Investitionen in DAB für «d Füx» sind.

«Gewisse Leute wollen nicht zugeben, dass die Investitionen in DAB für ‹d Füx› sind»

Roger Schawinski
ROGER SCHAWINSKI

Aus dem Radiopiraten ist über die vier Jahrzehnte ein Mediencrack geworden.

RDB

Roger Schawinski wächst im Zürcher Kreis 4 mit einem Mittelwellenradio auf, «einem alten, sehr ehrwürdigen Kasten». Die Familie hört «Polizischt Wäckerli» oder «Verzell du das em Fährimaa». Selbst zur Scheidung bekommt er von seiner ersten Frau Priscilla ein Radio geschenkt. Heute hört er UKW – «ein kleines Radio steht neben meinem Bett» – sowie über Internet und DAB+.

Roger Schawinski

«Dieser Kampf gibt mir schon Adrenalin, ich will, dass es funktioniert. Mein Team ist elektrisiert.»

Geri Born

Die Umstellung auf DAB ist in der Schweiz seit Jahren geplant. Kritiker werfen Ihnen nun vor, dass Sie zu spät kommen.
Wieso zu spät? Ich sagte schon 2016 zur damaligen Bakom-Chefin Doris Leuthard, dass DAB eine Zwischentechnologie sei und bloss ausreiche, bis 5G hier ist. Eine Technologie muss sich innerhalb von fünf Jahren durchsetzen, sonst taugt sie nichts. Diesen Test hat DAB nicht bestanden. Aber ja, richtig ernst genommen habe ich die Sache erst, als ich die Verfügung erhielt. Darin stand, dass ich bis Ende Januar 2023 meine UKW-Sender abschalten müsse – oder innert 30 Tagen Beschwerde einreichen könne.

Eines Ihrer Argumente ist, dass dann nur noch ausländische Radios via UKW zu empfangen sind, worunter dann die heimischen Radiostationen leiden. Genau so gelangten Sie selbst mit Radio 24 doch in die Schweiz.
Ja, so musste ich damals die Medienfreiheit in die Schweiz bringen. Es ging nicht anders, weil wir ein SRG-Monopol hatten. Dies war der Startpunkt der Radiovielfalt.

Aber genau diese Privatradios sind mit der SRG einig. Sie kämpfen erneut alleine …
Ich bin überrascht, dass ich als Einziger sage: Das ist ein Irrsinn! Der Grund, weshalb die anderen der UKW-Abschaltung zustimmten, ist, dass sie ohne Ausschreibung eine Konzessionsverlängerung erhielten. So haben sie sich ihre Pfründen gesichert. Aber Radio ist doch nicht da, damit es den Besitzern gut geht, sondern dass den Konsumenten ein optimaler Service geboten wird.

«Diesmal gehe ich nicht mehr auf den Pizzo Groppera, sondern nach Bern oder vors Verwaltungsgericht in St. Gallen»

Roger Schawinski

Bereits rund 56000 Unterzeichnende unterstützen Schawinskis Onlinepetition. Auch politischen Support erhält er inzwischen, selbst die frühere Bakom-Chefin, alt Bundesrätin Doris Leuthard, findet gegenüber Radio 1, dass der Bundesrat ihre frühere Entscheidung überdenken soll. Schawinski hofft auch auf Gehör der aktuellen Uvek-Chefin Simonetta Sommaruga, schliesslich hätten sie beide ihre Wurzeln beim Konsumentenschutz – er gründete den «Kassensturz», sie leitete die Stiftung für Konsumentenschutz. «Die Fernmeldekommission des Nationalrats wird das Thema Anfang August aufnehmen. Man hat mich dazu eingeladen. Und im Ständerat wird dazu im Herbst eine Motion behandelt», sagt er. «Unsere Petition ist ein Teil des Kampfes.»

Im Rahmen einer froehlichen Demonstration am 29. Dezember 1979 in Bern wird der Radio 24-Chef Roger Schawinski, Mitte, eine Petition mit 212 000 Unterschriften zugunsten seines Senders im Bundeshaus abliefern. (KEYSTONE/Str)

29. Dezember 1979: Radio-24-Chef Roger Schawinski reicht in Bern die Petition zugunsten seines Senders mit 219 000 Unterschriften ein.

Keystone

Radio 24 wurde zweimal abgeschaltet, aber Sie kämpften weiter. Machen Sie das auch, wenn UKW abgeschaltet wird?
Dies sind andere Zeiten, und sie erfordern andere Methoden. Diesmal gehe ich nicht mehr auf den Pizzo Groppera, sondern nach Bern und vors Verwaltungsgericht in St. Gallen.

Was wäre der Kompromiss?
UKW soll erst abgeschaltet werden, wenn mindestens 90 Prozent der Autos andere Möglichkeiten haben, um Schweizer Sender zu empfangen.

Von Aurelia Robles am 27. Juni 2021 - 07:09 Uhr