Ihre Liebe kennt keine Parteigrenzen

Es regnet in Strömen an diesem Tag in Berneck SG. Der Himmel grau, die Schuhe nass – und doch: Mike Egger (32) und Lisa Vincenz Egger (30) strahlen, als ob ihnen die Sonne persönlich auf die Schultern scheint. Seit Anfang Mai sind der SVP-Nationalrat und die Co-Präsidentin der FDP-Frauen St. Gallen miteinander verheiratet. «Wer hätte das gedacht?», fragt Mike Egger und drückt sanft die Hand seiner Frau. «Ich sicher nicht!», entgegnet Lisa Vincenz Egger und lacht.

Kennengelernt haben sie sich – politisch gesehen – als Gegner: Als Mike Egger 2019 für den Ständerat kandidierte, trat er gegen Susanne Vincenz-Stauffacher (58) an, Lisas Mutter. Die Tochter unterstützte den Wahlkampf der FDP-Nationalrätin. «Wir begegneten uns immer wieder bei Veranstaltungen», sagt sie. «Ich war beeindruckt, dass sich ein so junger Politiker traute, für das Amt zu kandidieren.» Er sagt: «Sie fiel mir auf, wirkte sympathisch. Mir gefiel sehr, dass sie sich für Politik interessierte, was in diesem Alter selten ist.» Beide waren aber liiert – Parteizugehörigkeit wie Beziehung schienen klar geregelt.

Wo die Liebe hinfällt

Es vergingen einige Jahre, bis er sie um ein erstes Date bat – beim Weihnachtsmarkt in Bern. «Natürlich hat uns da die ganze FDP-Fraktion gesehen», sagt sie und lacht. «Kurz darauf musste ich meiner Mutter gestehen, dass es sein könnte, dass ich mich gerade in Mike Egger verliebe.»

Der Parlamentarier nahm bei der nächsten Session seinen ganzen Mut zusammen und lud die potenzielle Schwiegermutter auf einen Tee ein. Doch sie lehnte ab! «Das war schon ein Dämpfer», sagt er – heute mit einem Schmunzeln. Seine Freundin rief ihn kurz darauf an und sagte: «Am Samstagabend kannst du dich bei meiner Familie vorstellen – aber du musst kochen.» Für den gelernten Metzger kein Problem. Oder? «Er kam direkt von einer SVP-Veranstaltung – und dann auch noch zu spät!», sagt Lisa und schlägt sich die Hand gegen die Stirn. «Ich hielt eine Rede vor 700 Leuten – und war weniger nervös als in dieser Küche.» Doch sein Hackbraten überzeugte. «Heute lieben ihn alle.»

Zu dieser Zeit hatte der Vizepräsident der SVP St. Gallen ein altes Haus in Berneck gekauft und war dabei, es zu renovieren. «Er fragte mich, welche Plättli oder Türgriffe mir gefallen», erinnert sie sich. «Da wusste ich: Das ist etwas Ernstes.» Er nickt. «Bei Lisa war schnell klar – das ist die Frau meines Lebens. Warum warten?» Inzwischen wohnen sie gemeinsam in diesem Haus am Dorfrand. Im Mai haben sie nach einem Jahr Beziehung standesamtlich geheiratet. «Und wir wollen definitiv Kinder, aber das hat noch Zeit.» Lisa Vincenz Egger ist selbstständige Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in St. Gallen, und Mike Egger verlässt nach zehn Jahren den Migros-Betrieb Micarna und wird stellvertretender CEO der Fleischproduzenten Malu Holding. Das junge Paar reist und wandert gern zusammen und spaziert wenn möglich jeden Sonntag mit Hund Luna zur Burgruine Rosenberg.

Voneinander lernen

Immer wenn sie ihre Geschichte erzählen, berühren sie einander. Eine Hand am Arm, ein Blick, ein kurzes Lächeln. Was sie an ihrem Ehemann beeindruckt: «Mike begegnet allen Menschen gleich – ob Unternehmer oder Servicepersonal», sagt Lisa. «Diese Bodenständigkeit mag ich.» Und was gefällt ihm an ihr? «Sie ist engagiert, klug und hat ein grosses Herz.»

Trotz Harmonie: Politisch ticken die beiden nicht immer gleich. «Und das ist für uns auch richtig so.» Beim Rahmenabkommen oder der Individualbesteuerung fliegen die Funken. «Eigentlich wollte ich nicht heiraten, bevor die Individualbesteuerung eingeführt ist», sagt sie. Er grinst. «Da habe ich wohl gute Überzeugungsarbeit geleistet.» Umgekehrt lässt auch er sich überzeugen – etwa beim Thema häusliche Gewalt. Die Anwältin engagiert sich stark für Betroffene. «Man kann nicht nur im Strafrecht schärfer werden – die Opferhilfe muss ebenfalls gestärkt werden», sagt er. «Da habe ich von ihr viel gelernt.» Beide wissen: Ohne Konsens geht in der Politik – wie in der Liebe – nichts. «Wir haben in der Beziehung gelernt, Kompromisse zu schliessen. Das hilft auch im Bundeshaus.»

Und was wichtig ist: Irgendwann ist auch mal Schluss mit der Politik. «Ich habe mal den Kapitalfehler gemacht, kurz vor dem Schlafengehen den Rahmenvertrag anzusprechen. ‹Arena› im Schlafzimmer – schlechte Idee», sagt sie. Die Zeit, die sie zusammen zu Hause verbringen, ist selten – und kostbar. «Und die wollen wir geniessen.»

Lisa Vincenz Eggers und Mike Eggers Welt ist nicht schwarz oder weiss und schon gar nicht parteifarben, manchmal ist sie einfach rosarot – sogar an grauen Tagen.