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KRIMIBUCHAUTORIN SILVIA GÖTSCHI

Im fesselnden Reich der Silvia Götschi

Die Aargauerin Silvia Götschi ist die erfolgreichste Krimibuchautorin der Schweiz: In den regelmässigen Genuss ihrer Lesungen kommt Ehemann Peter – daheim in der Stube. «Er ist mein wichtigster Kritiker.»

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Silvia Goetschi, erfolgreichste Schweizer Krimibuchautorin, 23. Maerz 2021, Meisterschwanden mit Ehemann Peter Schaller

Zu Hause in Meisterschwanden AG: Gerade liest Silvia Götschi ihrem Gatten Peter aus ihrem Krimi vor.

Fabienne Bühler

Noch einmal zurrt Silvia Götschi das Seil fest, dann bringt sie fachgerecht einen Seemannsknoten an. «Gehts mit Schnaufen, Peter?» Ihr Mann nickt, auch er muss lachen – obwohl sie ihn bis unter den Hals gefesselt hat. «Dann kann ich ja anfangen», sagt die 63-Jährige und setzt am Fusse einer Marmorsäule zur Lesung an.Eine Stunde später. Tea-Time. Silvia Götschi und Ehemann Peter, 64, sitzen auf der Terrasse ihres 5½-Zimmer-Hauses in Meisterschwanden AG, unten am Hang funkelt der Hallwilersee. «Das ist unser Reich», sagt die gebürtige Obwaldnerin. Hier zelebrieren die beiden passionierten Hobbyköche Candle-Light-Dinners für sich – und hier im Büro verfasst die Hausherrin ihre Kriminalgeschichten.

Silvia Goetschi, erfolgreichste Schweizer Krimibuchautorin, 23. Maerz 2021, Meisterschwanden mit Ehemann Peter Schaller

Bei ihren öffentlichen Lesungen stellt Götschi oft Tatort- Situationen nach – mit den dazugehörigen Utensilien. 

Fabienne Bühler

20 Krimis hat Götschi bereits geschrieben. Über 200 000 ihrer Bücher wurden schon verkauft, die Werke «Einsiedeln», «Bürgenstock» und «Engelberg» rangierten auf der Schweizer Bestsellerliste auf Platz 1. Neben ihr, schätzt sie, kann in der Schweiz noch ein halbes Dutzend Krimischreiber vollumfänglich von der Schriftstellerei leben. Spannender Einstieg, kontinuierliche Steigerung der Dramaturgie, stimmige Personen, Cliffhanger und Wortwitz – so umschreibt Götschi ihr Rezept. «Ich schildere, wie ein Mensch zum Mörder wird.»

Jeweils morgens um sieben Uhr schreibt Götschi an ihrem Manuskript weiter «mit Gedanken zu Mord und Totschlag, die mir einfielen, bevor ich einschlafen konnte». Auch beim Putzen und Mountainbiken kommen ihr Ideen, die sie gleich einfliessen lässt. «Ich habe eine blühende Fantasie. Und bin masslos. Wie eine Biene hüpfe ich von einer Tätigkeit zur anderen.» Damit in ihren Krimis keine realen Namen vorkommen, vergewissert sie sich eigens auf tel.search. Für die Recherche zu teuren Weinen konsultiert sie auch mal im Luxushotel The Chedi Andermatt die Weinkarte. Beim Schreiben lässt sich Götschi oft von Musik des Filmkomponisten Hans Zimmer stimulieren: «Die ist so schön düster.» 

«Ich liebe es, mich zu inszenieren. Bei meinen Lesungen kann ich mich auf der Bühne richtig austoben»

Ihr leiblicher Vater sei früh verstorben, «so lernte ich schon als Meitli, dass Tod und Trauer zum Leben gehören». Für den 330-Seiten-Krimi, der diesen November auf den Markt kommt, brauchte Götschi zwei Monate: Es geht um die Entweihung der Kirchen und das Böse auf der Welt. Das Schlimmste ist für sie das Verfassen des Exposés – das vom Verlag vorgängig verlangte Handlungsgerüst. «An diesen zwölf Seiten ‹chnorze› ich jedes Mal tagelang herum.» Der Ehemann nickt. «Sonst ist Silvia ein fröhlicher Mensch, aber dann ist sie unausstehlich.»

Lang ists her, seit sich die Wege der beiden erstmals kreuzten – als sie in Kriens LU zusammen zur Schule gingen. Götschi macht eine Ausbildung als Modeverkäuferin und das KV, arbeitet 18 Jahre in Davos in der Hotellerie, zieht mit ihrem damaligen Ehemann fünf Kinder gross, schreibt Liebesromane. 1998 treffen sich Silvia und Peter an einer Klassenzusammenkunft wieder – den Abend lassen sie als passionierte Tänzer im Dancing Pilatuskeller in Hergiswil NW ausklingen. Fünf Jahre später läuten die Hochzeitsglocken. Heute führt Peter, gelernter Maschinentechniker, mit Silvia eine Kommunikationsagentur.

Silvia Goetschi, erfolgreichste Schweizer Krimibuchautorin, 23. Maerz 2021, Meisterschwanden mit Ehemann Peter Schaller

«Am liebsten lasse ich mir beim Bügeln vorlesen», sagt Ehemann Peter. «Da kann ich mich am besten konzentrieren.» 

Fabienne Bühler

Götschi schenkt Peter Tee nach. Er ist stets ihr erster Zuhörer. Regelmässig liest sie ihm aus ihren Manuskripten vor, «am liebsten, wenn ich am Bügeln bin», sagt Peter. Und das abendliche Ritual der beiden: Krimi schauen! Am besten sind die aus Island und Schweden. Schweizer «Tatort»? Silvia: «Die sind mir zu gestellt. Und ich will Action, kein ‹Gschnäder›.» Ihre Lieblings-Krimiromane? «Das Nebelhaus» von Eric Berg und «Der Ursprung des Bösen» von Jean-Christophe Grangé.

Spannend gehts auch zu und her, wenn Götschi auf Tour ist. 35-mal im Jahr ist sie vor Corona mit Lesungen aufgetreten, auch in Deutschland, vor bis zu 100 Leuten. Dann inszeniert sie Tatort-Situationen, mit Polizei- Absperrband, Plastikmesser, Seil. Peter bedient die Nebelmaschine, das Publikum macht mit. «Ich liebe Inszenierungen», sagt sie, «auf der Bühne kann ich mich austoben.» Bei einer Lesung in einem Altersheim ereignete sich einmal fast Tragisches: Eine Zuhörerin stolperte über die «Leiche», eine blutüberströmte Schaufensterpuppe. «Zum Glück bliebs bei einer Beule am Knie.» Regelmässig erhält Götschi Mails von Männern über 50. «Sie schreiben, sie würden dank mir wieder lesen.» Im jüngsten Krimi «Auf der Schwarzen Liste des Himmels» gehts um einen Flugzeugabsturz. Götschi hat ihre Seele geöffnet: Sie leidet unter Flugangst. Inhalt und Charaktere ihrer nächsten vier Bücher hat sie bereits auf Lager, auch die Titel hat Silvia schon jetzt im Kopf. «Dort oben», sagt Peter, «gehts zu wie in einem ‹Ameisihufe›.» 

Silvia Goetschi, erfolgreichste Schweizer Krimibuchautorin, 23. Maerz 2021, Meisterschwanden mit Ehemann Peter Schaller

Ihr aktueller Fall «Auf der Schwarzen Liste des Himmels», Cameo Verlag.Götschis erster Krimi, der nicht in der Schweiz spielt.

Fabienne Bühler
am 11. April 2021 - 08:09 Uhr