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Auf einem Rundgang durch den «Campus»

Jura-Chef Emanuel Probst verrät sein Erfolgsgeheimnis

Schon sein Vater arbeitete bei Jura – doch erst Emanuel Probst machte aus dem Gemischtwarenladen einen Schweizer Exporthit. Warum er jetzt in Niederbuchsiten SO einen «Campus» baute, erzählt der Chef beim Rundgang.

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Emanuel Probst im Gebäude des Innovations Campus

Keine Angst: Jura-Chef Emanuel Probst trinkt selbst nicht fünf, sondern zwei bis drei Tassen Kaffee pro Tag.

Roger Hofstetter

E wie Eröffnung: Emanuel Probst empfängt uns im «Campus» von Jura. Das Gebäude ist brandneu: der Boden braun wie Kaffee, die Möbel weiss wie Milch. Die WCs sind noch nicht beschriftet, sonst ist das meiste parat für die Eröffnung am 21. Juni. Probst, 65, trägt eine Brille von Armani auf der Nase und manchmal eine smarte Uhr am Handgelenk – aber davon abgesehen tickt er anders, als man es von einem Manager erwarten würde.

Vor dem Rundgang durch das neue Gebäude sprechen wir über Kaffee-Erinnerungen. Der schlechteste, den er je serviert bekam, ist Probst noch im Gedächtnis. «Es war in Budapest, zu Sowjetzeiten», erzählt er. Offenbar war die Heizung der Kaffeemaschine kaputt, denn «der Kellner stellte die Tasse zum Aufwärmen in die Mikrowelle». Beinah schüttelts Probst beim Gedanken daran. Sein Ziel ist das genaue Gegenteil: frischer, brühwarmer Kaffee auf Knopfdruck.

S wie Solothurn: Ein leiser Fluss und eine laute Strasse trennen Oberbuchsiten – wo Emanuel Probst aufgewachsen ist – von Niederbuchsiten, wo die Jura Elektroapparate AG 26 Jahre vor seiner Geburt gegründet wurde. «Wenn ich mit meiner Mutter spazieren gehen musste, fütterte ich am liebsten die Goldfische im Teich bei der Jura.» Probsts Vater war bei Jura Technischer Direktor, die Kindheit im bescheidenen Mittelstand «wundervoll». Den Eltern war wichtig, das Einfamilienhaus bis zur Pension abzuzahlen. «Geld verdienen, bevor man es ausgibt», betont Probst, das sei heute noch seine Devise. 

Emanuel Probst im Gebäude des Innovations Campus

«Jeux des garçons», freut sich Probst über das «Bubenspielzeug» in seiner neuen Testanlage.

Roger Hofstetter

P wie Prüfplatz: Das neue Gebäude auf dem Jura-Areal könnte als Drehort für einen James-Bond-Film dienen. Ein Ingenieur arbeitet gerade an einem «Neugerät», über das er «nicht sprechen darf». Durch Scheiben blickt man auf 102 «Prüfplätze». Hier testet die Firma ihre Kaffeemaschinen – 24 Stunden am Tag. Auf einer Schiene flitzt ein Behälter selbstständig hin und her und befüllt die Maschinen von oben mit Bohnen. Kurz darauf dampft es.

Der jahrelange Gebrauch in der Küche wird per Dauertest durchgespielt. Mit zwei Bohnensorten, zwei Wasserarten und vier Stromspannungen – Jura ist in 50 Ländern präsent. Im Keller unten testet man in einem Akustikraum sogar die «Lärmemission» der Maschinen. «Zu laut dürfen sie nicht sein», sagt Probst, «aber geräuschlos wäre auch nicht gut, schliesslich werden die Bohnen ja frisch gemahlen.»

«Wir sind keine Erben, haben keine Investoren gesucht. Es ist alles selbst erarbeitet»

R wie Roger: «Das war die Idee unseres damaligen Marketingchefs», sagt Probst. «Und mein erster Gedanke war: Wir sind viel zu klein für Federer!» 2006 war Jura zwar schuldenfrei, aber noch nicht so erfolgreich wie heute. Probst hatte nach seinem Einstieg Bügeleisen, Toaster und Brezeleisen aussortiert, bis nur noch Kaffeemaschinen übrig waren. «Von Tennis hatte ich übrigens keine Ahnung.» Bei seinem ersten Besuch in Wimbledon hatte er Angst, sich zu langweilen. «Doch es packte mich.» Für Probst ist klar, dass er mit Federer «lebenslang» weitermachen will. «Er sieht heute noch besser aus als vor 15 Jahren!» Die beiden kennen und mögen einander, gehen gemeinsam essen – «und ja, meistens reden wir dabei über unsere Kinder».

E wie Ehefrau: Marianne Probst, 61, ist Anwältin, Patentexpertin und arbeitet seit 19 Jahren bei Jura. «Wir lernten uns bei der Beerdigung von Firmengründer Leo Henzirohs kennen», sagt Emanuel Probst. Sie haben Sohn und Tochter, beides Juristen. «Mit meiner Frau durfte ich bei Jura etwas aufbauen», sagt Probst. «Wir sind keine Erben, haben keine Investoren gesucht, um Geld aufzutreiben. Es ist alles selbst erarbeitet.» Und genau das, sagt Probst, sei doch «the meaning of life» – der Sinn des Lebens: «kreieren, machen, kämpfen».

Emanuel Probst im Gebäude des Innovations Campus

Er hat an der HSG BWL studiert, wäre aber am liebsten Architekt oder Designer geworden: Emanuel Probst.

Roger Hofstetter

S wie Soundingboard: So nennt Probst seine Kinder, also seinen Resonanzraum. «Sie sagen mir ganz direkt, was sie cool finden und was nicht.» Uncool sind Müll und Verschwendung. Auch Probst selbst störte sich bereits 1997 in der Schweizer Illustrierten an der «Wegwerfmentalität». Klar, dass er damit auch seine Konkurrenten von der Kapselfraktion meint. Der Slogan von Jura heisst nicht ohne Grund: «Frisch gemahlen, nicht gekapselt.»

S wie Sets: Ob in Filmen wie «Iron Man» oder Serien wie «Modern Family» – überall taucht im Hintergrund eine Schweizer Kaffeemaschine von Jura auf. Auch in der Küche von Elton John und Mark Zuckerberg stehen die Exportschlager. «Die Amerikaner drängten uns, eine Maschine zu entwickeln, die Cappuccinos machen kann», sagt Probst. Unterdessen können Jura-Maschinen übrigens auch kalten Kaffee. Sogenannte «cold brews» sind derzeit beliebt. «Aber die schmecken definitiv besser als der Mikrowellenkaffee in Budapest», lacht Probst.

O wie ohne ihn geht gar nichts: E-S-P-R-E-S-S-O, das ist die Grundlage der Jura-Maschinen, sagt Probst. Die Basis für alles andere, was im Laufe der Jahre dazukam. Stellt man Emanuel Probst eine Frage, stösst man einen Dominostein an – vor Begeisterung kommt er von einem Thema zum nächsten. Und ein E wie Ende

Text: Lynn Scheurer am 19. Juni 2022 - 18:06 Uhr