Es war einmal eine Miss Schweiz Organisation. Die kürte Jahr für Jahr ihre Schönheitskönigin – nicht anhand eines redenden Spiegels, sondern einer offiziellen Wahl. Für eines der zwölf bis 16 Mädchen wurde mit dem Sieg ein Märchen wahr: Miss Schweiz – die Schönste im Land!
Doch was wäre ein Märchen ohne böse Wendungen? Liebe Kinder, die gab es fast so viele, wie es Königinnen gab, weshalb wir eine kleine Auswahl präsentieren. Liest deshalb ruhig weiter unsre Gschicht'.
Eine Miss soll ein Vorbild sein. Nun ja, diesbezüglich hat Nadine Vinzens, 37, einen grossen «Tolggen» ihn ihrem Amtsjahrzeugnis von 2002. Die Bündnerin fuhr einst nach einer Partynacht in Chur um 4.30 Uhr mit ihrem Alfa 147 nach Hause – mit zu viel Promille im Blut. Diesen – wir gebens zu, gefährlichen – Fehler blieb nicht geheim und wurde medial ausgeschlachtet. «Miss Schwips» war das neue Branding für Vinzens, Fachleute rieten ihr gar zur Alkohol-Entzugstherapie. «Bei dieser Story hatte ich das Gefühl, dass man Nadine reingelegt hat. Mir kam das so vor, als sei die ganze Geschichte organisiert worden», sagte Karina Berger, jahrelange Mitorganisatorin der Miss-Schweiz-Wahl, Jahre später in einem Interview dazu. «Dass die Medien über sowas berichten, verstehe ich natürlich. Aber den Titel ‹Miss Schwips› fand ich billig.»
Das Happy-End dieses Kapitels: Nadine Vinzens hat die Schlagzeilen überlebt und daraus gelernt.
Wie weit die Geschichte der Miss-Schweiz-Wahl zurückgeht, zeigt das Jahr 2004, als eine Abstimmung via SMS noch einer Pionierarbeit glich – wobei die Premiere ins Höschen ging. Ein Softwarefehler bei der Auswertung der SMS-Stimmen hat die Wahl verfälscht. Die Siegerin Fiona Hefti blieb zwar weiterhin die Erstplatzierte, doch statt Francesca Kuonen wäre Michèle Beglinger auf dem dritten Platz gelandet – und somit ihm Finale gewesen. Kuonen war denn auch doppelte Leidtragende der Auswertungspanne: Sie verlor auch ihren Titel als Miss Photogénique. Glückliche Gewinnerin? Die unbestrittene Siegerin des Abends: Fiona Hefti.
«Publikum, Publikum, du hasts in der Hand, wer von uns beiden ist die Schönste im ganzen Land!» Keine Wahl sorgte für eine solche Kontroverse wie die Wahl zwischen den beiden Finalistinnen aus dem Tessin, Christa Rigozzi und Xenia Tchoumitcheva. Nach Rigozzis Sieg war das Land gespalten. Viele waren der Ansicht, die Zweitplatzierte Xenia Tchoumitcheva wäre die bessere Wahl gewesen, perfekter für die Medien als «sexy russische Lolita».
Nach drei Monaten schon strafte Rigozzi die Kritiker Lügen und erwirtschaftete sich bereits 200'000 Schweizer Franken. Bis heute gilt die Moderatorin als erfolgreichste Miss Schweiz aller Zeiten. Und Xenia? Sie blieb zwar lange, aber nicht für immer die ewige Zweite. Xenia Tchoumi ist heute Influencerin und in London wohnhaft.
Dass als öffentliche Person nichts mehr privat ist, lernte Whitney Toyloy in ihrem Amtsjahr auf sehr emotionale und skandalöse Weise. Nachdem sich die Westschweizerin von ihrem damaligen Freund getrennt hatte, sandte dieser noch in der selben Nacht eine Mail an diverse Medien. Darin beschuldigte er sie, ihn mit einem Millionärssohn betrogen zu haben und beschuldigte die Miss-Schweiz-Krone ihm seine Freundin geraubt zu haben. «Miss Untreu!» titelten sofort die Medien.
Und wie reagierte Whitney Toyloy? Die damals erst 19-Jährige äusserte sich tapfer und ehrlich zu den Vorwürfen – und entpuppte sich während ihres Amtsjahres zu einer vorbildlichen und selbstbewussten Frau.
Hach wie gut dass niemand weiss, dass ich Matterhorn heiss! Für eine kurze Zeit durfte sich der bekannteste Schweizer Berg ganz anonym fühlen oder gar «Zermatter» nennen. Und zwar während des Wissensquiz von «Glanz & Gloria» zur Findung ihrer «Miss Perfect». Mehrere Miss-Schweiz-Kandidatinnen des Jahrgangs 2009 erkannten den bekannten Bergspitz nicht – darunter auch Linda Fäh. Die Schweiz schrie auf! Wie soll die neue Miss Schweiz eine gute Landesvertreterin sein, wenn sie nicht mal das Motiv jeder Toblerone-Schachtel kennt?! Die Siegerin löste die Scham mit Charme: Linda Fäh, 33, gestand die Blamage ein und setze sich mit dem Berg bewusst auseinander. Die Versöhnung gipfelt drei Jahre später in der erfolgreichen Bergbesteigung. Eine Schönheitskönigin und Gipfelstürmerin!
Einen üblen Titel erhielt 2010 Kerstin Cook verliehen, beziehungsweise wurde ihr als «Miss Bschiss» zuteil. Der Grund: Der Luzernerin wurde kurz nach Amtsantritt vorgeworfen, dass sie gar kein richtiges Biologie-Studium absolvierte – aus den Wort-Molekülen Biologie und Lüge wurde «Miss Biolügie». Später wurde Kerstin Cook auch noch der Titel «Miss Tierquälerin» verliehen. Wieso? Weil die Familie nur einen Hasen hatte. Das waren noch Zeiten, in denen wohl keine grossen Themen wie Corona und Klimawandel existierten.
Übringes ist Kerstin Cook eine Herz und eine Seele mit ihrem Hund Icy, den sie aus einem Tierheim hat – soviel zu ihrem zweiten, unliebsamen Übertitel.
Ob es mit ihrem Heimatkanton zu tun hat? Schliesslich brauchen die Berner – so ihr schweizweiter Ruf – immer etwas länger. Und so auch die zuvor zur Miss Bern gekürte Alina Buchschacher als Miss Schweiz. Ja ihr Amtsjahr dauerte fast doppelt solange wie es das Wort Amtsjahr beinhaltet. Ja sie wachte fast nicht mehr aus ihrem Schönheitsschlaf und Märchentraum auf!
Wer weiss, ob die Amtsjahre schuld daran sind, dass Alina Buchschacher ihr Leben mittlerweile lieber etwas privater und fern der Öffentlichkeit hält, als sie es als Miss Schweiz handhaben musste. Und fairerweise muss erwähnt werden: Es lag nicht an ihr, sondern daran, dass die Wahl 2012 schlicht und einfach ausfiel – der eigentliche Skandal in diesem Schönheitskapitel.
Unter der Pleite der Miss Schweiz Organisation leidet die letzte offizielle Miss Schweiz Jastina Doreen Riederer, 22, wohl am meisten. Ihr Amtsjahr 2018 konnte die Aargauerin nicht schön beenden – sie wurde wegen angeblichen Vertragsverletzungen fristlos entlassen. Offiziell gilt sie nicht einmal als Ex-Miss, obwohl sie noch im Besitz der Krone ist. Dies als Druckmittel, schliesslich reichte auch sie Klage ein.
Und wegen den beidseitig laufenden Verfahren geht die Story über die Miss Schweiz doch noch ein bisschen weiter ... und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute – oder noch besser: «To be continued».