Die Mitglieder des EHC Uzwil im Kanton St. Gallen sind aus dem Häuschen. Hoher Besuch steht an: NHL-Star Kevin Fiala (29) ist Gast bei seinem alten Verein – dem, unter dessen Fittichen er seine ersten Schritte auf den Kufen machte. Als er in die riesige Halle tritt, ist selbst Fiala ein wenig aufgeregt. Schnell zückt er sein Handy und macht ein paar Fotos. «Es sieht alles noch genau gleich aus wie vor 15 Jahren. Und irgendwie doch so anders», sagt er. Überall hat der Klub kleine Erinnerungen an Fiala aufgehängt: Wimpel, Bilder – sogar in der Garderobe wurde sein früherer Spind wieder mit «FIALA» versehen. Der NHL-Star war seit über zehn Jahren nicht mehr hier. «Es fühlt sich so schön an, wieder da zu sein.» Bereits sein Vater Jan Fiala spielte für Uzwil.
«Weisch no?» Seine Grosseltern Jan und Ludmilla Fiala teilen viele Erinnerungen an die Zeit bei den Uzwiler Hawks mit ihrem Enkel.
Adrian BretscherHeute hat Kevin seine Grosseltern Jan senior (76) und Ludmilla (74) mitgebracht. Der Grossvater schwelgt in Erinnerungen: «Ich habe den kleinen Kevin immer hierhergefahren, er durfte dann für zehn Minuten mit seinem Vater aufs Eis bei dessen Training. Zur Belohnung gabs jeweils einen Lolli.» Die beiden Männer lachen. Dass Kevin Fiala einmal Eishockeyprofi wird, wusste er schon in der Primarschule. «Ich habe meinen Eltern damals gesagt, dass ich die Schule eh nicht brauchen werde.» Er lacht und sagt dann eilig: «Aber natürlich habe ich sie gebraucht! Ich will Kindern keine Flausen in den Kopf setzen.» Fiala spielte bei den Uzwil Hawks, wechselte als 14-Jähriger zu den ZSC Lions in die U17 und ging dann nach Schweden. Seit drei Jahren skort er in den USA bei den Los Angeles Kings in der NHL, der grössten Eishockeyliga der Welt.
Fialas Herzensprojekt
Dass Fiala seinen alten Klub besucht, hat einen Grund. Der St. Galler ist der erste Schweizer, der verschiedenste NHL-Spieler für ein Charity-Spiel in der Schweiz vereint. Am 8. August treten die ZSC Lions in der Swiss Life Arena in Zürich gegen ausgewählte NHL-Spieler an. Einen Teil des Erlöses geht an das Kinderspital in St. Gallen und an den Nachwuchs der ZSC Lions und des EHC Uzwil. Für Fiala ein Herzensprojekt. «Ich möchte etwas zurückgeben. In den USA sah ich so viele Familien mit Schicksalsschlägen – das hat mich sehr betroffen gemacht.» Wohltätigkeitsanlässe sind in den Staaten gang und gäbe.
Die NHL-Spieler besuchen gelegentlich Kinderspitäler und laden fast zu jedem Match Familien mit traurigen oder belastenden Geschichten ein. Nach der Partie sprechen die Spieler mit den Familien, machen Selfies oder essen etwas Kleines mit ihnen. Fiala erzählt: «Diese Geschichten von Kindern mit Krebs oder unheilbaren Krankheiten haben mich teils so erschüttert, dass ich mit den Familien geweint habe und das Gespräch kurz abbrechen musste.» Mit dem Charity-Spiel will er der Schweiz ein Vorreiter sein und hofft, andere zu inspirieren. «Nicht jeder hat es so gut wie wir. Das wurde mir mit dem Umzug in die USA klar. Ich hatte viel Glück in meinem Leben – das möchte ich teilen.»
NHL-Star Kevin Fiala fühlt sich privilegiert – und will andere unterstützen: Mit seinem Charity-Spiel will er die Schweiz inspirieren.
Adrian BretscherDass ein Teil des Erlöses auch noch an den Nachwuchs seiner beiden alten Vereine EHC Uzwil und ZSC Lions geht, ist für ihn Ehrensache. «Ohne die beiden wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Ich habe ihnen so vieles zu verdanken.» Der Wunsch, etwas zurückzugeben, verschärfte sich noch mehr, seit Fiala selbst Vater geworden ist. Seine einjährige Tochter Masie-Mae beschreibt er als sein grösstes Glück. «Vorher war der Sport meine erste Priorität, jetzt ist es Masie.» Sein Leben habe sich dadurch verändert und sei vor allem langsamer geworden. «Vorher war ich ständig auf Achse. Mit einem Baby geht das nicht mehr. Anfangs war das schwierig für mich, aber genau diesen Stopp habe ich so sehr gebraucht.»
EHC-Uzwil-Präsident Philipp Herzog (l.) sagt: «Dass Kevin bei seinem Charity-Event an uns gedacht hat, bedeutet uns viel.»
Adrian BretscherEigener Schicksalsschlag
Doch das Glück wurde in den letzten Monaten auf eine harte Probe gestellt. Im Mai war seine Frau Jessica (30) erneut schwanger, doch kurz vor dem Start der Eishockey-WM verlor das Paar das Baby. «Das war sehr schwer und tat weh», sagt Fiala. Einige Tage später entschieden sie sich trotzdem, zur Nati nach Dänemark und Schweden zu reisen. «Ich wollte für mein Team da sein. Die Jungs haben uns aufgefangen, das hat unglaublich gutgetan.»
Anders als im Jahr zuvor, als Masie-Mae während der WM zur Welt kam und Fiala beflügelt nachreiste, fühlte sich diesmal vieles schwerer an. «Jessica und ich haben alles richtig gemacht, trotzdem zur WM zu fahren. Sie ist die beste Frau der Welt, wie sie mich in meiner Karriere unterstützt, ist unglaublich.» Heute geht es den beiden ein wenig besser. «Wir hätten nie erwartet, dass so etwas passiert. Aber wir mussten es jetzt akzeptieren. Vergessen werden wir unser ungeborenes Baby nie.»
«Girl Dad»: Kevin Fiala ist mit Leib uns Seele Vater. «Durch Masie-Mae bin ich viel achtsamer geworden.»
Adrian BretscherMit seinem Team holt Fiala an der WM erneut Silber. Frustrierend für den 29-Jährigen. «Ich bin immer no hessig, und es schiesst mich richtig ah», sagt Fiala im besten St. Galler Dialekt. Aber: «Masie-Mae hilft mir, das alles zu vergessen. Und wenn einem so etwas passiert wie mir und Jessica, merkt man, was wirklich wichtig ist.» Am Ende dieses Tages in der alten Eishalle von Uzwil bleibt er noch einmal stehen. Hier, wo alles angefangen hat, wirkt der NHL-Star für einen Moment wieder wie der kleine Junge von damals. Er hat viel bekommen in Uzwil – und Grosses erreicht. Jetzt ist er zurück, um zu geben.