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Wiedersehen im Himmel

Kommt die Mega-Super-­Liga irgendwann?

Das Gezeter ist furchtbar. Das Gejammer musste Früchte tragen. Doch es ist wie immer. Die Hunde bellen. Die Karawane zieht weiter. Die Mega-Super-­Liga kommt. Offenbar nicht heute, dann aber sicher morgen. Wetten?

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Kolumne Widmer, Fussball Super League, Fans Chelsea London, April 2021, SI 16/2021

«Schafft die Super League ab!» Wütende Chelsea-Fans brüllen in London «No» zu den Plänen der Fussballbosse.

Getty Images

Ich verstehe jeden Fan, dem zum Kotzen ist. Messi, Ronaldo, der Norweger mit dem Doppelturbo, der unvergleichliche Mbappé bald auch: nicht mehr in unserer Liga. Es ist nicht vorstellbar. Entsetzlich. Darf nicht wahr sein. Die Hoffnung aller Kleinen dieser Welt wird unter den Milliarden der zynischen Klubbosse aus England, Spanien und Italien begraben. Oder?

Klar, alle selbst ernannten Hüter von Moral, Ethik schäumten, es ist ihre Plicht als Verteidiger der kleinen Träume. Doch der Mainstream sucht Hilfe bei jenen, die er bis heute fast nur verflucht und verdammt hat. Plötzlich sind Fifa und Uefa die letzte Hoffnung im Kampf gegen die ruchlosen Milliardäre aus Manchester, Madrid, Turin und Liverpool.

Fifa und Uefa sollen jeden sperren, der auch nur daran denkt, in der angedrohten Superliga zu kicken. Sperren für jede Meisterschaft. Jede Nationalmannschaft. Jede EM. Jede WM. Auf immer und ewig. Plötzlich ist die Fifa das Mass aller Dinge und die Wiege der Zukunft, in der alles so bleibt, wie es immer war.

Nur: Messi, Ronaldo, der Wikinger mit dem Doppelturbo und die Rakete auf zwei Beinen Mbappé unterschrieben für die Millionen, die sie kassieren, Verträge bei ihren Bossen. Sie müssen dort kicken, wo es ihnen von denen gesagt wird, die sie bezahlen. Und sie werden auch in Zukunft dort kicken, wo das grösste Geld ist.

Vergessen wird beim Gezeter und Gejammer die Realität. Es gibt kein Gericht auf dieser Welt, das Fifa und Uefa das alleinige Recht zusprechen wird, Fussballspiele durchführen zu dürfen. Und für jene, die für das heutige System zu gross geworden sind, ist dieses System der direkte Weg in den Bankrott geworden. Zu viel Risiko im Budget für die nächste Saison. Und die Gelder, die aus dem gemeinsamen Topf an die vielen, vielen Kleinen bezahlt werden, fehlen.

Kolumne Widmer, Fussball Super League, Fans Manchester City, April 2021, SI 16/2021

«Schämt euch!» Die Botschaft zwischen zwei Manchester-City-Schals kommt an: Die englischen Klubs geben klein bei. Für wie lange?

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Ein Milliardenbudget erfordert ein Minimum an Planungssicherheit. Das bieten Fifa und Uefa nicht. Aufstieg, Abstieg, Qualifikation, Penaltyschiessen, VAR und jetzt das Virus. Wo ist da der Zynismus? Der grosse Sport ist mit dem grossen Geld ganz einfach aus diesem System herausgewachsen.

Es wird kommen wie in der Finanzwirtschaft. Als dort die Schulden zum System wurden, kamen die Negativzinsen. Diese werden von den Kleinen getragen. Dass sie immer zahlen, scheint Naturgesetz für alle, die sich nicht dagegen wehren.

Okay. Vorderhand kehrt das Gezeter und Gejammer zur Gretchenfrage der Märkte zurück. Den Millionensalären. Doch es ist nicht am Sport, diese Gretchenfrage zu lösen. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Jeder darf davon träumen, die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft sei es, dafür zu sorgen, dass es keine Kleinen und keine Grossen mehr geben darf. Auf Wiedersehen im Himmel.

Wir vom Sport leben auf der Erde. Der Sport basiert auf dem natürlichen Prinzip von Sieg und Niederlage. Wir Sportler sind Ewiggestrige. Wir feiern das Drama, dass es Verlierer gibt.

Wir haben uns mit einem gewissen Darwinismus abgefunden, nehmen es als Tatsache, dass es immer Kleine und Grosse geben wird, nicht alle Kleinen gross werden können. Hauptsache aber, alle Kleinen haben ein Recht auf grosse Träume.

Die Mega-Super-Liga ist für den Moment aufgeschoben. Gezeter, Gejammer haben einen Zwischensieg errungen. Doch das grosse Pokerspiel hat erst begonnen. Milliardäre spielen es am besten.

Der SI-Gastautor war 34 Jahre lang Sportchef und Chefreporter bei «SonntagsBlick» und «Blick».

Von Mario Widmer am 22. April 2021 - 16:03 Uhr