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  4. Konzertabbruch von Lauwarm in Bern: Die Bandmitglieder ganz privat

Nach Konzertabbruch

Lauwarm plötzlich heissbegehrt

Konzertabbruch mit Folgen: Diese Berner Jungs sind nun bis Jamaika bekannt! Wie die Band Lauwarm mit dem Rummel um Reggae und Rastas umgeht, woher sie ihre Inspiration nimmt und weshalb für sie verfilzte Haare nicht immer ein Statement sein müssen.

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Dominik Plumettaz Saenger und Gitarrist Jesse Drums Julian Mangold Bassist zu Hause bei Dominik und an der Aare Bern

«Wir bleiben unserer Musik und unserem Style treu»: Dominik Plumettaz, Julian Mangold und Jesse Meyer (v. l.) an der Aare.

Geri Born

Die Stimmung in der kleinen Küche von Dominik «Domi» Plumettaz, 27, im Berner Länggassquartier ist munter an diesem Montagmorgen. «Schau, ich habe 1.-August-Weggen mitgebracht», sagt Julian «Jule» Mangold, 27. «Du bist aber ein Schätzu», neckt Jesse Meyer, 26, seinen Bandkollegen und drückt ihn an die Brust. Man könnte meinen, die drei Jungs kennen sich schon ewig. Dabei machen sie erst seit einem Jahr unter dem Namen Lauwarm zusammen Musik. «Der Vorfall hat uns zusammengeschweisst», sagt Domi.

Mit «Vorfall» meint Plumettaz ihr Konzert in der alternativen Berner Brasserie Lorraine, das der Veranstalter nach der Halbzeit abgebrochen hat. Der Grund: Einige Gäste fühlten sich unwohl, weil Lauwarm als weisse Musiker Reggae spielen – eine aus Jamaika stammende Musikrichtung – und zwei der fünf Bandmitglieder Rastalocken sowie afrikanische Kleidung trugen. Das sei kulturelle Aneignung.

Dominik Plumettaz Saenger und Gitarrist Jesse Drums Julian Mangold Bassist zu Hause bei Dominik und an der Aare Bern

Brasilianische -Wurzeln. Domi (l.) zeigt seinen Bandkollegen Jule und Jesse (r.) zu Hause in Bern, wie eine Cuíca funktioniert.

Geri Born

Die Berichterstattung löste in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung aus, und nicht nur in der Schweiz entbrannte eine hitzige Diskussion darüber, was kulturelle Aneignung genau ist. Ob Deutschlands «Stern», der niederländische «Telegraaf» oder die britische «Times»: Alle berichten über «die weisse Reggae- band mit Dreadlocks». «Sogar aus Kanada wurde ich kontaktiert», sagt Dominik, der alle Anfragen persönlich beantwortet. «Ich finde die Debatte wichtig. Auch wenn es schade ist, dass diese wegen so eines Vorfalls stattfindet.» Klar hätten sie nochmals stark selbst reflektiert, sagt Jesse. «Doch die Rückmeldungen aus der Musikszene und von Privatpersonen aus Jamaika haben uns darin bestärkt, dass wir das Richtige tun.»

Im Wohnzimmer von Dominik, der seinen Job als Schreiner kündigte, um eine Lehrerausbildung zu machen, steht ein kleiner Metallkessel. Er streift sich eine angefeuchtete Socke über die Hand und fährt über einen Bambusstab im Innern des Kessels. «Das tönt, als hätten ein Alphorn und eine Tuba ein Verhältnis», sagt Jule und lacht. Die Chuíca, so heisst dieses Instrument, stammt aus Brasilien. Plumettaz’ Eltern sind dort aufgewachsen. «Ich habe sowohl brasilianische wie auch angolanische Wurzeln – darum war für mich der Vorwurf der kulturellen Aneignung wie ein Dolchstich ins Herz.» Für ihn gehe es bei ihrer Musik um Inspiration, nicht darum, fremde Kulturmerkmale zu kopieren. Inspiriert sei er von brasilianischer Bossa-Nova-Musik genauso wie von Indie oder dem Zürcher Mundart-Reggaekünstler Phenomden.

Dominik Plumettaz Saenger und Gitarrist Jesse Drums Julian Mangold Bassist zu Hause bei Dominik und an der Aare Bern

Brasilianische Wurzeln. Domi (l.) zeigt seinen Bandkollegen Jule und Jesse (r.) zu Hause in Bern, wie eine Cuíca funktioniert.

Geri Born

Sieben Jahre suchte Sänger Dominik, der im Zivildienst die Liebe zur Gitarre entdeckte, nach den richtigen Bandkollegen, während er als Strassenmusiker in Bern unterwegs war. So traf er auch Julian. «Ich habe Dom in einem Pärkli zum ersten Mal singen gehört und zu seiner Musik getanzt», sagt Jule.

Dabei kommt der Bassist gar nicht aus der Reggaeecke – obwohl er seit sieben Jahren Dreadlocks trägt. «Ich habe Rock, Metall und Punk gespielt, bin mit Led Zeppelin und Kiss aufgewachsen.» Doch Julian sah die neue Musikrichtung als Herausforderung. «Und bei der Bandprobe flowte es.» Seine Rastas hat sich der Dachdecker damals gedreht, weil er immer lange Haare getragen hat – und die Frisur einfach schön fand. «Das einzige Mal, als ich sie abschneiden wollte, war nach der Trennung von meiner Freundin.»

Lauwarm Raggea Band

Zusammengeschweisst: Julian, Dominik, Jesse, Micha und Philip (v. r.) von der Band Lauwarm sind in aller Munde.

HO

Auch Jesse trug bis vor zwei Jahren Dreadlocks. «Klar war das auch ein Statement, dass ich mich zur alternativen Szene zugehörig fühle», sagt der Tontechniker. Deshalb hat die Band auch Mühe damit, dass nun die rechte SVP die Brasserie Lorraine anzeigen will. «Sie nutzen die Geschichte, um Wähler zu gewinnen – das finden wir daneben», sagt Plumettaz.

Bandmitglied Philip «Phil» Jonientz, 29, der Zweite in der Band mit Rastas, lebte schon in Jamaika und hat sich intensiv mit der Rastafari-Kultur auseinandergesetzt. «Auch Reggaekünstler wie Bob Marley liessen sich von verschiedenen Stilen wie etwa Pop inspirieren.»

Dominik Plumettaz Saenger und Gitarrist Jesse Drums Julian Mangold Bassist zu Hause bei Dominik und an der Aare Bern

Abkühlung. Unweit der Brasserie Lorraine, wo es zum Konzertabbruch kam, springen die drei in die Aare.

Geri Born

Sie, seid ihr die?», fragt eine ältere Dame, als die drei Jungs an der Aare für die SI ihren grössten Hit «S’Problem» anspielen. «Ja, die sind wir», sagt Jule und schmunzelt. «Ich persönlich finde Ihre Rastas ja nicht schön, aber ich schreibe einer Opernsängerin auch nicht vor, welche Frisur sie tragen soll», sagt die Dame.

Über 10 000 Klicks hat der Lauwarm- Song «S’Problem» auf Spotify, die Hörerzahlen ihres Albums sind in den letzten Wochen rasant gestiegen. Ein, zwei Konzertanfragen sind neu dazugekommen. «Die Zahlen werden wieder abnehmen», sagt Dominik. Das sei auch völlig okay. «Uns ging es nie darum, aus der Sache Profit zu schlagen.» Mit der Brasserie gabs inzwischen eine private Aussprache. «Für uns ist das Thema vom Tisch, wir haben ja auch noch ein Privatleben», so der Vater einer vierjährigen Tochter. Er sei froh, wenn die Band bald wieder nur mit ihrer Musik Schlagzeilen mache.

Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 5. August 2022 - 17:08 Uhr