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Künstlerin Sonja Knapp

«Liebe ist der grösste Luxus»

Haute Couture, Katzen und nun Herzen und riesige Skulpturen. Sonja Knapp, die Zürcherin, die ihr halbes Leben in Paris verbrachte, hat drei Künstlerleben und arbeitet schon am vierten. Atelierbesuch in Landquart GR.

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<p>Künstlerin in Haute Couture: Sonja Knapp vor ihren riesigen Inox-Skulpturen, gekleidet in einem Mantel, den sie als Mitgründerin des Modehauses Emanuel Ungaro designt hatte. Links das Werk Farfalla.</p>

Künstlerin in Haute Couture: Sonja Knapp vor ihren riesigen Inox-Skulpturen, gekleidet in einem Mantel, den sie als Mitgründerin des Modehauses Emanuel Ungaro designt hatte. Links das Werk Farfalla.

Kurt Reichenbach

Man hatte mich gewarnt: «Sonja Knapp lässt sich nicht gerne fotografieren.» Aber offenbar macht sie auch Ausnahmen. Für Fotografen, die sie spontan sympathisch findet. Zum Beispiel für den SI-Fotografen Kurt Reichenbach, für den sie einen ganzen Tag lang in ihrem riesigen Atelier Casa Rossa in Landquart GR mit ihren Werken posiert. «Unglaublich», staunt ihre Assistentin, «wie sie heute mitmacht.» Für Kurt steigt die kleine Frau (158 cm) sogar über Kisten, in denen die Gipsmodelle für ihre riesigen Inox-Skulpturen aus den Giessereien in St. Gallen, Mendrisio und Italien lagern. Sie lässt sich auch überreden, zwei Emanuel-Ungaro-Mäntel aus dem Keller zu holen und anzuziehen, die sie einst für eine Haute-Couture-Kollektion entworfen hatte.

<p>Für den Fotografen rührte Sonja Knapp extra Gips an, um zu zeigen, wie sie ihre Skulpturen gestaltet.</p>

Für den Fotografen rührte Sonja Knapp extra Gips an, um zu zeigen, wie sie ihre Skulpturen gestaltet.

Kurt Reichenbach

Sonja Knapp sagt, dass sie halt alles aus Liebe mache. Darum gestaltet sie jetzt auch riesige Herzen aus Inox. Und darum sagt sie auch, dass sie diesen Fotografen einfach liebe. «Ich bin so frei, alle und alles zu lieben, was mir passt. Liebe ist der grösste Luxus, den wir haben.» Sie lacht, die Künstlerin, die gerade mitten in der dritten Periode ihres grossen künstlerischen Schaffens steht. Die zweite Periode kennen viele. Sonja Knapp hat während zehn Jahren um die 1000 Bilder von Katzen gemalt.

<p>«Wer sich in der Natur messen will, muss etwas machen, das sich gegen Bäume durchsetzen kann.» Darum seien ihre Werke so gross, so Knapp.</p>

«Wer sich in der Natur messen will, muss etwas machen, das sich gegen Bäume durchsetzen kann.» Darum seien ihre Werke so gross, so Knapp.

Kurt Reichenbach

Mit virtuosem Strich stellte sie schlafende, zusammengekugelte, lauernde, angriffige Katzen dar, allein, zu zweit und meist mit schwarzer Tusche auf japanischem Papier. Ein Katzenkopf mit haargenauen Details, den Augen, den Ohren – den Körper manchmal nur mit zwei, drei exakt gesetzten Pinselstrichen angedeutet. So wie es die alten japanischen Künstler machten. Schon bald galt sie als beste Katzenmalerin Europas. «Bei den Katzen ist alles Wohlbefinden und Gleich gewicht, Eleganz und Leichtigkeit», fasst sie die Wesensart ihrer Katzen zusammen.
 

<p>Liebespaar und Geschäftspartner. 1965 gründete Knapp mit Emanuel Ungaro das Modehaus gleichen Namens. Ende der 80er-Jahre steigt sie aus.</p>

Liebespaar und Geschäftspartner. 1965 gründete Knapp mit Emanuel Ungaro das Modehaus gleichen Namens. Ende der 80er-Jahre steigt sie aus.

Keystone

Mitgründerin von Ungaro

In ihrer ersten Schaffensperiode war sie 20 Jahre lang Partnerin und kreativer Kopf von Emanuel Ungaro. Das Modehaus, das sie in Paris zusammen mit Emanuel Ungaro gegründet und zum Erfolg geführt hat: «Ich habe entworfen, er hat als gelernter Schneider umgesetzt. Und natürlich die Marke repräsentiert, das musste damals ein Mann sein.» Einzelne Entwürfe sind legendär und wurden oft kopiert: «Solange ich kopiert wurde, wusste ich, dass ich richtigliege.» Das Label Ungaro kam gut an, vor allem in Japan, den USA und Italien. Als die beiden auseinandergehen, zieht sie sich aus der Modewelt zurück und widmet sich ganz ihrer persönlichen Kunst.

<p>«Amadeo Grande» heisst diese Skulptur aus Inox. Das Material schafft mit Spiegelungen eine zusätzliche Dimension.</p>

«Amadeo Grande» heisst diese Skulptur aus Inox. Das Material schafft mit Spiegelungen eine zusätzliche Dimension.

Kurt Reichenbach

Für Künstler, die nur noch machen, was ihnen Erfolg gebracht hat, hat sie nur Verachtung übrig. «Ich war oft in Japan und habe dort gelernt, mit dem breiten Pinsel zu malen. Als ich sah, dass ich wirklich gut war und das Wesen der Katzen verinnerlicht hatte, habe ich aufgehört damit.»

Der Himmel spiegelt sich im Inox

Parallel zur Malerei entstanden Bronzeskulpturen. Vor allem Insekten, riesige Gottesanbeterinnen, gigantische Skarabäen, Schmetterlinge, Bäume und Blumen. Dann entdeckt sie ein neues Material: glatt polierten Inox-Stahl. Er spiegelt die Umwelt so stark wieder, dass eine potenzielle Kundin von ihr «die ‹Farfalla›, den Inox-Schmetterling, aber in Blau», wünschte und behauptete, sie habe ein solches Exemplar gesehen. «Das gibt es nicht», musste Sonja erklären, «das war der blaue Himmel, der sich gespiegelt hat.»

<p>«Riflessi», auf Deutsch Reflexionen, hat Sonja Knapp diese Skulptur getauft. «Um mit der Natur zu konkurrieren, müssen die Werke gross sein.»</p>

«Riflessi», auf Deutsch Reflexionen, hat Sonja Knapp diese Skulptur getauft. «Um mit der Natur zu konkurrieren, müssen die Werke gross sein.»

Kurt Reichenbach

Warum sind ihre Werke so gross? «Wenn Sie etwas in die Natur stellen wollen, können Sie nicht mit einem Vögeli kommen, Sie müssen etwas haben, das sich mit der Natur messen, sich neben Bäumen durchsetzen kann.» Und warum Insekten? «Insekten sind wichtige Lebewesen, wir brauchen sie. Es gibt bereits 30 Prozent weniger Vögel, weil es immer weniger Insekten gibt.»

Aus Liebe engagiert sie sich für die Natur, ist getrieben von der Sorge, dass gerade vieles zerstört wird. «Wir Menschen sind Monster. Kunst kann nur machen, wer eine tiefere Motivation hat, Verantwortung übernehmen will.» Sie setzt sich ans Pult, wo sie jeden Morgen kurz nach acht mit der Arbeit anfängt und bis am Abend zeichnet, entwirft, modelliert.

<p>«Wir müssen die Insekten schützen, sie sind überlebenswichtig.» Knapp gestaltete dafür riesige Insekten.</p>

«Wir müssen die Insekten schützen, sie sind überlebenswichtig.» Knapp gestaltete dafür riesige Insekten.

Kurt Reichenbach

Ihr letztes grosses Werk sind zehn Bäume aus Inox, die sie auf Einladung für den Botanischen Garten Brera in Mailand anfertigte, die aber wegen administrativer Komplikationen noch nicht geliefert wurden. Und sowieso: «Ich brauche meine Skulpturen um mich herum, ich lebe mit ihnen, sie sind Ausdruck meines Willens und meiner schöpferischen Kraft.»

Schon liegen Zeichnungen für ganz neue Werke bereit: Vasen. «Mein Metallverarbeiter in Italien hat mir gesagt, mach doch mal Vasen. Als ich erfuhr, dass sogar der Chinese Ai Weiwei neuerdings Vasen gestaltet, sagte ich mir, da bin ich auf dem richtigen Weg.»

<p>«Archaïque», das Urwesen aus patinierter Bronze, scheint aus dem Beginn der Erdgeschichte zu stammen.</p>

«Archaïque», das Urwesen aus patinierter Bronze, scheint aus dem Beginn der Erdgeschichte zu stammen.

Kurt Reichenbach

Sonja Knapp war schon als 20-Jährige in der Zürcher «Kunsti» als Zeichnerin unschlagbar, war die erste Frau, die von Direktor Johannes Itten aufgenommen wurde. Sie ging nach Paris und machte sich schnell einen Namen. Das halbe Leben habe sie dort verbracht, trotzdem sei ihre Beziehung zur Heimatstadt Zürich eng geblieben. So ist geplant, auf dem Zürcher Münsterplatz die «Onda» auszustellen, eine dreiteilige Inox-Skulptur, durch die man schreiten kann und dabei mehrfach gespiegelt wird.

<p>Von morgens bis abends arbeitet die Künstlerin im Atelier in Landquart an ihrem Pult. Jetzt entwirft sie Vasen.</p>

Von morgens bis abends arbeitet die Künstlerin im Atelier in Landquart an ihrem Pult. Jetzt entwirft sie Vasen.

Kurt Reichenbach

Für die unermüdliche Schöpferin gilt, was der Japaner Hokusai mit 75 Jahren gesagt hat: «Mit 73 habe ich ungefähr die Struktur der wahren Natur erfasst, mit 90 werde ich in das Geheimnis der Dinge eindringen, und mit 100 wird bei mir durch einen Punkt, einen Strich endlich alles lebendig sein …» Sonja Knapp hat – vor allem weil sie ihr Alter nicht verraten will – noch viel Zeit bis zur Vollendung.

Von Peter Rothenbühler vor 6 Stunden