Mit einem schelmischen Lächeln guckt Max Hubacher (32) aus dem Cockpit des alten Flugzeugs, das auf einem Berner Spielplatz steht. Von unten flachst seine 65-jährige Mutter Christine: «Aber spöisch nid abe, gäu!» Hier liess er als Bub seine überschüssige Energie raus – ein Ort, der kaum erahnen lässt, dass aus dem wilden «Breitsch»-Buben einmal einer der bekanntesten Schweizer Schauspieler werden würde, seit «Der Verdingbub» (2011) ein Star und bis heute international gefragt.

Bei den gelegentlichen Unihockey-Matchs spielte Max Hubacher als Kind begeistert mit.
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Über 25 Jahre später stellt der Schauspieler die Szene nach.
Kurt Reichenbach«Als Kind war ich wahnsinnig aktiv, ich musste mich einfach auspowern», erinnert sich der Schauspieler. Fuss- ball im Verein, später Jugendklub im Schlachthaus Theater – und dazwischen Momente, in denen seine Energie über das Ziel hinausschoss. «Einmal bin ich aus der Kita abgehauen», erzählt er lachend. «Still sitzen in der Schule war für mich sowieso der Horror.»
Deshalb ermutigte Christine Hubacher ihren Sohn, einen Ausgleich zu finden. «Meiner Schwester und mir sagte sie immer: Probiert alles aus, mindestens einmal müsst ihr es richtig versuchen», so Max. Also wagt er sich ans Theaterspielen. «Das war so wichtig für mich. Plötzlich hatte ich einen Ort, an dem diese Energie etwas durfte.»
Privat bleibt privat
Aktuell ist Max Hubacher in «Love Roulette» zu sehen, wo er die männliche Hauptrolle Tom spielt. Der Film stammt von Drehbuchautorin Yvonne Eisenring (38) die selbst die Hauptfigur Charlie spielt – und mit den Gastauftritten ihrer «Zivadiliring»-Podcast-Kolleginnen Gülsha Adilji (40) und Maja Zivadinovic (46) das eingespielte Erfolgstrio auf die Leinwand holt.

«Hat Max im Film Sexszenen, muss ich nicht wegschauen»: Christine über intime Momente ihres Sohns mit Film-Schwiegertochter Yvonne Eisenring.
Love RouletteIn der romantischen Komödie fragen sich Tom und Charlie nach 15 Jahren Partnerschaft, ob eine offene Beziehung die Lösung wäre – oder der Anfang vom Ende. Max Hubacher spricht an diesem Nachmittag gern über Toms Liebeschaos – über sein eigenes Liebesleben schweigt er konsequent. Das Private trennt er von der Arbeit. Genau deshalb war es für ihn die «letzte Idee», die eigene Mutter mit vor die Kamera zu holen. «Die Schauspielwelt ist mein eigener Bereich, und den habe ich bisher strikt für mich behalten.»
Als die Produktion noch jemanden für die Mutterrolle suchte, fiel irgendwann Christines Name. Ein Glücksfall! Die langjährige Radio-SRF-Redaktorin und Gesprächsleiterin hatte sich ohnehin vorgenommen, nach der Pensionierung Neues auszuprobieren.
«Max rief an und sagte: Die wollen, dass du meine Mutter spielst», erzählt Christine und lacht. «Ich so: ‹Was?› Und dann merkte ich, wie zurückhaltend Max reagierte. Da habe ich sofort gesagt: Nur, wenn es für dich stimmt. Ich finde es ja schon lustig, überhaupt gefragt zu werden.» Eine Woche später klingelt das Telefon erneut. Max hatte mit Freunden gesprochen, mit der Autorin Yvonne Eisenring geredet, die Rolle durchdacht. «Alle sagten: Wo ist das Problem? Probier es doch aus. Also habe ich mir gesagt: Es ist vielleicht an der Zeit, das Muster einmal zu durchbrechen. Und das bereue ich nicht, ich schwörs.»

«Chrige machte auch im Film einen guten Job»: Starschauspieler Max Hubacher in «Love Roulette» mit seiner Mutter Christine.
filmcoopiChristine, die am Radio lange live Gespräche moderierte, unterschätzt den Dreh zuerst. «Ich dachte: Ich habe so viel Live-Erfahrung, wie schlimm kann es sein? Dann habe ich gemerkt: Film ist komplett anders.» Statt eines Takes gebe es Dutzende, statt spontaner Fragen plötzlich fremde Texte. Max verrät seiner Mutter die wichtigsten Profi-Tipps, zum Beispiel: «Text so üben, dass er im Schlaf sitzt».
Und dann ist da noch die Sprache. «Im Radio musst du sehr deutlich reden, damit alle dich verstehen», sagt Max. «Im Film wirkt zu viel Deutlichkeit schnell gestellt.» Christine rollt die Augen und lacht: «Max hat die ganze Zeit gesagt: Du darfst nicht so deutlich reden! Und ich so: Ich kann nicht anders.»
Auf dem Set von «Love Roulette» erlebt sie dann zum ersten Mal, wie ihr Sohn arbeitet – und staunt über alles, was dazugehört: Menschen, die pudern, Schirme halten, Wasser reichen. Und über Max selbst. «Früher hat er die Familie gern mal gehetzt, weil er unbedingt loswollte. Jetzt wartet er ganz entspannt.» Manchmal spiele er sogar Schach, um die Zeit zu überbrücken. Für Christine ist das neu: Diesen ruhigen Max sieht sie sonst selten.

Als Knirps kletterte Max überall rauf.
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Heute ist er etwas ruhiger – und vertreibt sich am Set die Wartezeit gern mit einer Runde Schach.
Kurt ReichenbachAuch Max beobachtet «Chrige», wie er sie nennt, am Set genau. «Viele Leute sind beim ersten Dreh verständlicherweise überfordert», sagt er. «Aber sie war offen, hat sich mit allen verstanden. Das liegt wohl an ihrem unbesiegbaren Optimismus, den ich so an ihr schätze», erzählt er und lächelt stolz.
Hollywood-Zauber endet daheim
Zu Hause sorgt Christine Hubacher dafür, dass der Glamour nicht zu sehr in den Alltag überschwappt. Sie erzählt von Max’ erstem grossen Festival mit 18, als «Der Verdingbub» durch die Welt ging. «Er durfte viel reisen, wohnte in Luxussuiten, hatte jemanden, der für ihn zuständig war und alles erledigte.» Wieder daheim – damals noch fix in Bern, heute pendelt er zwischen seiner WG dort und seinem Zuhause in Berlin – ist der Hollywood-Zauber schnell zu Ende. «Ich habe gesagt: Max, kannst du bitte den Geschirrspüler ausräumen?», erinnert sie sich. «Man kann nicht aus Cannes zurückkommen und zu Hause Prinz spielen.» Max lacht: «Solche Momente sind extrem wichtig. Die halten dich auf dem Boden.»

Max Hubacher hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Schweizer Filmpreis. Aktuell ist er in «Love Roulette» zu sehen.
Kurt ReichenbachOb Christine Hubacher nun selbst als Schauspielerin durchstartet? «Ich habe keine Schauspielambitionen, aber einmal mit Max zusammen vor der Kamera stehen – das ist doch ein Geschenk.»
Für Max ist es mehr als ein Familiengag. Während im Film Charlie und Tom überlegen, ob sie ihre Beziehung öffnen sollen, halten Max und Christine an etwas ganz anderem fest: an einer Nähe, die auch dann bleibt, wenn die Kameras längst ausgeschaltet sind.