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Einsatz im Kriegsgebiet

Minen räumen mit FDP-Präsident Thierry Burkart in der Ukraine

Visite auf unsicherem Terrain! Als Vizepräsident der Schweizer Minen­räumungs­organisation FSD reist Thierry Burkart in die Ukraine. Was der Besuch bei den Minenräumern nahe der Front beim FDP-Präsidenten auslöst.

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FDP-Chef Thierry ­Burkart im hellblauen Splitterschutz. Er ­besucht ein Feld im ­Osten der Ukraine, auf dem die Schweizer Organisation FSD Minen räumt.

FDP-Chef Thierry Burkart im hellblauen Splitterschutz. Er besucht ein Feld im Osten der Ukraine, auf dem die Schweizer Organisation FSD Minen räumt.

PASCAL MORA

Der starke Wind fegt die Regentropfen quer über das Feld. Es ist kühl an diesem Vormittag im Mai in der Ukraine. Der Boden gibt bei jedem Schritt nach, er ist aufgeweicht und schlammig. Bei diesem Wetter werden eigentlich keine Minen geräumt. Sobald es regnet, wird die Arbeit unterbrochen. Dennoch hält Thierry Burkart (49) im hellblauen Splitterschutz, einen «Minelab F3» in der Hand. Dies ist ein Detektor, der Minen mit voller Empfindlichkeit aufspüren kann, unabhängig vom Mineralisierungsgehalt des Bodens. Die Handhabung erklärt ein Instruktor dem FDP-Präsidenten wegen des Regens als Trockenübung.

Ein Instruktor erklärt Thierry Burkart, wie der «Minelab F3» funktioniert. Mit diesem Gerät können Metall und Minen unter der Erde aufgespürt werden.

Ein Instruktor erklärt Thierry Burkart, wie der «Minelab F3» funktioniert. Mit diesem Gerät können Metall und Minen unter der Erde aufgespürt werden.

PASCAL MORA

Burkart ist seit zwei Jahren Stiftungsrat der FSD. Die Fondation suisse de déminage hat ihren Sitz in Genf und betreibt humanitäre Minenräumung. In seiner Funktion als Vizepräsident des Stiftungsrats reiste Burkart im vergangenen Jahr bereits in den Irak. «So bin ich einfach», wird Thierry Burkart wenige Stunden später zwischen zwei Bissen von seinem Sandwich sagen. «Wenn ich mich für etwas engagiere, will ich mir immer einen persönlichen Eindruck vor Ort verschaffen.» Deswegen habe er auch die Lastwagenprüfung gemacht, sobald er Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands geworden ist. «Nicht weil ich musste, sondern weil ich wollte. Ich habe auch einen Tag bei der Müllabfuhr mitgeholfen. Freiwillig.»

Das Feld liegt nahe der Ortschaft Pryschyb, knappe zwei Stunden Autofahrt ausserhalb von Charkiw. Die Stadt im Osten der Ukraine ist die zweitgrösste des Landes und gilt nach Kiew als bedeutendstes Wissenschafts- und Bildungszentrum. Seit 2022 kam es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen in der Region. «Die Gegend war schon im Zweiten Weltkrieg ein Schlachtfeld», sagt Burkart.

Thierry Burkart

In Kiew gibt es immer wieder Luftalarme, die die Bevölkerung auffordern, sich in Sicherheit zu bringen. Auch Burkart muss mehrmals in die Tiefgarage des Hotels.

PASCAL MORA

Sorge wegen Reise in die Ukraine

Es war ein Flyer, den FSD-Gründer Hansjörg Eberle an alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier verschickte, der Burkart auf die FSD aufmerksam machte. Als Sicherheitspolitiker habe ihn diese Thematik sofort interessiert. «Minen gehören zu den grössten Geisseln der Menschheit. Jede einzelne Mine weniger kann ein Leben retten.» Die FSD ist die einzige Schweizer Organisation, die aktiv Minen sucht und unschädlich macht. Das unterstütze er gerne, so gut es gehe. «Die Schweiz hat wegen ihrer Neutralität im Bereich der humanitären Minenräumung eine Opportunität, die sie noch vermehrt nutzen sollte. Wir können Gelder einsetzen, die nicht irgendwo versickern, sondern die Welt sicherer machen. Zudem ist es gut für die Positionierung der Schweiz in der Welt.»

Dass ihn seine Tätigkeit als Stiftungsrats-Vizepräsident auch in ein Kriegsgebiet führen würde, hatte der Politiker nicht erwartet. «Bedenken, in die Ukraine zu reisen, hatte ich keine», sagt Burkart, der zurzeit nicht in einer Beziehung ist. «Ich bin kein ängstlicher Mensch.» Aber längst nicht alle in seinem Bekanntenkreis hatten Freude an seinem Vorhaben. «Auch meine Mutter hat mich wiederholt gefragt, ob ich die Reise bereits hinter mir hätte.» Im vergangenen Juli wurde das Büro des FSD in Charkiw von einer russischen Rakete getroffen und beinahe vollständig zerstört. «Wir müssen davon ausgehen, dass es ein gezielter Angriff auf die FSD war.» Dass niemand zu Schaden kam, lag nur daran, dass der Raketeneinschlag um fünf Uhr am Morgen geschah, als keine Mitarbeitenden im Büro waren.

Hansjörg Eberle kontaktiert Parlamentarier wie Thierry Burkart, um sie für die FSD zu gewinnen.

Hansjörg Eberle kontaktiert Parlamentarier wie Thierry Burkart, um sie für die FSD zu gewinnen.

PASCAL MORA

Notwendig für den Wiederaufbau

Die FSD sei seit 2015 in der Ukraine tätig, sagt Eberle, der Burkart auf der Reise begleitet. «Mit mehr Geld könnte die FSD viel mehr Menschen vor Minen schützen.» Die Arbeit sei immens wichtig für den Wiederaufbau eines Landes. «Bei der humanitären Minenräumung geht es auch darum, dass die Menschen wieder in ihre Dörfer zurückgehen können, auf ihre Felder, um Landwirtschaft zu betreiben, ohne ständig Angst zu haben, dass sie verletzt oder getötet werden.» Eine grosse Aufgabe in einem Land wie der Ukraine, in dem schätzungsweise ein Viertel des Landes von Minen und Blindgängern kontaminiert ist. Die FSD ist derzeit in sieben Ländern im Einsatz. «Ich wünschte, wir könnten noch mehr machen. Ich wäre morgen in Gaza, wenn ich könnte», sagt Eberle.

Neun von zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FSD werden vor Ort rekrutiert und ausgebildet. So auch Mezev Dmitro, 47, der aus Charkiw stammt. Seinen Job als Verkäufer hat er nach Kriegsbeginn verloren. «Als Minenräumer auf den Feldern ausserhalb Charkiws zu arbeiten, ist sicherer, als in der Stadt zu leben.»

Der zweite Stopp auf dem «Field Trip» bringt Burkart auf ein abgelegenes Anwesen in einem grossen Waldstück. Acht Hunde sitzen regungslos neben ihren Hundeführerinnen, als die Wagen der Delegation vorfahren. Die Minenspürhunde – Malinois und deutsche Schäferhunde – befinden sich derzeit in Ausbildung. Burkart fotografiert die Szenerie, schaut den Hunden beim Training zu. Die Tiere können explosive Dämpfe aufspüren, die von Minen und Blindgängern ausgehen. Wenn sie einen verdächtigen Geruch wahrnehmen, setzen sie sich etwa einen Meter von dem Gegenstand entfernt hin und zeigen mit der Nase darauf.

Der Majdan Nesaleschnosti in Kiew ist der Platz der Unabhängigkeit. Jede Flagge symbo­lisiert einen im Krieg getöteten Soldaten.

Der Majdan Nesaleschnosti in Kiew ist der Platz der Unabhängigkeit. Jede Flagge symbolisiert einen im Krieg getöteten Soldaten.

PASCAL MORA

«Ich wünsche dem Land baldigen Frieden»

Auf der Rückfahrt nach Charkiw passieren die Autos mehrere Checkpoints des Militärs. Die Strassen sind gesäumt mit Schildern, die Ukrainer dazu auffordern, sich für den Militärdienst zu melden. Burkart ist «sehr betroffen» von der Stimmung. «Es fühlt sich schon speziell an, dass ich mein Handy auf Flugmodus stellen musste, damit die Schweizer SIM-Karte nicht von den russischen Streitkräften geortet werden konnte.»

Zurück in Kiew kommt die Delegation an einem ausgebrannten Panzer vorbei. Eine Art Mahnmal für den Krieg. «Dies müsste ein ‹T-14 Armata› sein, eine der modernsten russischen Panzerwaffen», sagt Burkart. Er interessiere sich für solche Sachen, die beiden Weltkriege und den Kalten Krieg finde er enorm spannend. «Das ist eine wichtige Grundlage für weitere Entwicklungen in der europäischen und der schweizerischen Politik, die man als Bundesparlamentarier verstehen muss.»

Im hippen Kiewer Quartier Podil ein ganz anderes Bild: Junge Menschen drehen Tiktok-Videos auf den Strassen. Die Restaurants sind gut besucht. Burkart ist beeindruckt. «Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das Leben in einem Krieg ist. Aber nach drei Jahren brauchen die Menschen wohl eine gewisse Normalität.» Es ist eine neue Art von Alltag. Luftalarme gibt es beinahe täglich. Die Menschen werden dazu aufgefordert, sich in die Bunker zu begeben. Eine App zeigt auf, wo das nächste Versteck ist. Auch Burkart muss in Kiew mehrmals in die Tiefgarage des Hotels. «Ich wünsche dem Land einen baldigen, fairen Frieden, der von der Ukraine mitverhandelt werden kann.» Bis dahin hofft er, dass dank der FSD so viele Minen wie möglich unschädlich gemacht werden können.

Text: Manuela Enggist am 1. Juni 2025 - 18:00 Uhr