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Ueli Schmezer fängt mit 60 neu an

«Mister Kassensturz» wechselt die Bühne

37 Jahre sind genug! «Kassensturz»-Aushängeschild Ueli Schmezer verlässt das SRF kurz vor seiner Pensionierung. Wie der Berner als Coach nochmals durchstartet und was er mit seiner neuen Freiheit machen will.

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Ueli Schmezer, Schweizer Journalist, Moderator und Musiker. 5. Dezember 2021, Buchs SG

Mit 60 schlägt Ueli Schmezer ein neues Kapitel auf. «Ich will mich nochmals weiterentwickeln.»

Fabienne Bühler

Wer eine Audienz bei Ueli Schmezer zu Hause in Bern bekommen will, muss fast so hartnäckig sein wie «Mister Kassensturz» bei seinen Interviewgästen. «Als Journalist stehe ich zwar in der Öffentlichkeit – doch mein Privatleben war mir immer heilig», sagt Ueli Schmezer, 60, als ihn die Schweizer Illustrierte für ein Foto («und nicht mehr!») in seiner lichtdurchfluteten Wohnung im Berner Altenberg besucht.

Vor rund einem Jahr sind er und seine Frau Claudia, 57, vom Häuschen am Stadtrand in die Nähe des Bärengrabens gezogen. «Immer zur Miete», wie Schmezer betont. Mit der Medizinischen Praxisasisstentin, von der es kein öffentliches Bild gibt, obwohl er einmal sagte, von ihnen beiden sehe vor allem sie gut aus, ist Schmezer seit 41 Jahren zusammen.

Ueli Schmezer, Schweizer Journalist, Moderator und Musiker. 4. Dezember 2021, Bern

Schmezers Wohnzimmer in Bern. In der Bücherwand viel Schweizer Literatur: Hohler, Glauser – und Märchen von Hans Christian Andersen.

Fabienne Bühler

Fast so lange wie die Beziehung zu seiner Frau dauert die zu Schmezers Arbeitgeber SRF: 37 Jahre pendelt der Moderator von Bern ins Zürcher Leutschenbach, 25 Jahre steht er als Aushängeschild des Konsumentenmagazins «Kassensturz» vor der Kamera. «Ich hatte in all den Jahren nie den Koller, weil ich diese anwaltschaftliche Arbeit einfach gern mache.» Obwohl sich selten jemand freue, wenn «der Schmezer» anrufe. Dafür habe er noch Jahre nach dem Bericht über die schlechten Arbeitsbedingungen des SBB-Servierpersonals Gutscheine für einen Kafi im Zug erhalten. «Solche Gesten berühren mich.»

Für Schmezer ist die Arbeit aber nur ein Teil seines Lebens. «Vater zu sein, war mir immer das Wichtigste.» So habe er schon früh für einen Homeoffice-Tag gekämpft, um bei seinen «Gielen» zu sein. Heute arbeitet sein Ältester, David, 30, an der Doktorarbeit in Philosophie, Yannic, 27, steht vor dem Anwaltspatent, und Nico, 24, schliesst bald das Studium der Fine Arts an der Hochschule der Künste ab. «Die Familie ist wie ein Fels», sagt Schmezer.

Ueli Schmezer, links, und Isabelle Moncada, rechts, am 5. Januar 1999 anlaesslich der "Kassensturz"-Geburtstagssendung im Fernsehstudio Zuerich. Das Konsumentenmagazin von SF DRS feierte sein 25-jaehriges Bestehen mit einer Geburtstagssendung. (KEYSTONE/Michele Limina) : FILM]

«Kassensturz» anno 1999. Schmezer mit seiner Kollegin Isabelle Moncada.

Keystone

Tags darauf steht er wieder im Scheinwerferlicht. Allerdings nicht vor der Kamera, sondern auf der Bühne. Im sankt-gallischen Buchs interpretiert Ueli Schmezer als Sänger mit seiner Mani-Matter-Band vor rund 60 Leuten bei einem Dinner-Konzert Lieder des Berner Troubadours – mal jazzig, mal mit einem Schuss Latin.

«Ich mag Mani Matter, bin aber neugierig auf Schmezer», sagt ein Gast. «Ich fand ihn immer gut im ‹Kassensturz›, manchmal etwas verbissen.» Schmezer selber kennt diese Seite an sich. «Wenn ich bei einem Interview wahnsinnig konzentriert bin, bekomme ich manchmal diesen Gesichtsausdruck – drum hats auf meinem Notizzettel immer ein Smiley.»

Ueli Schmezer, Schweizer Journalist, Moderator und Musiker. 5. Dezember 2021, Buchs SG

Schmezer hat keine Gesangsausbildung. Als Jules landete er mit «I Want To» in den 80ern einen Disco-Hit.

Fabienne Bühler

Eine ganz andere – humorvolle – Seite zeigt Schmezer auf der Bühne. Etwa als er den Mani-Matter-Song «Si hei dr Wilhälm Täll ufgfüert» ankündigt. «In Bern laufen am Feierabend neuerdings Leute rum und rufen: Lieber Tee, lieber Tee! Also machten wir eine Gegendemo und forderten: Lieber Bier, lieber Bier. Erst später bemerkten wir: die wollen Liberté – Freiheit!» Lautes Lachen im Saal. «Ueli hat null Allüren und ist immer gut drauf», sagt Bassist und langjähriger Freund Michel Poffet, 65. Zudem habe er sich eine fast kindliche Begeisterungsfähigkeit bewahren können.

Dazu passt, dass Schmezer gern «geil» sagt, was auf Berndeutsch immer noch charmant klingt. Innerlich jung halte ihn seine zweite Band, mit der er durchs Land zieht und selbst komponierte Kinderlieder wie «Chindschöpf» spielt. Inspiriert haben ihn vor 20 Jahren seine eigenen Söhne, die er ebenfalls stets von der Öffentlichkeit abschirmte. «Manche Leute finden mich eine Nervensäge, und der Name Schmezer ist nun mal selten.» Im Restaurant sitze er seit vielen Jahren mit dem Gesicht zur Wand. «Im Gegensatz zu meiner Familie habe ich mich ans Bekannt- sein gewöhnt.»

Ueli Schmezer, Schweizer Journalist, Moderator und Musiker. 5. Dezember 2021, Buchs SG

«Ueli bringt alle zum Lachen.» Schmezer mit seiner Matter-Band: Nick Perrin, Michel Poffet und Andi Pupato (v. l.).

Fabienne Bühler

Fragt man Schmezer nach seinem Lieblingslied von Mani Matter, beginnt er mit rauer Stimme zu singen: «Nei säget, sölle mir vo nüt meh andrem tröime …» In diesem Song gehe es darum, sein Leben nicht zu vergeuden. Insofern passt es zum TV-Mann, dass er fünf Jahre vor der Pension seine Kündigung einreicht. «Selbst meine engsten Freunde waren überrascht.»

Dass seine Kandidatur für den Posten als SRF-Direktor 2018 keinen Erfolg hatte, habe nichts mit seinen Plänen zu tun, genauso wenig wie Spar- und Umbaumassnahmen beim Sender. «Es ist zudem nicht mein Stil, da nachzutreten.» Dennoch kann er sich vorstellen, künftig auch mal politisch Stellung zu nehmen. «Das neue Freiheitsgefühl macht mir Freude.»

Ueli Schmezer, Schweizer Journalist, Moderator und Musiker. 5. Dezember 2021, Buchs SG

Backstage. Die Musiker waren mit Polo Hofer, Gotthard oder den Gipsy Kings auf Tournee. «Das sind Vollprofis.»

Fabienne Bühler

Neben der Musik will er nun vor allem seine Erfahrung weitergeben, etwa in Kursen der Migros Klubschule, in denen er Tipps zur Auftrittskompentenz und gegen das Lampenfieber vermittelt – «das fägt unglaublich». Er selbst sei nur noch bei Auftritten vor Leuten, die er kenne, nervös. Da halte er sich dann aber seinen eigenen Ratschlag: «Den Moment geniessen!» Das nimmt er sich auch für seine letzte «Kassensturz»-Sendung am 21. Dezember vor. «Ich weiss, dass mein Team ein Abschiedsfilmli plant. Hoffentlich heule ich nicht.»

Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 18. Dezember 2021 - 13:03 Uhr