Es ist ein bisschen kühl da unten, in den Katakomben der Feuerwehr-Einsatzzentrale Schinznach AG. Allerdings kommt, wer sich hierhertraut, schnell ins Schwitzen. Der grosse quadratische Raum mit roten und blauen Matten am Boden ist das neue Reich von Elena Quirici (29) «Quirici 2020: House of Champions» steht auf dem Schild über dem Eingang. Die beste Karatesportlerin der Schweiz und die zweitbeste der Welt hat hier ihren eigenen Verein gegründet. Denn sie möchte nicht nur den Nachwuchs trainieren, sondern auch Talenten aus aller Welt eine professionelle Trainingsatmosphäre bieten. «Zudem habe ich so immer würdige Gegnerinnen und Gegner im Training», meint sie schmunzelnd. Ein erster Schritt in die Karriere nach der Karriere.
«Es hätte auch für Gold reichen können»
Elena Quirici
Dabei ist bei ihr das Feuer noch lange nicht aus. Ihr WM-Silber von Budapest ist historisch. Noch nie gab es das in der Kampfsportart für eine Schweizer Frau auf höchster Stufe. «Es hätte auch für Gold reichen können», erzählt sie, während sie auf einem Bürostuhl fläzt neben Lebens- und Geschäftspartner Raúl, der sie auch trainiert. Drei Sekunden vor Schluss steht es im WM-Finalkampf vier zu vier. Deshalb ist Quirici zuerst enttäuscht. Doch dann überwiegt der Stolz. «Nach über zehn Jahren wieder eine WM-Medaille zu gewinnen, über eine so lange Zeit konstant zu sein, das bedeutet mir viel.» Tatsächlich, in dieser Saison hat sie abgeräumt. Zu WM- Silber kommen EM-Gold, mehrere Weltcup-Siege und der Gesamtweltcup hinzu. Vom Karatesport zu leben, ist dennoch nicht einfach. 2021 in Tokio ist Karate olympisch. Einmalig. Für Quirici, die als Medaillenanwärterin auf die Matte geht, reicht es «nur» für Platz fünf. Bereits die Quali für die Spiele erkämpft sie sich mit starken Schmerzen im Fuss. Nach den Spielen kommt das Tief. «Ich hatte schon vieles erreicht, sah keine Perspektiven mehr», resümiert sie heute. Damals hängt sie den Kimono beinahe an den Nagel.
Ihr Partner, Raúl Cuerva Mora, schafft es, sie wieder zu motivieren. Er hat für Elena seine eigene Karriere als Karateathlet an den Nagel gehängt – um ihr zu helfen, ihre Ziele zu verwirklichen. «Ich bin die stärkste Elena, die ich als Karatesportlerin je war», weiss sie heute. Deshalb ist noch nicht Schluss. Auch wenn es für Quirici keine Olympischen Spiele mehr geben wird – weder Paris 2024 noch Los Angeles 2028 haben Karate im Programm.
Zusammen mit Raúl hat sie andere Pläne. Die Weltnummer 1 zu werden, vielleicht doch noch WM-Gold zu holen. Möglichst viele Kinder mit dem Karatevirus anzustecken, ihren Verein ganz gross zu machen. Und dann vielleicht auch zu heiraten und eine Familie zu gründen. «Doch dieser Familie möchten wir auch etwas bieten.» Und deshalb möchte sie den Kimono noch eine ganze Weile weitertragen.