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Slam-Poet Dominik Muheim

«Nachts höre ich die Löwen brüllen»

Er ist der Überflieger in der Schweizer Kabarett- und Poetry-Slam-Szene. Nun erhält Dominik Muheim den renommiertesten Kleinkunstpreis im deutschsprachigen Raum: den Salzburger Stier. Porträt eines bunten Vogels.

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Dominik Muheim

Der 31-jährige Dominik Muheim ist Preisträger des Salzburger Stiers.

Roger Hofstetter

Der Tag beginnt schlecht. Sehr schlecht. Es ist der 13. Juli 2023. Sommerferien. Dominik Muheim sitzt in Glückstadt fest, einer Kleinstadt im Norden Deutschlands. Sein Velo ist im Eimer, die Gangschaltung kaputt. Nichts rollt mehr. Dabei war der Urlaub bis jetzt perfekt. In Basel sind sie losgefahren, Dominik Muheim und seine Freundin, mit dem Velo bis nach Oslo. Dann, auf dem Weg zurück in die Schweiz, das Pech in Glückstadt. Plötzlich klingelt sein Handy. Und die Stadt wird ihrem Namen doch noch gerecht. Der 31-Jährige erfährt am Telefon, dass er im Mai 2024 den wichtigsten Kleinkunstpreis im deutschsprachigen Raum erhält – den Salzburger Stier. «Was für eine Überraschung! Ich konnte es nicht fassen. All diese unterschiedlichen Emotionen an einem Tag. Unglaublich! Zu guter Letzt konnte auch noch das Velo repariert werden», erzählt Dominik Muheim.

Irgendwie passt dieser aussergewöhnliche Tag zum Kabarettisten, ist er doch ein leidenschaftlicher Sammler von Geschichten aus dem Alltag. Immer mit dabei: sein rotes Büchlein. Da schreibt er alles rein. Situationen, die er erlebt. Dialoge, die er hört. Einige dieser Geschichten nimmt er mit auf die Bühne. Und erzählt sie verschmitzt mit einem Augenzwinkern und einer grossen Lust am Fabulieren. So erfolgreich, dass Muheim seit fünf Jahren von dieser Kunst leben kann.

Dominik Muheim

Der Kabarettist und fünffache Poetry-Slam-Schweizer-Meister lebt zusammen mit Freundin Martina in einer Dreizimmerwohnung direkt neben dem Zoo in Basel.

Roger Hofstetter
Punk und Poetry-Slam

Schon als Kind macht sich Dominik Muheim einen Sport daraus, Geschichten aus der Schule beim Nachtessen mit der Familie möglichst lustig zu erzählen. «Ist etwas passiert, egal ob positiv oder negativ, habe ich mich gefreut. Auf dem Heimweg habe ich geübt, wie ich das Erlebte rüberbringen kann, damit es einen möglichst krassen Spannungsbogen bekommt.»

Aufgewachsen in Reigoldswil BL, will er mit 16 Rockstar werden und gründet mit Freunden eine Punkband. «Wir dachten damals, wir werden die neuen Beatles. Wir waren naiv und grössenwahnsinnig», so Dominik lachend. Aus der Musikkarriere wird nichts. Er entscheidet sich für einen unprätentiöseren Beruf, wird Primarlehrer und entdeckt gleichzeitig seine Berufung – den Poetry-Slam. Schnell mausert sich der Humorist zum Publikumsliebling, gewinnt 2015 das Oltner Kabarett-Casting. Mit einem Preisgeld von 10 000 Franken bekommt er ein Jahr Zeit, ein Programm zu schreiben. Seitdem tourt Muheim zusammen mit seinem Bühnenpartner Sanjiv Channa durch die Kleintheater der Schweiz. Seinen Lehrerberuf hat der fünffache Poetry-Slam-Schweizer-Meister längst an den Nagel gehängt.

Dominik Muheim

Mit dem Programm «Useluege» ist Dominik Muheim (r.) zusammen mit Sanjiv Channa seit 2021 unterwegs.

HO

In seinem aktuellen Programm «Useluege» schaut er zu, wie andere scheitern. «Weil es angenehmer ist.» Der Basler schmunzelt. Im Stück flüchtet er aus der eigenen Problemzone hinaus auf den Balkon und entdeckt die grosse Welt des kleinen Innenhofs. Und sinniert zu Beginn:

«Useluege. Schön, oder? Man sieht manchmal auch Sachen, die man gar nicht sehen will. Aber man muss ja hinschauen, wenn man schon den ganzen Tag wegschaut. Und wenn man rausschaut, fühlt man sich manchmal ein bisschen machtlos. Da fühlt man sich manchmal ein bisschen perspektivlos wie ein Schneeball in einer Sauna. Sinnlos wie ein WC-Bürsteli in einem Toi-Toi-Häuschen und unwohl wie ein heimlich geimpfter Impfgegner.»

 

Dominik Muheim

An diesem Tisch aus dem Brockenhaus schreibt Dominik Muheim seine Geschichten. Immer mit dabei: ein paar Tassen Kaffee.

Roger Hofstetter
6000 Euro für «Soft Ice»

Die Texte schreibt Muheim in seiner Dreizimmerwohnung in Basel gleich neben dem Zoo. «Nachts höre ich die Löwen brüllen», sagt er. Tierisches findet sich auch bei ihm zu Hause – vom Kater Neo aus Fleisch und Blut bis zu Pingu-Figuren, Porzellankätzchen und Stoffschlangen. Überhaupt ist die Wohnung verspielt: Überall stehen kleine, lustige und poetische Dinge – alles Erinnerungen an ein 31-jähriges Leben. Die Möbel sind entweder aus Brockenhäusern oder von der Familie. Kein Stück ist neu. «Der Schreibtisch ist von Spuren aus der Vergangenheit gezeichnet. Ich liebe es, zu überlegen, wo dieser Tisch schon überall gestanden hat. Das inspiriert mich.»

Dominik Muheim

Der 31-jährige Dominik Muheim ist Preisträger des Salzburger Stiers.

Roger Hofstetter

Dominik Muheim ist ein treuer Mensch. Mit 17 hat er seine Freundin Martina an einer «Beach»-Party in einer Scheune im Fricktal kennengelernt. Seitdem sind sie ein Paar. «Wir staunen immer wieder, wie gut unsere Beziehung funktioniert», so Muheim. Das mit dem Heiraten sind sie sich noch am Überlegen. Auch auf die Kinderfrage haben sie noch keine definitive Antwort. «Wir können uns gut vorstellen, zu heiraten und Kinder zu haben – wir machen uns da aber keinen Druck. Die nächsten Jahre werden zeigen, in welche Richtung es geht.»

Momentan zählt für den Humoristen die Bühne. Die 6000 Euro Preisgeld für den Salzburger Stier investiert er in sein erstes Soloprogramm mit dem Arbeitstitel «Soft Ice». «Ich werde nächstes Jahr ein bis zwei Monate nichts machen – ausser schreiben.» Das Ziel: eine Geschichte erzählen, die 90 Minuten dauert. Natürlich hat er schon einen Einfall. Es geht um eine Hochzeit. Er schreibt für das Paar die Rede. Mehr will der Basler nicht verraten.

Ob aus dieser «süssen» Idee ein weiterer Leckerbissen von Dominik Muheim wird? Wir sehen es 2024.

Von Janine Urech am 7. Januar 2024 - 12:00 Uhr