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Von der Köchin zur UN-Militärbeobachterin

Nadja Schatzmann fordert: «Verlasst eure Komfortzone!»

Zwischen Krisengebiet und Kommando­posten: Majorin Nadja Schatzmann ist in Syrien für die Uno im Einsatz – und zeigt, wie Frauen in der Armee ihren Platz finden.

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Nadja Schatzmann verbringt ihre Ferien in der Schweiz – und spricht zum Internationalen Frauentag im Bundeshaus in Bern über ihre Erfahrungen in der Armee.

Nadja Schatzmann verbringt ihre Ferien in der Schweiz – und spricht zum Internationalen Frauentag im Bundeshaus in Bern über ihre Erfahrungen in der Armee.

Kurt Reichenbach

Auszeit vom Ausnahmezustand. In diesen Tagen ist Nadja Schatzmann (36) nicht im Einsatz für den Frieden, sondern auf den Pisten von Saas-Fee VS unterwegs. Zwei Wochen Heimaturlaub. «Hier habe ich mal zwei Winter gearbeitet, als Skilehrerin und im Bergrestaurant Alpenblick», erzählt sie. «In Saas-Fee kann ich gut abschalten.»

Die gebürtige Aargauerin ist eine von nur zwölf Berufsoffizierinnen der Schweiz. Seit einem Jahr ist sie im Einsatz in den Golanhöhen, an der Grenze zwischen Syrien und Israel. Für die Vereinten Nationen überwacht sie als Militärbeobachterin den Waffenstillstand in einer der heikelsten Regionen der Welt. «Manchmal ist es ein Drahtseilakt», sagt Schatzmann. «Wir stecken mitten in einer komplexen politischen Lage, müssen neutral bleiben, aber auch klar kommunizieren.»

Der Zufall als Wegweiser

Dass Nadja Schatzmann einmal beim Militär landen würde, war nicht geplant. Während ihrer Lehre als Köchin begleitet die damals 17-Jährige eine Freundin zu einer Infoveranstaltung der Armee. «Viele sagten mir, da passe ich doch gar nicht rein. Genau das hat mich angespornt.»

Sie absolvierte die Rekrutenschule, später die Offiziersschule. Mit 23 Jahren folgte ein Auslandseinsatz in Bosnien und Herzegowina. Sie war die erste Frau im Schweizer Beobachtungsteam in der Stadt Mostar – und Teamleaderin. «Ich war eigentlich nicht bereit dafür. Mein Englisch reichte nicht für die Berichte. Ich musste mich richtig reinhängen, um zu beweisen, dass ich es kann.»

2017 absolvierte sie die Militärakademie, wurde Berufsoffizierin, führte eine Stabskompanie in einem Logistikbataillon. Heute sagt sie: «Die Armee hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin: viel stärker, viel selbstbewusster.»

Ihre Tattoos erzählen ihre Geschichte. Auf dem Unterarm steht: «Vivere militare est.» Leben heisst kämpfen – für alles, was man erreichen will.

Ihre Tattoos erzählen ihre Geschichte. Auf dem Unterarm steht: «Vivere militare est.» Leben heisst kämpfen – für alles, was man erreichen will.

Kurt Reichenbach

Sieben Tage Dienst am Stück

An der sogenannten Alpha Line – so nennt man die Zone, welche die von Israel annektierten Golanhöhen von Syrien trennt – prallen jahrzehntealte Konflikte auf täglichen Krisenmodus. Verstösse gegen das Waffenstillstandsabkommen gehören zum Alltag. «Wenn in der demilitarisierten Zone Kampfpanzer oder Soldaten auftauchen, melden wir das nach New York», erklärt Schatzmann.

Von zehn Beobachtungsposten aus überwachen 1200 Männer und Frauen das Gebiet. Sieben Tage am Stück, rund um die Uhr. «Es gibt Orte, die wir von den Posten aus nicht sehen können. Deshalb fahren wir regelmässig Patrouillen.» Immer mit Kameraden und Kameradinnen aus verschiedenen Nationen. Das erste halbe Jahr war Schatzmann selbst draussen unterwegs. Jetzt koordiniert sie als Operationsoffizierin die Einsätze. «Geopolitisch ist der Konflikt extrem spannend. Darum hat mich diese Mission gereizt.» Angst hatte sie nie. «Aber meine Mutter hatte Mühe damit, dass ich nach Syrien gehe.»

Frauen in Uniform sind bis heute selten. Auch wenn sich vieles verändert hat. «Die jungen Rekruten ticken anders. Leistung zählt mehr als Geschlecht.» Und doch gibt es noch immer Situationen, die zeigen, dass Gleichstellung ein Prozess ist. «Ich habe mir eine harte Schale zugelegt.» Was hilft? Kameradschaft, klare Worte und Nulltoleranz gegenüber Grenzüberschreitungen. «Früher hiess es oft: ‹Das ist halt die Armee.› Heute heisst es: ‹Das geht nicht.›»

Den Abgang von Armeechef Thomas Süssli (58) bedauert sie. «Er war mein erster Brigadekommandant. Ein Chef, der sich für die Menschen interessiert. Ich hoffe, dass sein Nachfolger diesen Stil weiterführt.»

Kollege Graham Grant aus Neuseeland ist mit Nadja Schatzmann im Einsatz in Syrien – und nun auch in die Schweiz, um Ferien zu machen.

Kollege Graham Grant aus Neuseeland ist mit Nadja Schatzmann im Einsatz in Syrien – und nun auch in die Schweiz, um Ferien zu machen.

Kurt Reichenbach

Alarmstufe Alltag

Den Machtwechsel in Syrien hat sie im Dezember hautnah miterlebt. Sie hatte die Hauptverantwortung für eine Evakuierung. «Ich habe gemerkt, dass ich mich auf alles verlassen kann, was ich bei der Armee gelernt habe. Die Führungsprozesse, die Entscheidungswege – alles hat funktioniert.»

In den Golanhöhen lebt Schatzmann in einem Militärcamp aus Containern. «Es ist relativ gut ausgerüstet.» Mit Fitnessstudio und Schwimmbecken. «Man kann indisch essen, nepalesisch oder kasachisch. Es ist eigentlich recht toll.» Sie joggt jeden Tag 10 Kilometer.

Bald endet ihr Einsatz im Nahen Osten. Danach reist Schatzmann allein mit dem Camper durch Norwegen. Zurück in der Schweiz, übernimmt sie eine neue Aufgabe: Als Kursleiterin im Ausbildungszentrum Swissint bereitet sie andere auf Friedensmissionen vor und gibt ihre Erfahrungen weiter. Einen Einsatz im Ausland empfiehlt sie allen – egal ob Mann oder Frau: «Habt Mut, eure Komfortzone zu verlassen. Werdet die beste Version von euch selbst. Und seid die Veränderung, die ihr euch für die Welt wünscht.»

Silvana Degonda
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Von Silvana Degonda am 8. März 2025 - 12:00 Uhr