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TV-Liebling

Nathalie Christen bringt die Politik in die Stube

Vom Radio-Lehrling zum TV-Liebling: SRF-Bundeshauskorrespondentin Nathalie Christen bringt den Zuschauern die Politik näher. In ihrer Heimat Schaffhausen scherzt sie mit ihrem ersten Chef über ihren Perfektionismus und stösst mit der besten Freundin auf ihr erstes Buch an.

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Christen Nathalie, SRF Korrespondentin, Buchautorin, Buch "Politfrauen", Schaffhausen, SI 35/2021

«Endlich wieder Rhein-Luft schnuppern!» Nathalie Christen an der Schifflände in Schaffhausen.

David Biedert

Seriös, unaufgeregt, präzise – und doch immer mit etwas Schalk in den Augen. So kennen die Leute Bundeshauskorrespondentin Nathalie Christen, 50, wenn sie für ihre Analysen in die «Tagesschau» oder ins «10 vor 10» zugeschaltet wird. Als die Schweizer Illustrierte sie in Schaffhausen trifft, strahlt Christen allerdings übers ganze Gesicht. «Endlich wieder mal in der alten Heimat zu Besuch – da kommen viele schöne Erinnerungen hoch», sagt die Wahlbernerin während eines Spaziergangs durch die Altstadt. Etwa am Fronwagplatz. «Der Brunnen auf dem Froni war für uns als Teenager nach der Schule der Treffpunkt.»

Nur wenige 100 Meter weiter Richtung Rhein an der Vordergasse mit ihren schmucken Erkern steht das Rathaus. «Hier habe ich nach der Matura mit kaum 20 für Radio Munot meine erste Politberichterstattung gemacht.» Man habe die Jungen damals einfach ins kalte Wasser geworfen. «Da passierte natürlich der eine oder andere Bock – doch so lernte ich auch schnell.»

Christen Nathalie, SRF Korrespondentin, Buchautorin, Buch "Politfrauen", Schaffhausen, SI 35/2021

«Bei Radio Munot lernte ich das Einmaleins des Journalismus», sagt Christen. Mit ihrem ersten Chef Erwin Künzi hat sie heute noch Kontakt.

David Biedert
Fast zu perfektionistisch

Bei ihrem ersten Arbeitgeber wird Christen wie ein Star empfangen. Die junge Radiocrew will Fotos vor der Ahnengalerie und ein Interview. «Einige Top-Journalistinnen haben bei Radio Munot ihr Handwerk gelernt. Neben Christen etwa Daniela Lager – obwohl Roger Schawinski behauptet, er habe sie entdeckt», sagt Erwin Künzi, 71, augenzwinkernd.

Das Schaffhauser Urgestein und Christens erster Chef erinnert sich noch gut an ihre Anfänge: «Nathalie war eine unserer besten Lehrlinge: intelligent, gewissenhaft, ehrgeizig.» Dafür manchmal fast zu perfektionistisch. «Erwin brauchte viel Nerven mit mir», sagt Christen schmunzelnd. Sie habe immer etwas gefunden, das sie besser machen konnte –und stellte ihre Beiträge kurz vor der Sendung nochmals um. «Für Nathalie war der Journalismus stets eine Leidenschaft, nicht nur einfach ein Job», sagt Künzi.

Christen Nathalie, SRF Korrespondentin, Buchautorin, Buch "Politfrauen", Schaffhausen, SI 35/2021

«Meinen Dialekt habe ich behalten», sagt Christen auf dem Schaffhauser Fronwagplatz. «Meine Töchter bernern aber.»

David Biedert
Grossmutter kämpfte für das Frauenstimmrecht

Heute zählt Christen zu den erfahrensten Politjournalistinnen im Land: Sie schrieb für die Schweizer Illustrierte und «SonntagsBlick», leitete die Bundeshausredaktion von Radio SRF, war stellvertretende Chefin der Politsendung «Arena», die sie zuweilen auch moderierte. «Eine der kompetentes- ten Bundeshausjournalistinnen», lobt Mitte-Chef Gerhard Pfister, 58. «Christen ist durchsetzungsstark und gleichzeitig einfühlsam», so die ehemalige Grünen-Präsidentin Regula Rytz, 59. Jüngst kürte sie der «Schweizer Journalist» zur Politjournalistin des Jahres.

Erste Einblicke in den Beruf hatte Christen bereits als Kind – durch ihren Grossvater. Er schrieb über Politik für die Zeitung «Rheintaler». «Ich erinnere mich gut, wie er im Büro sass: Die Luft von Brissago-Zigarren rauchgeschwängert, auf dem Telexgerät liefen die Nachrichten rein.» Politisch geprägt habe sie aber ihre Grossmutter. «Sie kämpfte für das Frauenstimmrecht – während der Grossvater ursprünglich dagegen war, wie man sich in der Familie erzählt.»

Gleichberechtigung ist für Christen, die mit zwei jüngeren Geschwistern in einem Elternhaus mit traditioneller Rollenaufteilung aufwuchs, ein Herzensthema. Regelmässig erstellt sie für das Online-Lexikon Wikipedia Einträge über wichtige Frauen neu, damit diese sichtbarer werden. Nun hat sie zusammen mit einer Westschweizer und einer Tessiner Kollegin ein Buch geschrieben. Darin porträtieren sie 21 Politikerinnen aller Parteien – von der Gemeindepräsidentin bis zur Bundesrätin. «Unser Ziel mit dem Buch ist es, Frauen Mut zu machen, in die Politik einzusteigen.» Sie selber habe oft erlebt, wie schwierig es etwa war, Frauen für die «Arena» zu gewinnen. «Männer sagten zum Teil sogar zu, ohne das Thema genau zu kennen – und Frauen zierten sich, obwohl sie sattelfest waren.» Darum sei eine der wichtigsten Botschaften des Buches: «Frauen: Probiert es einfach!»

Christen Nathalie, SRF Korrespondentin, Buchautorin, Buch "Politfrauen", Schaffhausen, SI 35/2021

Beste Freundinnen seit der Primarschule und Gotten der jeweiligen Töchter. Christen und Daniela Klingler.

David Biedert
Schlaflose Nacht vor Präsidentenrunde

Im Restaurant Güterhof am Rheinufer stösst Christen mit ihrer besten Freundin Daniela Klingler, 51, auf das fertige Werk an. Die beiden kennen sich seit der dritten Primarschule, als Christen mitten im Schuljahr mit ihren Eltern von Feldmeilen ZH nach Neuhausen SH umzog. «Das war hart für mich, aber zum Glück fand ich in Daniela eine Freundin.» Obwohl Christen danach in die Kanti ging und Klingler eine kaufmännische Lehre absolvierte, hielt die Freundschaft, später wohnten sie zusammen in einer WG in Schaffhausen, heute sind sie gegenseitig Gotten ihrer Töchter. «Daniela erdet mich», sagt Christen.

Etwa vor aussergewöhnlichen Sendungen. «Bei Liveschaltungen bin ich selten nervös, brauche auch keinen Teleprompter. Doch vor der Moderation der Präsidentenrunde bei den eidgenössischen Wahlen 2019 hatte ich eine schlaflose Nacht.» Dann sei es Daniela, die ihr am Telefon sagt: «Das ist dein Job, du wolltest das so!» Die Treuhänderin hat Christens Porträts über die Politfrauen gegengelesen. «Anfangs rümpfte ich die Nase: ein Buch über Politikerinnen? Ist das nicht langweilig?», sagt Klingler. Doch die persönlichen Lebensgeschichten mit Fragen, die jede Frau beschäftigen – wie Job und Familie unter einen Hut bringen –, hätten sie überzeugt.

«Meine Tochter bespricht mit mir die Abstimmungsvorlagen und stellt mir auch sonst Fragen zum Thema.»

Christen lebt mit ihrem Mann, Historiker Kaspar Gubler («wir lernten uns bei Radio Munot kennen») in Münsingen BE. Sie arbeitet 70 Prozent, er 60, die Betreuung ihrer beiden Töchter Viktoria, 15, und Marion,13, teilen die beiden. «Ich wollte immer weiterarbeiten, er ein präsenter Vater sein – so geht es perfekt auf.» Ihre Älteste interessiere sich ebenfalls für Politik: «Sie bespricht mit mir die Abstimmungsvorlagen und stellt mir auch sonst Fragen zum Thema.» Das könne durchaus herausfordernd sein. «Als sie etwa wissen wollte, wie man eine Partei gründet, war ich im ersten Moment überfragt», erzählt Christen schmunzelnd.

Selber in die Politik einzusteigen, ist für sie kein Thema. «Ich wüsste gar nicht, bei welcher Partei – ich kenne sie ja alle und sehe bei jeder einen Haken.» Lieber teile sie ihre Einblicke mit den Leuten am TV. Zudem freue sie sich nach zwei Jahren intensiver Arbeit am Buch nun auf etwas mehr Freizeit. «Unser Garten bräuchte wieder mal Pflege.» Und eine Rückkehr zum Radio? Da kommt wieder der Schalk zum Vorschein: «Ich weiss gar nicht, ob die mich bei Radio Munot noch wollen.»

Hinter den Kulissen

Christen Nathalie, SRF Korrespondentin, Buchautorin, Buch "Politfrauen", SI 35/2021

«Politfrauen» zeigt das Leben von 21 Frauen mit privaten Einblicken. Nathalie Christen ist eine der Autorinnen. Im SI-Buchshop und im Handel.

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Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 5. September 2021 - 13:08 Uhr