Der rote Teppich ist ausgerollt. An Bord wird noch geschweisst, gehämmert und geputzt. Kaum zu glauben, dass in 15 Minuten die ersten Gäste in der Werft in Werkendam/NL eintreffen. Karim und Nazly Twerenbold atmen auf: Ihr jüngstes Grandhotel auf dem Fluss ist bereit für die Jungfernfahrt in den Heimathafen Basel.
Was für ein Wettlauf mit der Zeit! «Bei uns ist jedes Schiff aufwendig. Aber so knapp wie jetzt wars noch nie», sagt Karim Twerenbold lachend. Der Stress ist dem 39-Jährigen nicht anzumerken. Die ruhige Art ist typisch für den Chef von 700 Mitarbeitern, 80 Reisebussen und 10 Flusslinern. Sein Urgrossvater gründete 1895 mit einer Kutsche und sechs Pferden eine Fuhrhalterei in Ennetbaden AG. Nach dem Tod des Vaters 2015 übernahm Karim die Firma. Er ist nachhaltig und visionär unterwegs. 2025 feiert die Twerenbold-Gruppe ihr 130-Jahr-Jubiläum.
Voller zündender Ideen: Von Firmenmitinhaberin und Designtalent Nazly Twerenbold stammt der gesamte Innenausbau.
Fabienne BühlerLetzter Schliff fürs Schiff
Immer an seiner Seite: Mama Nazly. Von ihr stammt das Interior-Konzept. Ob Kabinen, Lounge oder Restaurants: Die Designerin mit ägyptischen Wurzeln setzt auf zarte Pastelltöne. «Ein Architektenwechsel und weitere Probleme führten zu Verzögerungen. Noch vor wenigen Tagen hätte ich nicht gedacht, dass sich die 170 Teilnehmenden in nagelneue Kopfkissen kuscheln.» Auffallend: die hydrodynamische Architektur des Schiffs. Werfteigner Chris Kornet ist überglücklich, dass er die «Excellence Crown» pünktlich übergeben kann nach zwei Jahren Bauzeit. Die Stahlkonstruktion ist in Serbien gefertigt, Montage und Innenausbau erfolgten in der Werft bei Werkendam.
1000 Pläne, 200 Arbeiter, 24 Monate Bauzeit: Chris Kornet, Inhaber der Concordia-Damen-Werft (l.) übergibt das Hybrid-Schiff an Auftraggeber Karim Twerenbold.
Fabienne BühlerPunkt 19 Uhr heisst es für die zwei Matrosinnen und den ersten Kapitän Arjan Leunis: Leinen los! 800 Kilometer (430 nautische Meilen) liegen vor ihm. In zehn Tagen wird der Flussliner, der unter Schweizer Flagge fährt, in Basel getauft. Sieben Monate begleitete der Kapitän den Bau, machte sich mit der Technologie vertraut. «Im Vergleich zum Dieselmotor ist ein Hybridsystem erheblich komplexer. Es erfordert ein hohes elektrotechnisches Verständnis», so der erfahrene Seemann.
Start von der Bauwerft: Die «Crown» ist das aktuell ökologischste Flussschiff Europas, hat bereits Goldlabel-Status.
Fabienne BühlerWarum beim Verlassen des engen Hafenbeckens trotzdem eine Scheibe zu Bruch ging, erzählt er später beim öffentlichen Bord-Talk. Bekanntlich bringen Scherben ja Glück: Bereits am zweiten Tag wurde die 135 Meter lange und 11,45 Meter breite «Crown» mit dem Green Award Gold ausgezeichnet! Die höchste Ehrung in Sachen Nachhaltigkeit, die es für Flussschiffe auf Europas Wasserstrassen gibt.
Vorbei am Loreley-Felsen
Während die Gäste im Luxus schwimmen, lernt sich die 49-köpfige Besatzung besser kennen. Schon jetzt ist klar: Hier ist eine Truppe am Start, die auf allen drei Decks mit Professionalität und Herzlichkeit punktet. In der ultramodernen Küche herrscht Hochbetrieb. Über eine Treppe balanciert das Serviceteam die Vorspeisen ins Restaurant. Eine Meisterleistung! Derweil bereitet Küchenchef Sigit Wahyu Santosa den Hauptgang vor. Auch Marc Diefenbach im Zweitrestaurant Rive ist auf Kurs. Sein «Mare e Monti»-Gang (Simmentaler Kalbssteak, Riesencrevette mit Paprika-Hollandaise, Salatherz, Kräuterpolenta) zieht immer neue Wiederholungstäter an.
Noch nie zusammengearbeitet und schon ein cooles Team! Was Executive Chef Sigit Wahyu Santosa (r.) mit Kulinarikdirektor Marc Diefenbach in der geräumigen Küche zaubern, hat Klasse.
Fabienne BühlerRotterdam, Amsterdam, Köln, Koblenz, der Loreley-Felsen, Karlsruhe: Jeder Tag bietet neue Überraschungen. «Einen wunderschönen guten Morgen», schallts aus dem Lautsprecher. Die sympathische Stimme gehört Kreuzfahrtleiter Sammy El-Gindi. Entspannt wie Buddha steht er am Desk, verteilt die Gäste auf die Twerenbold-Ausflugsbusse. Hotelmanagerin Susan Ulbrich punktet mit ihrem sonnigen Gemüt. Die Berlinerin packt abends beim Service kräftig mit an – «für mich ist Teamarbeit Ehrensache».
Nazly Twerenbolds 85 Kabinen in Rosé und Grün sorgen für Staunen. Sie liebt Pastelltöne, hat alle Schiffe ausgestattet.
Fabienne BühlerDie Passagiere lassen sich die Reise mit der «Excellence Crown» einiges kosten (ab CHF 2900.–, je nach Kabine). Die Werftfahrt ist ein Highlight, das man so schnell nicht vergisst. Dank einer engagierten Crew – und immer genug Wasser unterm Kiel. Nautikfans, aufgepasst: Der Tiefgang der «Excellence Crown» beträgt nur 1,35 Meter!
Fakten
49 Crewmitglieder aus 14 Nationen kümmern sich um 170 Passagiere. Die nautische Crew ist 4 Wochen unterwegs, hat dann 4 Wochen Ferien.
135 Meter lang ist der 10. Flussliner der Aargauer Reederei-Dynastie. Karim Twerenbold führt das Unternehmen in der 4. Generation. Tochter Leyla ist 4 Jahre alt.
84 Solarpanels verwandeln Licht in elektrische Energie, Nachhaltigkeit ist Trumpf. Im Hafen kommt der emissionsfreie Elektromotor zum Einsatz.