Niklas Hartweg hat den Durchbruch an die Biathlon-Weltspitze geschafft

Niklas Hartweg sitzt auf dem Tresen in der Küche seiner Eltern und beschreibt ihnen ausführlich seine neue Siebträger-Kaffeemaschine, die er in seiner eigenen Wohnung hat. Wie bei vielen anderen Ausdauerathleten ist das Getränk für ihn eher Hobby als bloss Koffeinlieferant. Ohnehin gilt für den 23-Jährigen: Fasziniert ihn etwas, will er alles darüber wissen. «Ich habe mir schon immer gern selber Neues beigebracht.»

Hartweg hat viele Talente und Interessen. Beim grössten von diesen ist er mittlerweile Weltspitze: Dreimal skatet und schiesst sich Niklas vergangenen Winter aufs Biathlon-Weltcuppodest, einmal davon mit Amy Baserga (22) der anderen grossen Zukunftshoffnung. Die Traumsaison runden sie mit EM-Silber in der Single-Mixed-Staffel ab.

Eine Familie voller Tatendrang und Energie

Nun sitzt Niklas also mit seinen Eltern Carola (48) und Michael (50) in der Küche ihres Hauses in Wollerau SZ. Es ist eine begeisterungsfähige Familie voller Tatendrang und Energie. Kaum überraschend, dass die Eltern sich damals an der Uni beim Triathlontraining kennengelernt haben. Und dass Vater Michael noch heute Ironman-Rennen bestreitet und Sohn Niklas sein grösster Fan ist – alle haben sich immer viel bewegt. Mit ebenso viel Elan setzen sich Carola und Michael für ihre Leidenschaft Biathlon ein, die in ihrer früheren Heimat Deutschland sehr populär ist.

Seit 2007 lebt die Familie in der Schweiz – und hat hier grossen Anteil am Aufschwung des Biathlons. 2025 findet sogar die WM im Bündnerland statt. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag unterstützte die Familie den Aufbau der Biathlon Arena in Lenzerheide GR. Niklas lebt heute mehrheitlich im Bündner Dorf. Aber auch mit Know-how sind die Hartwegs nach wie vor dabei: Michael im Verwaltungsrat der Arena, Carola als Leiterin des Nachwuchsstützpunkts. Zudem haben sie die Stiftung Mission Biathlon zur Förderung der Sportart ins Leben gerufen. «So kann man etwas Schönes bewirken», sagt Michael Hartweg, der sein Geld mit einer Firma in der Finanzdienstleistungsbranche verdient hat. Niklas ist stolz auf das Engagement seiner Eltern: «Ohne sie wäre der Biathlon nie dort, wo er jetzt ist.»

Als kleiner Knopf ist Niklas bereits ein Bewegungstalent und sehr polysportiv unterwegs. Mit seiner älteren Schwester Julia (25) ist er im Triathlonklub, fährt Ski, schwimmt und macht Biathlon. Doch seinem Körper liegt die Hitze nicht so recht, «und Biathlon erfüllte mich» – so fällt die Entscheidung. Nur Nachzüglerin Leonie (14) will vom Ausdauersport nichts wissen: Sie setzt vor allem aufs Reiten. «Ist sie mit am Tisch, reden wir weniger über Biathlon, das ist die Abmachung», schmunzelt Mutter Carola.

Ein Rap für die künftigen Grosskinder

Niklas besucht in Engelberg das Sportgymnasium, wird 2019 Weltmeister in der Jugend-Kategorie. Nach der Matura will er es als Profi versuchen – doch dann bremst ihn eine Lungenentzündung aus. Drei Monate lang darf er höchstens spazieren gehen. Auf der Suche nach einer Beschäftigung liest er viel über Musiktheorie, beginnt, am Laptop Beats zu produzieren. Er bringt sich das mit Videos und Lektüre selbst bei. Da seine Biathlonkollegen ebenfalls Freude daran finden, nehmen sie ein erstes Lied auf. Aus Jux. «Wir dachten, wir zeigen es irgendwann mal unseren Enkeln», sagt der 1,81 Meter grosse Athlet. Mittlerweile hat er als Nik Perry aber bereits zwei Alben veröffentlicht, rappt und singt auf Deutsch, Schweizerdeutsch und Englisch. «Cool, dass die Lieder gut ankommen, aber am Ende des Tages ist mir das eigentlich egal», so Hartweg. «Für mich ist es immer noch das, was es am Anfang war: eine Beschäftigung neben dem Sport, je nach Lust.»

Den Sport dagegen nimmt er äusserst ernst, will jedes Training perfekt durchziehen. Zudem trinkt er während der Saison keinen Alkohol, kapselt sich im Corona-Winter vor den Olympischen Spielen 2022 konsequent ab, sieht in dieser Zeit nicht mal seine Freundin. «Mit der kleinsten Erkältung kann man in unserem Sport keine Leistung bringen», hält er fest. Abzuschalten und Dinge einzuordnen, gelingt ihm aber gut. «Ich kann ziemlich gelassen sein, wenn ich finde, etwas ist nicht wichtig genug, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.» Klappt mal etwas nicht, macht er es gern mit sich selber aus. «Ich weiss ganz genau, wie ich das abhake und wieder nach vorne blicken kann.»

Allzu häufig sind gemütliche Stunden im Elternhaus nicht mehr. Dazu ist Niklas zu oft unterwegs. Doch wenn, dann wird geplaudert – über Biathlon, anstehende Surfferien in Marokko, den nächsten Ironman. Oder einfach über die neue Kaffeemaschine.