Sie lachen, frotzeln, klopfen Sprüche. «Wollt ihr mir auf den Schoss sitzen?», scherzt «Odi», als der Fotograf das Trio bittet, näher zusammenzurücken. Die drei sind Weltmeister und die Stars des Schweizer Männer-Skiteams: Marco Odermatt (28) holte bei der WM im Februar in Saalbach (Ö) den Titel im Super-G, Franjo von Allmen (24) den in der Abfahrt und Loïc Meillard (28) den im Slalom. Von Allmen und Meillard krönten sich als Duo zudem zu den ersten Weltmeistern überhaupt in der Team-Kombination. Die Titel bleiben für immer: an der Trophäenwand, in den Köpfen – und vor allem in den Herzen. In der neuen Saison beginnt nun aber alles wieder bei null. Und als Saisonhöhepunkt warten im Februar die Olympischen Winterspiele Milano Cortina 2026.
Die Skistars freuen sich beim Wiedersehen, begrüssen sich mit Handschlag, tauschen sich über das Sommertraining aus. Sie trainieren in verschiedenen Gruppen und begegnen sich abseits der Rennsaison selten.

In vier von fünf Disziplinen sind die Schweizer Weltmeister: Slalom, Super-G und Abfahrt sowie in der Team-Kombi. Was für eine Bilanz!
Lukas MaederKampf um Olympiaplätze
So unterschiedlich die Trainingsgruppen sind, so unterschiedlich die drei Sportler. Odermatt, der Überflieger; Meillard, der Besonnene, der endlich zeigen konnte, was er draufhat; von Allmen, der junge Wilde. Doch eines haben sie gemeinsam: Bei Olympia werden sie die Gejagten sein!
Für Marco Odermatt ist es keine unbekannte Situation: «Das war für mich schon in den letzten drei, vier Jahren so. Damit kann ich gut umgehen.» Für ihn und Loïc Meillard stehen die dritten Spiele an, Franjo von Allmen wird, sollte er sich qualifizieren, zum ersten Mal Olympialuft schnuppern. Selbst als amtierende Weltmeister sind die drei nämlich nicht automatisch gesetzt: Eine Klassierung in den Top 7 oder zwei Ränge in den Top 15 sind nötig. Und intern lauert starke Konkurrenz im Kampf um die Olympia-Startplätze. Pro Disziplin sind das vier – allerdings sind es fünf Disziplinen, aber nur elf dürfen nach Bormio reisen.

Der Spitzenathlet aus Buochs NW ist der erfolgreichste Schwizer Skifahrer. Und Marco Odermatt hat noch nicht genug.
Lukas MaederVon Allmen wäre gern dabei, will sich aber nicht verrückt machen lassen. «Olympische Spiele sollen sehr speziell sein. Doch ich mache mir mein Bild lieber selbst. Natürlich ist die Teilnahme das Ziel jedes Sportlers.» Marco Odermatt will seinem jüngeren Kollegen nicht dreinreden. «Wenn jemand meine Tipps möchte, gebe ich sie gern. Aber ich muss sie nicht wild verteilen.»
Klar ist, dass es besondere Spiele werden. Odermatt und Meillard waren bereits in Pyeongchang 2018 und in Peking 2022. Im nahen Italien können nun auch Familie und Freunde dabei sein. «Auch Peking fand ich schön», erinnert sich «Odi». Mitten in der Coronapandemie war alles sehr ruhig. «Es hatte kaum Fans. Ich konnte die Emotionen nach meinem Riesenslalomsieg richtig aufsaugen. Es war fast mystisch.»

Der Neuenburger mit Wahlheimat Hérénmence VS hat in der letzten Saison sein ganzes Können abrufen können. Jetzt ist Loïc Meillard so richtig lanciert.
Lukas MaederKlassiker im Januar
Im Moment liegt der Fokus aber auf dem Saisonstart. «Erst einmal will ich an die letzte Saison anknüpfen, die Rennen gelassen angehen und Spass haben», gibt Franjo von Allmen preis. Ähnlich Loïc Meillard: «Die Spiele sind weit weg, es gibt noch so viele Rennen, bei denen wir schnell fahren müssen.»
Ganz oben auf der Liste stehen Wengen und Kitzbühel – bei Marco Odermatt und Loïc Meillard auch Adelboden. Franjo: «Jedes Rennen ist gleich wichtig. Wir müssen uns die Kräfte bis zum Schluss aufsparen.» Zentral sei die Erholung – direkt nach den Rennen, aber auch an den wenigen Tagen daheim. Sein Motto dafür: «Locker angehen, Energie sparen und gut essen.»
Die Planung des Überfliegers
Marco Odermatt kann sich vorstellen, im Weltcup Abstriche zu machen, falls er an Kräften verlieren würde. «Olympia ist das wichtigste Ziel dieser Saison. Das ist klar, wenn man alle Weltcupkugeln schon mehrmals gewonnen hat.» Die nächsten Spiele seien erst in vier Jahren – «das ist weit weg, ich weiss nicht, ob ich dann noch in Form bin».
«Am Ende ist es ein schmaler Grat», ergänzt Loïc Meillard. «Man muss lernen, seine Erfahrung zu nutzen, gut auf sich zu hören.» Die Rückenprobleme, die ihn bisweilen plagen, werden Teil seiner Karriere bleiben. «Es wird nicht mehr besser.» Das Sommertraining sei darauf ausgelegt, die Wintersaison physisch zu überstehen. «Ich habe noch genug Motivation.» Daneben sei es wichtig, auch einmal nichts zu machen. Bei der Familie zu sein, ein Saunabesuch, gut essen. «Ich geniesse es, auch mal eine Skitour zu machen und die Natur in mich aufzusaugen.»
Im letzten Skiwinter sorgten die Schweizer auch mit Teamspirit, guter Laune und verrückten Aktionen für Furore. Das wollen sie wieder aufleben lassen. Von Allmen war mit dem Speedteam drei Wochen in Südamerika. «Die Camps schweissen zusammen. Natürlich geht man sich auch mal auf die Nerven. Doch das darf man ansprechen, das ist ja das Schöne an der Freundschaft.»
Speziell sei, dass sie sich gegenseitig den Erfolg gönnen mögen. «Es macht Spass, wenn man einen schlechten Tag hat und sich für die anderen freuen kann. Und sie sich umgekehrt für mich freuen.» An Loïc Meillard und Marco Odermatt schätzt von Allmen ihre offene, bodenständige Art. «Ich kann auf ihre ehrliche Meinung zählen.» Was ihn an seinen Teamkollegen nervt? Von Allmen lacht: «Dass sie besser sind als ich.»

Der junge Wilde aus Boltigen BE im Simmental: Franjo von Allmen startete letzte Saison richtig durch und legte den Grundstein für eine grosse Karriere.
Lukas MaederFreunde und Konkurrenten
Odermatt und Meillard kennen sich seit vielen Jahren. «Wir sind grosse Konkurrenten geworden, haben viel Respekt voreinander», so Odermatt. «Aus seiner Sicht war das wohl nicht immer einfach.» Loïc und Franjo verfügten über ganz unterschiedliche Eigenschaften. «Ich bin kontrollierter als Franjo, aber wilder als Loïc. Wir alle schaffen es, mit unseren Stärken das Optimum herauszuholen.» Loïc Meillard hat von Allmen an der WM in Saalbach kennen und schätzen gelernt, als sie in der Team-Kombi zu Gold fuhren. «Ich wusste, er wird alles geben und ich kann mich auf ihn verlassen.»
Jetzt freuen sich die drei Weltmeister auf den Saisonbeginn. «Der Sommer ist immer lang, wenn wir allein im Kraftraum schwitzen», sagt Loïc Meillard. «Es ist schön, wenn wir wieder im Rennrhythmus sind.» Marco Odermatt plangt auf die ersten Rennen in Nordamerika.«Auf meinem Niveau gibt es nicht mehr grosse Veränderungen. Ich bin aber nicht weniger fit als vor einem Jahr.» Und Franjo von Allmen meint: «Der Herbst ist nicht so meins», und ergänzt: «Auf die tiefen Temperaturen freue ich mich nicht. Ich habe immer kalte Füsse.»