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Besuch bei der Schweizergarde im Vatikan

Papst Leo ist in besten Händen

Beerdigung von Papst Franziskus, Amts­einsetzung seines Nach­folgers Leo XIV.: Die 135 Männer der Päpstlichen Schweizergarde im ­Vatikan erleben hektische Tage. Ihr Motto «acriter et fideliter» – tapfer und treu. Besuch beim ältesten Gardekorps der Welt.

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In der Vatikanischen Audienzhalle grüsst Papst Leo XIV. einen ­seiner Leibwächter. Die Schweizergardisten sind bereit, für den Heiligen Vater ihr Leben zu opfern.

In der Vatikanischen Audienzhalle grüsst Papst Leo XIV. einen seiner Leibwächter. Die Schweizergardisten sind bereit, für den Heiligen Vater ihr Leben zu opfern.

Getty Images

Allmählich kehrt wieder ein bisschen Ruhe ein», sagt Nicola Damann. In Galauniform steht der 24-jährige St. Galler auf dem grossen Innenhof der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan, wischt sich den Schweiss von der Stirn – er kommt von seinem Wachdienst beim nahen Portone di Bronzo, dem Haupteingang zum Papstpalast. Der 135-köpfige Sicherheitsdienst des Heiligen Stuhls hat turbulente Tage hinter sich: Totenwache für Papst Franziskus, dessen Beerdigung, Konklave, unzählige Auftritte des neuen Papstes Leo XIV. (69) – immer sind Schweizergardisten in nächster Nähe.

«In unserem Dienst treffen wir den Heiligen Vater oft.» Hellebardier Nicola Damann im ­Theatersaal der Schweizergarde-­Kaserne im Vatikan.

«In unserem Dienst treffen wir den Heiligen Vater oft.» Hellebardier Nicola Damann im Theatersaal der Schweizergarde-Kaserne im Vatikan.

Fabienne Bühler

Das sonst schon volle Programm ist noch reicher befrachtet, Überstunden sind an der Tagesordnung. Stefan Wyer von der Schweizergarde: «Die Abläufe folgen einem strengen Protokoll.» Wie haben Kommandant Christoph Graf und seine Gardisten die Wahl des Papstes aufgenommen? Dazu gibt es keine Auskunft. Nur so viel: «Es sind hektische Zeiten im Vatikan. Die Garde ist voll und ganz mit ihren vielfältigen Aufgaben beschäftigt.»

In der Gästekantine der Kaserne: Für Jassen bleibt den Gardisten momentan wenig Zeit. Über ­ihnen prangt ein Gemälde mit Gardisten aus früherer Zeit.

In der Gästekantine der Kaserne: Für Jassen bleibt den Gardisten momentan wenig Zeit. Über ihnen prangt ein Gemälde mit Gardisten aus früherer Zeit.

Fabienne Bühler

Zwei Stöcke weiter oben – im Kasernentrakt, in dem die Hellebardiers ihre Unterkunft haben – bereitet sich Francesco Caratti auf seinen Dienst vor. Der Tessiner zieht seine aus 120 Teilen bestehende Galauniform an, schnallt sein Kurzschwert an den Gurt. Durchs Fenster schaut Francesco Caratti auf den Touristenstrom hinab, der sich von morgens früh bis abends der Kaserne entlang zum Petersdom wälzt. 40 Millionen Pilgerinnen und Pilger aus der ganzen Welt besuchen jährlich den Vatikan. Heuer, im heiligen Jahr, kommen noch 25 Millionen dazu. Francesco Caratti schmunzelt. «Das gibt viel zu tun.»

Francesco Caratti in ­seinem Bereich des ­Doppelschlafzimmers. Gleich ­darunter teilt er sich mit einem Kameraden nochmals zwölf Quadratmeter Wohnfläche.

Francesco Caratti in seinem Bereich des Doppelschlafzimmers. Gleich darunter teilt er sich mit einem Kameraden nochmals zwölf Quadratmeter Wohnfläche.

Fabienne Bühler

Er und seine Kameraden sind nicht nur für die Sicherheit des Papstes im Vatikan zuständig, sondern auch für seinen Schutz auf dessen Auslandsreisen. Im Vatikan sind Männer des militärisch organisierten Korps an zwölf Dienstposten präsent, sorgen vor und in der päpstlichen Residenz für Ruhe und Ordnung. Ebenfalls in den Aufgabenbereich der Schweizergardisten gehören die Zugangskontrollen zur Vatikanstadt, zu dem mit 0,44 Quadratkilometern kleinsten Staat der Welt. Und sie stehen Besuchenden für Auskünfte zur Verfügung.

Auch dieser Eingang (ganz links) zum Papstpalast ist rund um die Uhr von ­Gardisten bewacht. Auf dem Damasushof (vorne) finden die Vereidigungen statt.

Auch dieser Eingang (ganz links) zum Papstpalast ist rund um die Uhr von Gardisten bewacht. Auf dem Damasushof (vorne) finden die Vereidigungen statt.

Fabienne Bühler

Wenig Privatsphäre

Sein Zimmer teilt Francesco Caratti mit einem anderen Gardisten: Auf zwölf Quadratmetern steht jedem ein Pult und ein Schrank zur Verfügung, über eine Holztreppe gehts hinauf ins ebenso kleine Schlafzimmer. Im Flur gibts eine Etagendusche. Die ersten Monate als Gardist war der Tessiner mit zehn Kollegen in einem spartanisch eingerichteten Schlafsaal einquartiert, Aussenlicht kam durch ein Bullauge. Auf dem Stockwerk oberhalb seiner jetzigen Unterkunft befindet sich die enge Waschküche mit drei Waschmaschinen.

Jeder Gardist wäscht seine Sachen selber. Neben der Waschküche befindet sich der Trocknungsraum. Auch an ihm nagt der Zahn der Zeit.

Jeder Gardist wäscht seine Sachen selber. Neben der Waschküche befindet sich der Trocknungsraum. Auch an ihm nagt der Zahn der Zeit.

Fabienne Bühler

Grosse Teile der Kaserne sind 200 Jahre alt, entsprechend schlecht ist stellenweise die Bausubstanz. «Der Neubau ist dringend nötig», sagt Francesco Caratti. Dort, wo sich die für 110 Mann gebaute Kaserne befindet, kommt bis 2030 eine neue zu stehen, der Spatenstich für das 50-Millionen-Franken-Projekt findet nächstes Jahr statt. Der moderne Neubau wird auf mehr Stockwerken über 114 Einzelzimmer, elf Studios für Unteroffiziere und 26 Wohnungen für Familien verfügen.

Gardisten beim Krafttraining. Nebst dem Fitnessraum hat die Kaserne auch eine altertümliche Turnhalle.

Gardisten beim Krafttraining. Nebst dem Fitnessraum hat die Kaserne auch eine altertümliche Turnhalle.

Fabienne Bühler

Das freut auch Heinz Eggli. Als Leutnant steht der 45-jährige Zürcher dem zweiten Geschwader vor. Er ist einer der 25 verheirateten Familienväter unter den Gardisten – nur für vier ihrer Familien hat es in der heutigen Kaserne Platz. Mit Ehefrau Verena (45) und den Söhnen Damian (3) und Marius (6) ist Eggli in einer einfachen Wohnung im Vatikan zu Hause.

Leutnant Heinz ­Eggli lebt mit Frau Verena und Söhnen Damian (l.) und ­Marius ausserhalb der Kaserne. Hier erklärt er dem jüngeren sein Funkgerät. An der Wand hängt seine Offiziers-Galauniform.

Leutnant Heinz Eggli lebt mit Frau Verena und Söhnen Damian (l.) und Marius ausserhalb der Kaserne. Hier erklärt er dem jüngeren sein Funkgerät. An der Wand hängt seine Offiziers-Galauniform.

Fabienne Bühler

Künftig auch Frauen in der Garde?

«Wir Gardisten haben einen grossen Zusammenhalt untereinander, wir sind eine grosse Familie. In der neuen Kaserne leben dann endlich alle Gardisten unter einem Dach», sagt Heinz Eggli, während er Sohn Marius hilft, sich für die Schule parat zu machen. Auf dem Parkplatz hinter der Kaserne wartet ein kleiner Bus, er bringt die älteren Gardistenkinder nach Rom in die Schweizer Schule. Auf dem Weg zu seinem Dienstposten im Petersdom marschiert ein Gardist über den Platz, vor Leutnant Eggli salutiert er, in der Hand trägt er einen Aktenkoffer mit persönlichen Utensilien: ein Getränk, für Nachtschichten ein Buch.

Offizier Eggli schaut bei der Ehrenwache am Portone di Bronzo vorbei. Diese wird alle zwei Stunden abgelöst. Während des Konklaves war das Tor geschlossen, wurde beim «Habemus Papam» (Wir haben einen Papst) wieder geöffnet. Hinten gehts zur Sixtinischen Kapelle hoch.

Offizier Eggli schaut bei der Ehrenwache am Portone di Bronzo vorbei. Diese wird alle zwei Stunden abgelöst. Während des Konklaves war das Tor geschlossen, wurde beim «Habemus Papam» (Wir haben einen Papst) wieder geöffnet. Hinten gehts zur Sixtinischen Kapelle hoch.

Fabienne Bühler

Heinz Eggli nimmt Sohn Damian an die Hand, geht mit ihm in die Kirche Santi Martino e Sebastiano degli Svizzeri, die Kirche der Schweizergarde, sie liegt gleich unterhalb des Papstpalastes. Die beiden knien sich hin. «Ich bete täglich, auch für den Papst», sagt Leutnant Eggli nach Verlassen des Gotteshauses auf dem Weg ins Büro. «Für Papst Franziskus und Leo XIV.»

Bei einem Espresso in der Mensa unterhält sich Heinz Eggli mit der polnischen Albertinerschwester Rafaela. Mit vier Ordenskolleginnen ist sie in der Küche zuständig.

Bei einem Espresso in der Mensa unterhält sich Heinz Eggli mit der polnischen Albertinerschwester Rafaela. Mit vier Ordenskolleginnen ist sie in der Küche zuständig.

Fabienne Bühler

Auch Leutnant Eggli ist gespannt. Vielleicht kommt es unter dem neuen Papst zu einer Revolution? Der Bündner Nationalrat Martin Candinas hat es nach seiner kürzlichen Wahl zum Präsidenten der Stiftung der Päpstlichen Schweizergarde angetönt: «Wir sind dafür, die Garde auch für Frauen zu öffnen. Doch das ist eine Entscheidung, die der Papst treffen muss.»

Fakten

519

Jahre
ist es her, dass die Päpstliche Schweizergarde gegründet worden ist, anno 1506. Die meisten Gardisten kommen aus dem Wallis. Man muss praktizierender Katholik sein.

1800

Schweizer Franken
verdient ein Gardist im Monat. Kost und Logis sind gratis.

1,74

Meter
ist die Mindestgrösse, um Gardist zu werden. Die Garde verfügt über Pfefferspray, Teaser und Schusswaffen. Und hat eine Fussballmannschaft: Der FC Guardia spielt gegen vatikanische Teams, zum Beispiel der Gendarmeria und der Museumswärter.

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera vor 5 Stunden