Bettina Oberli, wie erklären Sie sich den Erfolg von «Barbie»?
In erster Linie liegt dieser an Barbie selbst. Sie spricht alle an: jene, die Barbie lieben, jene, die sie hassen, und alle dazwischen. Und dann war es natürlich ein Glücksgriff, Greta Gerwig den Film zu geben. Sie macht ihn salonfähig, man muss sich nicht schämen, den Film anzusehen. Es ist schon cool, wie Gerwig den Ausdruck «Barbie» neu konnotiert. Wenn die Leute ab jetzt neue Bilder im Kopf haben, hat sie der Herstellerfirma einen Riesendienst erwiesen.
Wie schätzen Sie Gerwigs Erfolg für die Frauen in der Filmbranche ein?
Ich finde es bemerkenswert, dass es überhaupt noch immer bemerkenswert ist. Ich würde es mir wünschen, dass es eines Tages normal ist, dass eine Frau, die grosse Budgetfilme machen will, diese auch machen kann. Aber so weit sind wir noch nicht. Deshalb ist es gut, dass ihr Erfolg herausgehoben wird.
Wann haben Sie Greta Gerwig erstmals wahrgenommen?
Als Schauspielerin in «Greenberg», einem Film, den ihr Partner Noah Baumbach machte. Greta fiel mir auf, weil sie ein unglaublich natürliches Spiel hat. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass das, was sie sagt, ihr gerade in den Sinn gekommen ist. Später habe ich realisiert, dass sie auch Drehbücher schreibt und Regie führt.
«Gerwigs schräger Humor ist ihre Spezialität»
Bettina Oberli
Was ist Gerwigs Spezialität?
Ihr schräger Humor. Sie hat auch ein Gesicht, bei dem man lächeln muss, eine Ausstrahlung von Komik und Tragik. Sie zeichnet starke weibliche Figuren, macht Emanzipationsgeschichten, aber auch im Sinne von Coming of Age. Ich finde sie wirklich eindrücklich, denn offenbar ist sie mit Haut und Haar Filmemacherin auf jeder Ebene.
Welches Werk hat Sie besonders beeindruckt?
Zum Beispiel «Frances Ha», wofür sie das Drehbuch schrieb und worin sie die Hauptrolle spielt. Der ist so wahnsinnig gut, lustig und berührend – ein total absurder, komischer, toller Film.
Hat es Sie überrascht, dass sie sich der Plastikpuppe annahm?
Natürlich, aber es hat mir viel Vertrauen gegeben, dass sie was Gutes daraus macht. Und es ist auch mutig von ihr. Sie musste ausblenden, dass da eine wahnsinnige Erwartung auf ihren Schultern liegt. Selbst ich, die wohl ein 1000-fach kleineres Budget hat, fühle diese Last immer. Dann gilt es, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, den einzelnen Baum, nicht den Wald zu sehen.
«Ich bin ein Kind aus den 70ern und durfte keine Barbie haben.»
Bettina Oberli
Gerwig wurde soeben nochmals Mutter. Wie vereinbar ist das mit der Filmbranche?
Ich war bei der Premiere von «Die Herbstzeitlosen» auf der Piazza Grande ebenfalls hochschwanger mit dem zweiten Kind. Ich finde, solche Auftritte mit Bauch geben das wichtige Signal, dass es möglich ist, Kind und Karriere zu haben und Schwangerschaft im Normalfall keine Krankheit bedeutet.
Was ist für Sie das Kinoerlebnis?
Die absolute Konzentration. Man sitzt in einem schwarzen Raum, ist nicht abgelenkt und taucht für zwei Stunden in etwas ein. In diesem Moment ist der Film wie Realität. Das finde ich immer noch sehr faszinierend.
Hatten Sie selbst eine Barbie?
Ich bin ein Kind aus den 70ern und durfte keine Barbie haben. Aber meine Freundin Regula hatte ganz viele inklusive Wohnwagen und Haus. Und so ging ich oft zu ihr spielen, bis ich eines Tages eine geschenkt erhielt. Ab da spielte ich halb heimlich daheim. Deshalb werde ich mir den Film noch mit meiner Mutter ansehen.