Es ist eine Europameisterschaft, die gezeigt hat, wie gut wir sein können. Wenn alles stimmt. Und das war in Deutschland der Fall. England hat im Viertelfinal gegen die Schweiz das beste Spiel der gesam- ten Euro gezeigt. Und doch: Wenn wir die grosse Chance hatten, einmal in einem grossen Turnier in den Halbfinal zu kommen – das wäre sie gewesen. Der Teamspirit war grossartig. Es muss alles zusammenpassen, um an einer Fussball-EM unter die letzten vier zu kommen.
Für mich der mit Abstand beste Schweizer war Manuel Akanji. Er hat ein Riesenturnier gespielt. Daran ändert auch der verschossene Penalty nichts. Überhaupt hat das Schweizer Team überragend verteidigt. Goalie Yann Sommer hatte fast nichts zu tun. Zum Weitschuss der Engländer, der zum Ausgleich geführt hat: Es gibt eine Statistik, diese sagt, dass die Mannschaften während der Europameisterschaft tiefer verteidigen als an anderen Spielen. Sie stehen näher beim Goalie. Dieser hat somit viel mehr Spieler direkt vor sich, was manchmal die Sicht behindert. Und es gibt mehr Tore aus der Distanz. Deshalb war es sehr schwierig für Sommer, Sakas Ball zu sehen.
Beim darauffolgenden Penaltyschiessen standen die Engländer natürlich unter enormem Druck. Sprechen wir an dieser Stelle kurz über den englischen Torhüter Jordan Pickford. Der Spickzettel auf seiner Flasche hat ihm meiner Meinung nach nichts genützt. Als Goalie wusste auch ich bei vielen Spielern, welche Ecke sie in der Regel bevorzugen. Wenn man aber dann dasteht, Auge in Auge mit dem Schützen, helfen diese Informationen nicht mehr viel. Dann muss man auf sein Bauchgefühl hören.
Ich bin in meiner Aktivzeit auch schon in die rechte Ecke gehechtet, obwohl ich wusste, dass der Schütze fast immer nach links schiesst. Und lag damit goldrichtig. Was Pickford aber gemacht hat: Er hat eine Show abgezogen. Er hat das Spiel verzögert, sich mit dem Schiedsrichter angelegt, auf seine Flasche geschaut. Während Akanji längst bereit war zum Schiessen. Das hatte womöglich einen Einfluss auf ihn. Auf der anderen Seite Yann Sommer: Beim Penaltyschiessen im Viertelfinal gegen Frankreich vor drei Jahren war er es, der mit den Händen geklatscht, Unruhe veranstaltet und sich damit sehr gross gemacht hat. Vielleicht wäre diese Ausstrahlung auch gegen England angebracht gewesen. Doch klar ist, Penaltyschiessen ist immer 50:50.
Noch ein Blick in die Zukunft: Trainer Murat Yakin hat innert kurzer Zeit einen wahnsinnigen Hype ausgelöst. Er hat meiner Meinung nach nun die Bälle in der Hand. Ob er seinen Vertrag verlängern will? Oder sagt er sich, er könne gar nicht mehr besser sein als mit dieser Mannschaft? Er könnte auch zufrieden sein, eine grossartige EM gespielt zu haben, und seinem Nachfolger viel Glück wünschen.
Um die Mannschaft selbst mache ich mir keine Sorgen. Diese ist intakt. Auch wenn zwei, drei Spieler aufhören – wir haben genügend Junge, die gezeigt haben, was sie können. Die Schweizer Mannschaft hat an dieser EM hervorragenden Fussball gezeigt. Es wird extrem interessant sein zu sehen, was uns die Nati in den kommenden Monaten bieten wird.