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Selina Gasparin im persönlichen Interview

«Sie dachte wohl, ich sei ein Schaf»

An der WM in Slowenien läuft Biathletin Selina Gasparin auf den sechsten Platz im Einzelrennen – und kämpft weiter um Medaillen. Schnell war sie schon als Kind: im Parcours durch die Wohnung. Doch ein Renovationsunfall und Strand­ferien machten ihrer Sportkarriere ­beinahe einen Strich durch die Rechnung.

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Selina Gasparin, Biathlon, Persönliches Interview SI 07/2021

Die Biathletin Selina Gasparin, 36, ist auch als Mami von zwei Kindern eine erfolgreiche Spitzensportlerin.

Stefan Matzke/sampics

Selina Gasparin, was ist Ihre peinlichste Modesünde?
Leuchtgelbe Leggings. Die ziehe ich jeweils zum Trainieren auf den Rollski an, wenns neblig ist. Ich werde dafür zwar von vielen ausgelacht, doch Sicherheit geht für mich vor. 

Was hatten Sie als Kind für einen Spitznamen? 
Wir sprachen zu Hause Italienisch, und meine Eltern nannten mich früher Nini. Später, so im Teenageralter, sagten mir alle in meiner Trainingsclique Zwirbeli.

Wie hätte Ihr Name als Bub gelautet? 
Elia. Der Name war auch sieben Jahre später noch hoch im Kurs. Dann kam meine Schwester: Elisa.

Hatten Sie schon mal einen grässlichen Urlaub?
Ja, auf Elba vor vier Jahren. Nach den ersten Tagen am Strand merkte ich plötzlich, dass mein Auge juckt. Als mein Mann es genauer untersuchte, sah er kleine Würmchen darin. Ich rief sofort meinen Verbandsarzt an. Wir mussten die Ferien dann abbrechen. Eine Fliege hatte Eier in meinem Auge abgelegt. Sonst legt diese nur Eier auf Schafen ab – sie dachte wohl, ich sei ein Schaf (lacht). Zum Glück war es nicht in meinem «Schiessauge» und nach regelmässigen Antibiotika-Behandlungen wieder gut.

In welcher Situation hatten Sie in Ihrem Leben sonst noch so richtig Schwein?
Als ich sechs Jahre alt war, renovierten meine Eltern unsere Alphütte. Da fiel mir beinahe die Bodenwanne der Dusche auf den Fuss. Sie landete nur Zentimeter neben meinem Fuss, der sonst sicher zertrümmert worden wäre. Stattdessen gabs drei Löcher im Holzboden, die man noch heute sieht und die mich an mein Glück erinnern. 

elina Gasparin, Biathlon, Hochzeit mit Ilja Tschernoussow Mai 2015, Persönliches Interview SI 07/2021

Mit Ilja Tschernoussow ist Gasparin seit sieben Jahren verheiratet. Gemeinsam haben sie zwei Töchter: Leila, 5, und Kiana, 2.

Stefan Matzke/sampics

Für welche Eigenschaften erhalten Sie immer wieder Komplimente? 
Für meinen Kampfgeist. Ich werde oft gefragt, wie ich mich so verausgaben kann, selbst wenn es nicht mehr um eine TopPlatzierung geht. Ich bin stets motiviert, alles aus mir herauszuholen.

Womit belohnen Sie sich selbst?
Ich belohne mich nie. Schon gar nicht mit Materiellem. Die grösste Belohnung ist das Gefühl, die Genugtuung, die Freude, wenn etwas geglückt ist.

Wie alt wären Sie gern für immer?
Drei Jahre alt. Unsere jüngere Tochter ist bald so alt, und ich sah das schon bei der älteren: In diesem Alter ist man so positiv, unvoreingenommen, man lernt unglaublich viel und ist sehr neugierig. Und eine Enttäuschung ist nach einem Moment bereits wieder vergessen. 

Als Sie selber noch ein Kind waren: Können Sie sich an Ihr schönstes Geschenk erinnern?
Ja, das war eine Stoppuhr von meinem Vater. Das tönt jetzt nicht wie der Traum eines Kindes (lacht). Doch ich machte ständig einen Hindernisparcours durch die Wohnung. Als ich die Zeit stoppen konnte, war ich nicht mehr zu stoppen.

Was war der unangenehmste Job, den Sie je verrichtet haben? 
Ich habe neben meinen Jobs als Grenzwächterin und Biathletin auch im Service gearbeitet oder als Babysitterin gejobbt. Doch keine dieser Arbeiten empfand ich als unangenehm.

Was an Ihnen ist nicht ganz normal?
Meine Schwestern amüsieren sich immer darüber: Meine Fussgelenke sind so beweglich, dass ich mit gestreckten Beinen die ganzen Fussflächen aufeinanderlegen und so mit den Füssen klatschen kann. (Selina rutscht mit dem Stuhl zurück, streckt ihre Beine aus und liefert live per Video den Beweis.)

04.07.2017; Lenzerheide; SI Sommerausgabe; Die Biathlon-Schwestern Selina (orange), Aita (blau) und Elisa (weiss) Gasparin auf dem Fox Trial in Lenzerheide. © Valeriano Di Domenico

Die drei Schwestern und Biathletinnen Elisa, Aita und Selina Gasparin 2017 in Lenzerheide.

Valeriano Di Domenico

Was können Sie alkoholisiert besser als in nüchternem Zustand?
Wie wahrscheinlich alle: tanzen und Fremdsprachen (lacht). 

Haben Sie einen Traum, der immer wiederkommt? 
Ja, ein Albtraum! Ich träume sehr oft, dass ich am Kofferpacken bin und einfach nicht damit fertig werde. Ich packe und packe und packe – und verpasse dann meinen Flug.

Wovon träumen Sie schon lange, getrauen es aber nicht zu tun? 
Es ist zwar nicht, dass ich mich nicht traue. Aber ich träume schon sehr lange von einer neuen Küche. Sie müsste total praktisch und futuristisch sein, sodass alle Maschinen per Knopfdruck aufgestellt und wieder versorgt sind. Bisher fehlte mir einfach die Zeit, dies in Angriff zu nehmen. Vielleicht klappt es ja diesen Sommer.

Angenommen, Sie könnten Wunder vollbringen: Was sind Ihre ersten drei Taten?
Ich kann es nicht sehen, wenn in der Natur Abfall herumliegt. Deswegen: Jeder, der Abfall falsch entsorgt, würde diesen in seinem Bett wiederfinden. Zudem würde ich einen Beamer erfinden, der alle Leute per Knopfdruck und ohne Emissionen von A nach B bringt. Und ich würde sauberes Wasser für alle Menschen auf dieser Welt zaubern. 

Ihr ulkigstes Mundart-Wort? 
Patschifig! Es kommt aus dem Romanischen und bedeutet gemütlich. Ich mag das Wort – auch wenn ich es selten gemütlich nehme (lacht)

Ab welchem Geldbetrag ist man Ihrer Meinung nach reich?
Wenn man darüber lachen kann, wenn man eine Geschwindigkeitsbusse kriegt.

Welchen Tag möchten Sie gern noch einmal erleben und warum?
Den Tag in Sotschi, an dem mein Mann Olympia-Bronze holte – und ich gleichzeitig meine Silbermedaille zu realisieren begann. Dieser Tag bleibt unvergesslich.

Von Sarah van Berkel am 19. Februar 2021 - 12:00 Uhr