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  4. Silber im WM-Riesenslalom: Loïc Meillards Aufstieg diesen Winter

Mit Stil, Charme und Schwung

So tickt Ski-Star Loïc Meillard

Noch fliegt er unter Marco Odermatts Radar, aber Loïc Meillard nähert sich Schritt für Schritt der Spitze. Dafür dürfte der freundliche Walliser noch ein wenig mehr ellbögeln.

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Marco Odermatt und Loic Meillard am Riesenslalom der Herren am 17.02.23 in Courchevel ©David Birri

Loïc Meillard (l.) und Marco Odermatt freuen sich über den Doppelsieg im WM-Riesenslalom.

David Birri

Fährt Loïc Meillard nicht Ski, ist er oft auf der Suche. Nach dem perfekten Bild mit seinen zwei, drei Kameras, die er als Hobbyfotograf jeweils dabeihat. Nach dem schönen Morgenlicht, der friedvollen Stimmung, dem besonderen Moment. Fährt Loïc Meillard Ski, hat er den perfekten Schwung längst gefunden. Es gibt Teamkollegen und Trainer, die sagen, man könne technisch nicht besser fahren als er, eleganter. Was aber noch geht: schneller. «Manche sagen, ich hätte fast einen akademischen Fahrstil, sei zu sehr auf der Suche nach der vollkommenen Bewegung auf Ski. Vielleicht muss ich mich ja etwas mehr gehen lassen», sagt der 26-Jährige.

Odermatts Selbstsicherheit fehlt noch

Immer öfter findet Meillard den perfekten schnellen Schwung. In drei verschiedenen Disziplinen stand er diesen Winter bereits auf dem Podest, siegte im Riesenslalom in Schladming. Holte an der WM Silber hinter Marco Odermatt (25) der momentan alles so überstrahlt, dass Meillards starke Saison beinahe untergeht.

Die beiden haben sich in den vergangenen Jahren gegenseitig angetrieben und herausgefordert, doch wenns drauf ankommt, fehlt Meillard noch Odis Selbstsicherheit und Instinkt in den Rennsituationen. Und so ist es für den häufigen Zweiten nun noch die Suche nach dem letzten Schritt bis zum Champion.

Loic Meillard

«Loïc ist manchmal vielleicht sogar zu lieb für den brutalen Rennsport», sagt Walter Reusser, Alpin-Direktor von Swiss-Ski.

Christoph Köstlin

Noch muss man ihm Zuversicht geben, Druck wegnehmen. «Er muss Selbstvertrauen haben. Wissen, dass er der Beste der Welt sein kann. Dann kommt es gut», ist Slalomtrainer Matteo Joris überzeugt. Er wie auch der Schweizer Alpin-Direktor Walter Reusser sprechen von Meillard als Vorbildathlet: «Er ist akribisch, arbeitet super, ist immer gut aufgelegt. Total freundlich, manchmal vielleicht sogar zu lieb für diesen brutalen Rennsport.»

Umzug von Neuenburg ins Wallis

Für den geliebten Rennsporttraum ist Familie Meillard einst von Neuenburg ins Wallis gezogen, da waren Loïc zwölf und seine Schwester Mélanie zehn Jahre alt. Schule und Training lassen sich hier einfacher kombinieren. Und so verkaufte Vater Jacques sein Elektrogeschäft, und die Familie baute ein Haus am Hang in Hérémence, nur wenige Meter neben dem Sessellift. Die Abgeschiedenheit und der grandiose Blick auf die Bergwelt gefällt der Familie, die Liebe zum Wandern, zu Ski- und Velotouren verbindet sie; auch war der Vater früher Teil der Speedski-Nationalmannschaft.

Heute sind die Eltern noch an möglichst vielen Rennen dabei, wenn die Kinder fahren, die beide längst ausgeflogen sind. Loïc zieht seit zwei Jahren auch mit seiner Freundin Zoé Chastan, 30, um die Welt, eine ehemalige Skicrosserin und heute Kommunikationsbeauftragte sowie Betreuerin des Schweizer Männerteams von Swiss-Ski. So haben sie und Loïc sich übrigens kennengelernt.

Loic Meillard mit Vater Jaques, Freundin Zoe Chastan und Mutter Carine am Riesenslalom der Herren am 17.02.23 in Courchevel ©David Birri

Loïc Meillard feiert seine Riesenslalom-Silbermedaille mit seinen Liebsten im House of Switzerland in Méribel: Vater Jacques (l.), Freundin Zoé Chastan, Mutter Carine (r.).

David Birri

Der 26-Jährige ist im Gespräch ein ruhiges Gegenüber, das nicht allzu viel von sich preisgibt. Die Antworten kommen freundlich, aber eher knapp. «Ich zeige in Interviews selten meine wahre Gefühlslage», sagt er, «das ist nichts für die Öffentlichkeit.» Lieber sprechen seine Teamkollegen über ihn, von denen er einige hat, da er drei Disziplinen fährt und so schon verschiedenen Gruppen angeschlossen war.

Der langjährige Riesenslalom-Trainingskollege Gino Caviezel (30) schwärmt in der Dokumentation «Behind the Gates» von Loïc: «Vor allem gefällt mir, wie offen und zugänglich er als Mensch ist. Er redet viel im Team und verbreitet immer positive Stimmung.» Justin Murisier (31) findet, Loïc schaue fast zu wenig auf sich selbst. «Er ist unglaublich grosszügig mit Tipps, die er uns gibt, überlegt immer auch fürs Team.»

Das sieht auch Alpin-Direktor Reusser so. Meillard dürfe schon auch mal etwas mehr die Ellbogen ausfahren. Den Anspruch haben, dass ihm alle das bieten, was er brauche, um Weltspitze zu sein . «Er ist sehr korrekt und sucht den Fehler immer bei sich.»

Marco Odermatt und Loic Meillard am Riesenslalom der Herren am 17.02.23 in Courchevel ©David Birri

Seit Jahren fordern sich Meillard und Odermatt im Training, verstehen sich gut.

David Birri

Und dann ist da noch die Sache mit der Hyperaktivität. Wie eine Rakete schiesse Meillard um sechs Uhr früh aus dem Bett, erzählen Zimmergenossen. Und Slalom-Ass Daniel Yule (30): «Er macht so viele Dinge, Fotos hier und jenes da, dass ich denke: Gibts überhaupt so viel Zeit pro Tag?»

Meillards Helm ziert eine Linie, die er mit einem Freund designt hat und auf der sich alles abspielt, was er in seinem Leben mag: Da gibts Wanderer, Skifahrer, eine Kamera, einen Koch, ein Glas Wein, einen Surfer, Windsurfer, ein Ziffernblatt für seine Sammelleidenschaft für alte Uhren. Ein Bergpanorama des Lebens sozusagen mit den vielen Leidenschaften des ausgebildeten Bankkaufmanns Loïc Meillard.

Mit seinen fünf Podestplätzen in dieser Saison und der dritten WM-Medaille insgesamt steigt der Walliser mehr und mehr dem Gipfelkreuz zu. Und gewinnt mit jedem Schritt an Selbstvertrauen.

Von Eva Breitenstein am 24. Februar 2023 - 11:56 Uhr