Der Gedanke an den Rücktritt kommt rasch nach dem Sturz Ende November in Lake Louise. Fast zwei Jahre lang hat sich Mauro Caviezel zu diesem Zeitpunkt mit den Sehstörungen als Folge eines heftigen Schädel-Hirn-Traumas herumgeschlagen. Alles versucht, um sich zurückzukämpfen. Dann, beim Comeback, wieder ein Unfall. Doch er möchte nicht sofort entscheiden: «Ich wollte zuerst Therapie machen.»
Nun aber gab der 34-Jährige im Rahmen seines Lieblingsrennens Lauberhorn den Rücktritt. Die ganze Familie ist dabei, seine Eltern und die drei Geschwister, seine Verlobte Nina. Mit Bruder Gino geht er noch auf die Besichtigung des Super-Gs, nimmt auch Vater Markus mit, für diesen eine Premiere. Später verabschiedet er sich mit einem Apéro auch von den Skikollegen.
Der Sturz war für viele ein Schock
Fast 100-mal hat sich Mauro Caviezel den Sturz von Lake Louise angeschaut. Schon für Unbeteiligte sind die Bilder hart anzusehen, und «meine Familie hat sich schwergetan, das habe ich gespürt». Nie jedoch hätte sich jemand von ihnen in die Entscheidung eingemischt. Einer seiner Konditionstrainer schreibt ihm einen langen, sehr persönlichen Brief. «Der Sturz war wohl für viele ein Schock.»
Nina und Mauro – die beiden heiraten im Sommer – stellen eine Pro/Kontra-Liste auf. Die Pros überwiegen, doch die Kontras sind gewichtiger. Und so trifft er den schwierigen Entscheid zurückzutreten. Als er sein Umfeld in Telefonaten informiert, merkt er, «dass alle erleichtert sind».
Mauro Caviezel ist schon in der Kindheit in Lenzerheide GR ein Draufgänger, hat ständig Schürfungen. Im Umgang ist er ruhig, eloquent, angenehm. Doch auf den Ski am Limit zu fahren, immer 100 Prozent, «das ist mein Charakter». Er trägt Caviezel eine Reihe von Verletzungen ein, vom Kreuzbandriss über eine Schulterluxation bis zu Blessuren an der Hand, dem Meniskus, der Achillessehne. Er holt sogar Podestplätze mit gebrochenem Finger. Insgesamt schafft er es zwölfmal aufs Treppchen, er hat einen Weltcupsieg und eine WM-Medaille.
Im Alltag keine Probleme
Für den Alltag muss er sich gesundheitlich keine Sorgen machen. Es reicht zwar nicht mehr für den Rennsport, doch sonst geht es ihm gut, er hat auch keine Schlafprobleme mehr. Nun sucht Caviezel eine neue Leidenschaft. «Ich brauche keine Ferien oder Reisen, ich brauche eine Herausforderung.» Er wird diese Suche angehen wie alles andere: mit 100 Prozent.