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  4. Ski-Auftakt in Sölden: Pirmin Zurbriggen und Franz Julen über die neue Abfahrt in Zermatt
Pirmin Zurbriggen und Franz Julen vor dem neuen Weltcup

Schlusspunkt einer langen Fahrt

Der Kreis schliesst sich: 40 Jahre nachdem sie gemeinsam durch die Skiwelt ­gezogen sind, arbeiten Pirmin Zurbriggen und Franz Julen auf die neue Weltcup-Abfahrt in Zermatt hin. Die Geschichte einer Walliser Freundschaft.

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Franz Julen Praesident von den Zermatt Bergbahnen und vom Organisationskomitee des Ski-Weltcuprennen am Matterhorn und Botschafter der Weltcupabfahrt am Matterhorn, Pirmin Zurbriggen besichtigen die die Rennpiste. Bild © Remo Naegeli

Pirmin Zurbriggen (l.) und Franz Julen am Matterhorn-Sprung auf der neuen Piste. Der Namensgeber thront im Hintergrund.

Remo Naegeli

«Das war Schicksal», hält Pirmin Zurbriggen gleich am Anfang fest, «im guten Sinne!» Das Gespräch beginnt hoch oben über Zermatt, in der Bergstation Klein Matterhorn, wo sich Ende Oktober Beat Feuz & Co. auf den Weg zum Start der neuen Weltcupabfahrt machen werden: ein Spektakel mit Start in der Schweiz und Ziel in Italien. Franz Julen, 64, ist OK-Präsident und die treibende Kraft der Innovation, Zurbriggen, 59, Botschafter und Berater. Doch hier auf 3883 m ü. M. blicken die beiden nicht nur auf die Strecke des Rennens, dessen Austragung wegen Schneemangels auf den letzten Metern immer noch gefährdet ist – am Samstag fällt der Entscheid. Sie schauen auch weit zurück in ihre gemeinsame Vergangenheit. Welche Skilegende Zurbriggen eben als positiv schicksalhaft bezeichnet und Julen als «emotional, aber auch für meinen nachherigen beruflichen Werdegang ganz entscheidend».

«Das war ein brauner Golf, stimmts?»

Angefangen hat alles als Teenager. Julen begleitet seinen Vater als 15-Jähriger an Skirennen, wo sein jüngerer Bruder Max gegen Pirmin fährt. 1977 dann, frisch ab Autoprüfung, führt Franz’ erste grosse Fahrt als Servicemann von Max aufs Bernina-Hospiz, ins Trainingslager auf der Diavolezza. Mit dabei im Auto: Pirmin. «Das war ein brauner Golf, stimmts?», fragt Zurbriggen 45 Jahre später. War es – ein Golf GLS.

Franz Julen Praesident von den Zermatt Bergbahnen und vom Organisationskomitee des Ski-Weltcuprennen am Matterhorn und Botschafter der Weltcupabfahrt am Matterhorn, Pirmin Zurbriggen besichtigen die die Rennpiste. Bild © Remo Naegeli

Pirmin Zurbriggen und Franz Julen (r.) lassen im Bergrestaurant des Klein Matterhorns Erinnerungen wach werden.

Remo Naegeli

In der Folge spult das Trio Tausende Kilometer ab, von 1979 bis 1984 im Weltcup: Hier Franz Julen als Max’ Servicemann, Betreuer und Manager. Da Max, Olympiasieger 1984, der dem älteren Bruder diktiert, wann er überholen soll und wie die nächste Kurve aussieht. Schliesslich Pirmin Zurbriggen, der die Fahrten mit den beiden «Tschuggini», wie die Julens in Zermatt heissen, geniesst und das Vertrauen, die Freundschaft, das Know-how schätzt. «Stundenlang haben wir über Gott und die Welt geredet. Über Taktisches. Geschäftliches.» Dass Max und Pirmin Konkurrenten sind, spielt keine Rolle. Über Verhandlungen mit den Skifirmen wird offen diskutiert, und verheimlicht wird kein Tipp, nicht mal vor Olympischen Spielen. «Franz war ein unglaublich guter Analytiker», sagt Zurbriggen heute. «Das hat mich beeindruckt: Nach dem Rennen hat er immer ehrlich analysiert. Nie böse, aber man wusste danach, was man besser machen musste.» Auf den Autofahrten drückt bei den dreien schon mal das Rennfahrerherz durch. Und als es einmal im Schneesturm über den Julier geht und die Jungs zu faul sind, für die letzten 100 Meter Schneeketten zu montieren, setzen sich Franz und Pirmin, mit Kappen und Schneebrillen ausgerüstet, auf die Motorhaube und schaffens so zur Passhöhe.

Die Entscheide mussten rasch fallen

Bei der Streckenführung in Zermatt sind die beiden mittlerweile beim Matterhorn-Sprung angelangt. Von hier zieht sich das Rennen in einer Linkskurve zur italienischen Grenze. «Wir haben uns gefragt, ob wir einen Zöllner aufstellen sollen, der die Fahrer kontrolliert», witzelt Julen. Ein Weltcuprennen auf dem Boden von zwei Ländern gab es noch nie. Dass Zermatt und Cervinia sich seit über 20 Jahren das Skigebiet und das Ticketing teilen, hilft. Man kennt sich. Administrativ gabs die eine oder andere Herausforderung – das Schweizer Militär etwa darf nur bis zur Schweizer Grenze mitarbeiten –, doch da das Rennen in bloss acht Monaten realisiert wurde, mussten die Entscheide rasch fallen.

Franz Julen Praesident von den Zermatt Bergbahnen und vom Organisationskomitee des Ski-Weltcuprennen am Matterhorn und Botschafter der Weltcupabfahrt am Matterhorn, Pirmin Zurbriggen besichtigen die die Rennpiste. Bild © Remo Naegeli

Wie früher: Zurbriggen (l.) und Julen gemeinsam auf der Piste. Heute spielen sie ab und zu eine Runde Golf zusammen.

Remo Naegeli

Weiterkommen, besser werden, Lösungen finden: Das machten Julen und Zurbriggen schon immer. In den letzten Jahren von Zurbriggens Wahnsinnskarriere sind die beiden eng verbunden: Julen betreut bei Marc Bivers Sportmanagement auch Zurbriggen, als Sportmanager im Skisport noch etwas ganz Neues sind, zieht etwa den bekannten Mars-Deal an Land. «Da brauchst du Vertrauen», sagt Zurbriggen, und das hat er Franz gegenüber. Auch, als dieser ein Buch über ihn schreibt: «Ich musste nur erzählen, er erledigte den Rest.»

Immer noch eng verbunden mit Zermatt

Nach der Sportkarriere trennen sich die Wege erst mal. Zurbriggen wird Hotelier. Und Julen, der sich ursprünglich ebenfalls in dieser Rolle zurück in seinem Heimatort Zermatt sah, «will in die weite Welt, lernen und neugierig sein». Der Weltcup als Initialzündung für eine grosse Geschäftskarriere – Julen hat Intersport zum weltweit grössten Sporthändler gemacht, ist etwa VR-Präsident von Valora und Präsident der Zermatter Bergbahnen. Seit über 40 Jahren lebt er nicht mehr hier, bleibt aber eng verbunden mit dem Walliser Bergdorf und mit Pirmin – dessen Frau Monika ist Julens Cousine.

Als vor drei Jahren von italienischer Seite die Idee für die neue Abfahrt kommt, ist sofort klar: Das ist die Chance, den Weltcup nach Zermatt zu holen. Gemeinsam sind Zurbriggen und Julen vor 43 Jahren in die weite Skiwelt gestartet. «Umso schöner ist es jetzt, zum Schluss meiner beruflichen Laufbahn, mit Pirmin dieses Projekt in Zermatt zu machen», sagt Julen. «Der Kreis schliesst sich.»

Von Eva Breitenstein am 21. Oktober 2022 - 18:26 Uhr