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Das Comeback des Kämpfers

Skistar Niels Hintermann nach Krebsdiagnose neu fokussiert

Die Diagnose Lymphdrüsenkrebs hat ihn ein Jahr ausgebremst. Heute ist Abfahrtscrack Niels Hintermann krebsfrei und will wieder angreifen. Zuvor geniesst er mit Ehefrau Lara die fantastischen Landschaften Islands.

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<p>Den Kopf lüften, sich erden. Im Sommer erfüllt sich Abfahrer Niels Hintermann den Traum von einer Reise durch Island.</p>

Den Kopf lüften, sich erden. Im Sommer erfüllt sich Abfahrer Niels Hintermann den Traum von einer Reise durch Island.

Hintermann Fotografie

Es ist das Schönste, was ich je gesehen habe», sagt Niels Hintermann (30) und strahlt. Der Abfahrtscrack spricht von seiner Reise in den hohen Norden, nach Island. Im Sommer hat er sich gemeinsam mit Ehefrau Lara (30) den Traum erfüllt – nach schwierigen Monaten mit Krebs. Hintermann zeigt eindrücklich: Ich bin wieder da.

<p>Lara Hintermann hat auf Island noch ein Fotoprojekt realisiert. Sie arbeitet als Fotografin.</p>

Lara Hintermann hat auf Island noch ein Fotoprojekt realisiert. Sie arbeitet als Fotografin.

Hintermann Fotografie

Vor einem Jahr stand die Schweiz – weit über die Grenzen des Skizirkus hinaus – unter Schock. In einer Medienkonferenz verkündete der Zürcher, bei ihm sei Lymphdrüsenkrebs entdeckt worden. Er müsse die Saison ausfallen lassen und sich in Behandlung begeben. Er blieb optimistisch, ertrug die Chemotherapien, die Bestrahlungen, alle Nebenwirkungen tapfer, konnte im Februar verkünden, es sei geschafft: «Ich bin krebsfrei». Im Januar sagte er in der «Schweizer Illustrierten»: «Ich hatte Glück, dass ich körperlich extrem fit war, als ich startete. So etwas wünscht man wirklich niemandem.»

<p>«Island war unser gemeinsamer Traum.» Niels Hintermann mit seiner Frau Lara.</p>

«Island war unser gemeinsamer Traum.» Niels Hintermann mit seiner Frau Lara.

Hintermann Fotografie

Der Kampf hat sich gelohnt. Bis heute ist die Krankheit nicht zurück. Alle drei Monate wird der Sportler kontrolliert. «Stand jetzt mache ich mir keine Gedanken. Solange in diesen Untersuchungen nichts ist, gibt es für mich keinen Grund zur Besorgnis.» Die Zeit ohne das Skifahren hat Hintermann genutzt, um den Winter mal «anders» zu geniessen. Im norwegischen Tromsø hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau Lara Polarlichter gesehen. «Und Après-Ski gab es auch etwas mehr als in anderen Jahren», sagt er und lacht. Lara Hintermann ist professionelle Fotografin und ein grosser Hundefan, sie hat sogar mal einen Blindenführhund aufgezogen. Auch sie ist passionierte Skifahrerin. So kam es nicht von ungefähr, dass sich das Paar im Sommer 2024 in der Lenzerheide GR das Jawort gab.

<p>Auch junge Polarfüchse hat das Paar entdeckt. Die Tiere werden später weiss.</p>

Auch junge Polarfüchse hat das Paar entdeckt. Die Tiere werden später weiss.

Hintermann Fotografie

Island war schon lange ein Traum des Paares. Im Sommer war es endlich so weit. «Meine Frau und ich haben eine Liste mit verschiedenen Destinationen, die wir gern besuchen würden. Wir wählen abwechselnd aus. Nach Island wollten wir aber beide unbedingt.» Zwei Wochen waren sie im Süden der Insel unterwegs – mit dem Auto. Übernachtet haben sie in Hotels oder Airbnb-Wohnungen. Touristen-Hotspots hätten sie wenn möglich gemieden. «Wir haben in Bächen mit heissen Quellen gebadet, Wasserfälle gesehen, den Gletscher oder den Diamond Beach.» Die vielen Tiere hätten sie ebenso begeistert – Robben, Polarfüchse, Hunde, Pferde, Schafe und Puffins, die süssen kleinen Papageientaucher. «Auch in der Hauptstadt Reykjavík waren wir, die Stadt ist wirklich herzig, aber die Landschaften ausserhalb waren viel, viel lässiger.

<p>Die Tierwelt hat das Paar besonders begeistert, wie dieser herzige Puffin.</p>

Die Tierwelt hat das Paar besonders begeistert, wie dieser herzige Puffin.

Hintermann Fotografie

Zurück in den Trainingsalltag

Danach galt es für Niels Hintermann wieder ernst: Das Sommertraining konnte er in vollem Umfang und wie geplant mitmachen. Auch im Schneetraining in Chile sei er mit von der Partie gewesen, erzählt er. «Körperlich geht es mir sehr gut, ich bin zufrieden.» Er könne aber noch nicht genau festmachen, wo er technisch stehe. «Der Speed ist etwas abgegangen», stellt er fest. Und: «Ich merke, dass mir in der Entwicklung der Ski ein Jahr fehlt.» Es mangle ihm an Wissen darüber, in welche Richtung sich die Ski entwickelt hätten. «Es ist wie im Rechnungswesen. Wenn du da den Anschluss verpasst, hast du Schwierigkeiten mit dem nächsten Thema. Da gingen ein paar Modelle an mir vorbei, und ich habe keine Ahnung, was passiert ist.»

Das Team habe ihn dagegen sehr gut aufgenommen. «Ich wurde unterstützt, und es war viel Verständnis da, wenn ich mal an einem Tag etwas weniger machte.» Der Team-Spirit sei grossartig. «Ich würde mich freuen, noch einmal richtig mitzumachen.» Im Februar wartet der Saisonhöhepunkt: die Olympischen Spiele in Italien. Für Hintermann sind diese weit weg. Ohnehin will er in diesem Winter nur Abfahrten bestreiten, somit ist auch der Saisonstart in Copper Mountain, USA, wo ein Super-G ausgetragen wird, kein Thema. «Bei der ersten Abfahrt in Beaver Creek Anfang Dezember will ich unbedingt am Start stehen», sagt er, «aber nur, wenn ich denke, es ergibt Sinn. Ich will nicht ums Podest mitfahren. Aber ich will mithalten können. Dreissigster werden will ich nicht.» Es sei zu früh, jetzt schon zu sagen, ob dieses Ziel realistisch sei, ist er sich bewusst. «Ich muss es von Woche zu Woche nehmen. Es kann viel passieren auf dem Schnee.»

<p>Der Abfahrtscrack musste letzte Saison wegen der Krankheit pausieren. Auf Island greift er selbst mal zur Kamera.</p>

Der Abfahrtscrack musste letzte Saison wegen der Krankheit pausieren. Auf Island greift er selbst mal zur Kamera.

Hintermann Fotografie

Der Fokus hat sich verändert, um noch mal auf den Anfang zurückzukommen. «Eine solche Krankheit verändert den Blick auf das Leben. Man kann es anders geniessen. Dinge, die mich früher aufgeregt haben, sehe ich heute relaxter.» Ein einziger schlechter Tag sei heute kein Drama mehr. «Es ist nur ein Tag, und dann geht es weiter.» Deshalb hat sich Niels Hintermann keine langfristigen Ziele gesetzt. «Das einzige Ziel ist, in Beaver Creek zu starten. Vielleicht wird es gar nichts mehr mit dem Skisport. Vielleicht wird es super, und ich kann eine neue Zielsetzung machen. Oder auch die Zukunft planen, die Heim-WM 2027 in Crans-Montana VS zum Beispiel.»

Auch eine Familie wünscht er sich. «Das ist ganz sicher ein Ziel, irgendwann.» Der Ehrgeiz, nochmals zu den Besten zu gehören, ist da. Nicht verbissen. Medaillen sind nicht alles, was im Leben zählt.

Von Nadine Gerber vor 20 Stunden