«Mein absoluter Lieblingsort ist der Rhein», sagt Maike Cruse (50). «Man darf nicht verpassen, darin zu schwimmen. Während der Messewoche versuche ich das jeden Tag – wenn das Wetter mitspielt. Es erfrischt, belebt und entspannt zugleich.» Ein Jahr ist es her, dass sie Direktorin der Art Basel wurde. Seither hat sie eine kleine Wohnung in Rhein-Nähe bezogen und das traditionsreiche Basler Sommervergnügen für sich entdeckt. So springt sie am Sonntag vor Messebeginn mit über 200 Galeristinnen und Galeristen ins kühle Nass – zum jährlichen «Galeristenschwimmen». Immer dabei hat sie ihren Wickelfisch, eine wasserdichte Schwimmtasche.
So gibt Maike Cruse das Bad im Rhein auch allen Gästen als Geheimtipp mit auf den Weg, die kommende Woche nach Basel pilgern, um sich an der grössten und wichtigsten Kunstmesse der Welt von den aktuellsten Strömungen der Kunst inspirieren zu lassen: der Art Basel.
Beim Spaziergang durch Basel trifft Maike Cruse in der Galerie Mueller auf Kunst von Georg Karl Pfahler und Theodor Bally.
Geri BornWickelfisch statt VIP-Lounge – so könnte man den frischen Spirit umschreiben, mit dem die Kunstexpertin die Art Basel beflügelt. Kenner der Szene wie der Basler Galerist Dominik Müller sind begeistert: «Maike bringt viel frischen Wind nach Basel.» Neugier, Offenheit und keine Allüren – das ist Maike Cruses Rezept. «Auch wenn der Kunstmarkt prominent vertreten ist: Mir ist wichtig, dass die Art Basel vor allem ein Ort ist, an dem sich Menschen begegnen», sagt sie. Dabei will sie die Messe nicht neu erfinden, sondern sie für neue Blickwinkel öffnen. «Unser Programm ist so breit wie sonst an keiner anderen Kunstmesse der Welt», erklärt sie stolz.
«Ich behalte den Überblick, indem ich mich mein ganzes Leben mit Kunst, Künstlerinnen und Künstlern beschäftige», sagt Cruse.
Geri BornWie hat sich diese Frau, die Kunst seit ihrer Jugend zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat, so viel Natürlichkeit und den breiten Horizont bewahrt? Die Antwort liegt in Maike Cruses bewegter Biografie: Geboren in Kaiserslautern, aufgewachsen in Bielefeld, Kunststudium in London, dann Berlin, wo sie heute mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern im Stadtteil Schöneberg lebt, wenn sie nicht gerade in Basel weilt. Statt sich ins lukrative Galerienbusiness zu stürzen, wählt sie in ihren Anfangsjahren den steinigen Weg. Sie gründet Offspaces wie The Forgotten Bar und arbeitet am KW Institute for Contemporary Art, wo sie mithilft, in einer ehemaligen Margarinefabrik mit kleinem Budget und viel Idealismus ein hochkarätiges Programm zusammenzustellen.
Galerist Dominik Müller spricht mit Maike Cruse begeistert über die kommende Art Basel, bei der er selber ausstellt.
Geri BornQualität statt Kommerz
Diesen mutigen, experimentellen Geist will Cruse auch dort etablieren, wo Kunst zur Kapitalanlage und Galeristen zu Global Playern geworden sind. Menschlichkeit und Inhalt sollen an der Art Basel im Fokus stehen – nicht der schnelle Profit. «Unsere Auswahl basiert nicht auf den Preisen, sondern auf Qualität», betont sie. Dann wird sie ehrlich: «Wie schwierig es ist, diese immer wieder neu auszuloten – das zeigen die vielen sehr langen und aufwendigen Diskussionen, die wir führen.» Ihr steht dafür ein Selektionskomitee von internationalen Experten zur Seite, die unterschiedliche Segmente der Kunst abbilden. Cruse: «Meine Aufgabe ist es nicht zu entscheiden, sondern die Entscheide zu moderieren.»
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 289 Galerien aus der ganzen Welt wurden dieses Jahr zur Art Basel zugelassen. 20 sind zum ersten Mal dabei – darunter auch Newcomer aus weniger repräsentierten Kunstmarktzentren wie Tiflis oder Toronto. Ein Highlight: The Third Gallery Aya aus Osaka stellt Pionierinnen der japanischen Fotografie vor. «Die neuen Galerien zeigen immer etwas, das es vorher an der Art Basel noch nicht zu sehen gab», sagt Cruse. «Sie ergänzen unser Programm in die Richtung, die wir uns wünschen.»
Viel unterwegs, ständig am Handy: Der Job von Maike Cruse ist intensiv und gleicht dem einer internationalen Top-Managerin.
Geri BornKunst für alle
Nicht der Zeitgeist ist es, der sie antreibt, sondern die Lust auf neue Ideen und kulturellen Dialog. Natürlich gebe es auch Positionen, die sich mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen. Verbrannte US-Flaggen aus Feuerholz an der Art Unlimted, Regenmäntel des 87-jährigen Computerkunstpioniers Thomas Bayrle im Kaufhaus Manor – solche Arbeiten widerspiegeln den Wandel der Welt. Aber Cruse will mehr: Kunst ins Stadtleben integrieren, vieles kostenlos zugänglich machen.
Die Arbeiten im «Parcours», die riesige Installation von Katharina Grosse auf dem Messeplatz – auch das ist die Art Basel, wie sie sie sich wünscht. Cafés, Museen, Hotels, ja sogar «s Drämmli» wird in Basel Teil der Kunstmesse. Das prägt die Stimmung und wird zum Markenzeichen der Messe, die inzwischen weltweit expandiert. Miami, Hongkong, letztes Jahr Paris und jüngst auch Katar veranstalten jeweils ihre eigene Art Basel – mit viel Erfolg und regionaler Diversität.
Besteht die Gefahr, dass die Art Basel dereinst ganz ins Ausland abwandert? «Die Messe in Basel bleibt unser ‹Mutterschiff›», zerstreut Maike Cruse alle Bedenken. «Hier begann alles, und hier ist unser Herz. Nirgendwo sonst passt das oft zitierte Bonmot besser, dass Kunstverkäufe sogar im Tram vereinbart werden. Das ist der Charme von Basel. Die Stadt ist so überschaubar, dass man sich während der Art Basel immer wieder über den Weg läuft in Cafés, Restaurants, Bars, Galerien, auf Partys – oder eben bei einem Schwumm im Rhein!»