Einen einzigen Auftritt hat die britische Band Simply Red dieses Jahr. Doch Roman Roth (48), seit 2011 Drummer der berühmten Band von Sänger Mick Hucknall (63), wirds nicht langweilig. Bevor um 12.15 Uhr die beiden Söhne von der Schule heimkommen und er mit Frau Claire (45) das Zmittag macht, trommelt der 48-Jährige wie jeden Vormittag im Hightechstudio zu Hause in Möhlin AG.
Er produziert Songs für Kunden wie Baschi (37) und die Simple Minds – doch auch für einen Routinier wie Roth heissts vor allem: üben! «Something Got Me Started» zum Beispiel, einen Simply-Red-Klassiker. Hunderte Male hat er ihn schon gespielt. Auch beim Snowpenair im Berner Oberland steht der Welthit auf der Setlist. Roman schmunzelt. «Mick und ich sind Perfektionisten. Die Songs müssen sitzen, wenn wir sie raushauen!», sagt er beim Besuch der Schweizer Illustrierten.
Highlight in Schaffhausen
Über zwei Jahre war Simply Red bei ihrer vergangenen Welttournee unterwegs. Krönender Abschluss: das Konzert am Open Air «Stars in Town» in der Altstadt von Schaffhausen. «Roman ist grossartig, als Drummer und als Kumpel», lobte Mick Hucknall damals gegenüber der SI. Wie vor jedem Auftritt hatte Roth backstage sein Ritual absolviert, mit trommelnden Bewegungen in der Luft. Roth: «So kommt die gute Nervosität, das Adrenalin.» Dann hiess es: Let’s go! Die 6'500 Zuschauerinnen und Zuschauer empfingen die Band mit tosendem Applaus. Hucknall ist ein gewiefter Entertainer, der groovige Sound der Band zündete sofort. Mitten im Song «It’s Only Love» machte Hucknall eine unscheinbare Handbewegung – nun wusste sein Drummer: Der Chef will es mehr «laid back» – Roth trommelte ein bisschen relaxter. «Meine Augen sind die meiste Zeit bei Mick», sagte Roman nach dem Konzert. «Mick muss es wohl sein bei den Konzerten, das ist mein Job.»
Musik liegt Roman Roth im Blut. Als Schüler probte er mit seiner Rockband Ride Back in einem Luftschutzkeller in Möhlin. Er studierte Musik, trommelte etwa in der Band der Berner Sängerin Natacha, unterrichtete in seiner Musikschule. Als 35-Jähriger zügelte er 2011 nach London, arbeitete als Musikproduzent und Session-Drummer, lernte Claire kennen – die Britin ist ebenfalls im Musikbusiness tätig. Bald rief Produzent Andy Wright an: Ob Roman Zeit hätte, ein Konzert mit Simply Red zu spielen.
Ritterschlag in der Royal Albert Hall
Am 7. Dezember 2011 war es so weit! Vor dem Konzert bei Zug lernte Roth in der Garderobe Mick Hucknall kennen. Bevor es auf die Bühne ging, schaute die Band den Champions-League-Match FC Basel gegen Manchester United. Der FCB gewann 2:1! Mick, ein riesiger ManU-Fan, fragte Roman: «Kommst du nicht von Basel?» Dieser geistesgegenwärtig: «Nein, von Möhlin, weit weg davon!» Eine coole Antwort und eine brillante Drum Performance beim Konzert: Seither gehört Roman zu Simply Red.
2012 der Ritterschlag! In der legendären Londoner Royal Albert Hall spielte Roth mit Hucknall dessen Solo-Album «American Soul» ein, die zwei Konzerte wurden live aufgenommen. Nach dem ersten stürzte der Computer ab, die Band wusste: Am zweiten Abend musste es klappen! «In solchen Situationen laufe ich zu Höchstform auf», sagt Roth, «es wurde eine phänomenale Live-Scheibe!» 2015 heiratete er Claire, Sohn Miles kam zur Welt. Es folgte ein weiteres denkwürdiges Konzert: Simply Red begeisterte am Montreux Jazz Festival . «Vor uns spielten Quincy Jones und Al Jarreau, wir waren der Hauptact. Crazy!» 2017 zog die Familie nach Möhlin, Sohn Art kam zur Welt.
«Weil wir dieses Jahr nicht auf Tour sind, habe ich viel Zeit für meine Familie, das geniesse ich», erzählt Roth in seiner Stube. «Roman ist ein wirklich guter Vater», sagt seine Frau Claire. Oft unternehmen die vier Ausflüge, musizieren gemeinsam. Abends hört Roman Musik, «zur Zeit viel Cello-Konzerte», oder er arbeitet mit Claire für ihre gemeinsame Eventfirma Roth Events. «Auf Tour bin ich pro Tag bezahlt, sonst bin ich selbstständig erwerbend.»
Party im Nightliner
250 Konzerte hat Roman schon mit Simply Red gespielt. Die Band hat sieben Musiker, die Crew 30 Leute, «wir sind eine Familie». Nach den energiegeladenen Konzerten verzieht sich die Band jeweils direkt in ihren Tourbus. «Andere Bands unseres Levels sind meist in Privatjets unterwegs. Mick will das nicht.» Auf der Fahrt zum nächsten Auftrittsort legt sich Roman erst für eine Weile in die obere Lounge, liest ein Buch oder schaut auf die Strasse, «zum Runterkommen». Dann geht er nach unten, zischt zwei, drei Bierchen mit seinen Bandkollegen, DJ Hucknall legt coole Musik auf. «Unsere Party machen wir im Bus. Wir verstehen uns prima, sind wie Brüder.» Zwischen den Tourneen aber sieht sich die Band fast nie. «Doch auf unserem Whatsapp-Kanal kommunizieren wir täglich, etwa bei den Geburtstagen unserer Kids.» Fast jährlich lädt der Chef seine Band zu sich nach London ein. «Mick bekocht uns immer aufs Feinste, er liebt gesundes Essen.» Roman schmunzelt. «Auch sein Weinkeller lässt keine Wünsche offen.»
Im Frühling 2025 gehts wieder auf Tour, mit zehn Sattelschleppern Material: 40 Jahre Simply Red! Zuerst Konzerte in Lateinamerika.«Dort gehen die Leute richtig ab!» Im Herbst 2025 gastiert die Band im Hallenstadion Zürich. «Heimspiel! Das wird richtig geil.»
Mitte März 2024 fliegt Roth nun aber bald wieder nach London: Dort trifft sich die Band das erste Mal seit Schaffhausen wieder. Ein Lastwagen wird Romans Schlagzeugset von einem Lagerhaus in Birmingham ankarren: In einem Proberaum in der englischen Hauptstadt spielen Micks Mannen ihr Konzertrepertoire dann ein paar Mal durch. «Wir werden top parat sein.» Beim Snowpenair ob Grindelwald BE gibt Simply Red am 23. März das weltweit einzige Konzert dieses Jahr. «Vor Eiger, Mönch und Jungfrau zu spielen – das wird simply cool!»