Beim ersten Schritt in den Wohn- und Essbereich wird klar: Hier lebt ein Familienmensch. Auf dem Fenstersims, der Kommode und der eingebauten Vitrine stehen unzählige Familienfotos. «Das waren alles schöne und unvergessliche Momente», sagt Karina Berger, 52. Auf einigen Bildern sind ihre verstorbenen Eltern zu sehen, auf anderen lachen ihre Töchter Shenay, 13, und Noemi, 26, Gatte Thomas, 53, sowie Freunde. «Ich sehe sie viel lieber so, als dass ich ins Handy schaue.» Bilder sind bei der Miss Schweiz 1988 ein grosses Thema. Ihr Vater war Vergolder und hat ihr viele Bilder hinterlassen, die nun eine Wand in ihrem Büro schmücken. Denn: «Von Sachen, die jemandem viel bedeutet haben, kann ich mich schwer trennen.»
Aber auch neue Gemälde finden ihren Weg ins Einfamilienhaus ausserhalb von Zürich. «Sie müssen mir gefallen, eine Geschichte erzählen, und ich muss bereits einen Platz im Haus dafür sehen.»Des Weiteren legt die Zürcherin Wert auf schönes, indirektes Licht und liebt Kerzen, die nach Amber duften. Lichtschalter und Steckdosen findet sie «furchtbar hässlich». Bei der Einrichtung hat sie freie Hand. «Mein Mann vertraut mir. Aber ich würde nie grössere Anschaffungen ohne seine Zustimmung machen – ausser es sind Geschenke wie der Gottlieb-Flipperkasten aus den 70er-Jahren.» Diesen schenkte sie ihm zum 20. Jahrestag, da das Paar in den 90ern viel zusammen «gflipperet» hat.
Vor 24 Jahren erwarben Karina Berger und Thomas Russenberger das Haus aus dem Jahr 1911. «Es war ein rechtes Abenteuer, wir haben viel selber renoviert, da uns das Budget fehlte. Ich habe mindestens zwei Monate in diesem ehemaligen Zweiparteien-Haus gearbeitet, bevor wir eingezogen sind.» Tapeten raus, Wände verputzen und streichen. Wo früher ein Gäste-WC war, befindet sich heute die Garderobe. Wo eine kleine Küche war, das Badezimmer. Dieses hat das Paar weiss verputzt, von Keramikplatten keine Spur. «In der Hausschätzung steht: ‹Eigenwillige Renovation›», sagt Berger lachend. Als ihr ein «Chuchichäschtli» auf den Kopf fiel, renovierten sie vor 15 Jahren auch die Küche im Erdgeschoss.
Hier hat der Marmormörser ihrer spanischen Urgrossmutter Platz. Auf dem Esstisch stehen zwei Blumensträusse. «Ich kaufe gerne auf Märkten oder in Quartierlädeli ein. Shoppen muss für mich ein Erlebnis sein.» 26 Jahre stand die zweifache Mutter fast täglich mittags und abends in der Küche. Mittlerweile ist Noemi ausgezogen, und auch Shenay bleibt über Mittag ausser Haus. «Es ist die am wenigsten intensive Zeit meines Lebens», sagt die Event-Organisatorin. «Wegen Corona wurden fast alle Events bis Ende April 2021 abgesagt.»
2014 gründeten Karina Berger und ihr Mann die Eventagentur Russen&Berger, als sie als Mitorganisatorin der Miss-Schweiz-Organisation ausstieg. 20 Jahre lang organisierte und managte Berger, die 1988 selber die Schönheitswahl gewann, die Missen. Jede der Amtsinhaberinnen lebte während der turbulenten Anfangszeit gar unter ihrem Dach. In der Vitrine zwischen dem Silbergeschirr ihrer Mutter und Flohmarkt-Trouvaillen liegt unauffällig die Miss-Schweiz-Krone – eine Erinnerung an eine unter Karina Berger erfolgreiche Ära. Die neuen Organisationsbesitzer gingen nun in Konkurs.
Auf dem grössten Bild des Hauses prangt ein einäugiger Hund. Dieser blickt vom Wohnbereich, in dem Karina Berger öfters neue Rezepte studiert, bis zur Esszimmerwand, die ein Gemälde von Künstler Nicolas Galtier ziert. Der neue Herr des Hauses ist aber Joey. Vor eineinhalb Jahren kam der Strassenmischling aus einem ungarischen Tierheim zur Familie Berger-Russenberger. Dank Joey, der nach einer Figur aus der Sitcom «Friends» benannt ist, bekommt Karina Berger auch während der Pandemie täglich frische Luft. Dreimal pro Woche trainiert sie zudem mit ihren Personal Trainer Sämi und Raphy vom Nextlevel Sports Club. «Sie haben mich fit für ‹Darf ich bitten?› gemacht.» Nach zehn Jahren Bandscheibenproblemen und ohne Sport tanzte sie sich in der SRF-Show ins Final und liebäugelt jetzt gar mit einer Ausbildung zur Personal Trainerin. «Ich freue mich wirklich sehr, dass ich mein Ziel, wieder fit zu werden, so erreichen konnte. Es geht nach 50 langsamer, aber wenn man will, ist vieles möglich!»