Fokussieren – das kann Werner Salzmann (59) gut. Immerhin ist Schiessen sein grosses Hobby, wie er beim Besuch in seinem Einfamilienhaus im 200-Seelen-Weiler Mülchi im Berner Mittelland erzählt. «Am Sport mag ich, dass man alles andere ausblenden muss, um gut zu treffen.» Zweimal Bronze hat der ehemalige Präsident des Berner Schiesssportverbands einst an den Schweizer Meisterschaften gewonnen. «Wichtig ist, dass man das Visier scharf im Blick hat, nicht die Zielscheibe», erklärt der SVP-Ständerat, während er sein Sturmgewehr auf dem Esszimmertisch putzt.
Nun zielt Salzmann auf das höchste Amt in Bundesbern: den Sitz des zurückgetretenen SVP-Bundesrats Ueli Maurer. Dass er, wie die NZZ mutmasst, aus taktischen Gründen mit seiner Bundesratskandidatur als Erster vorpreschte, stimme nicht. «Ich habe eine Lagebeurteilung gemacht, so wie ich das immer vor wichtigen Entscheiden tue. Und diese hat ergeben: jetzt oder nie!» Zum einen sei das Pflichtenheft der SVP an einen Bundesratskandidaten wie für ihn geschrieben, zum anderen gaben ihm seine vier erwachsenen Kinder und seine Frau grünes Licht. «Ihre Unterstützung war für mich das wichtigste Kriterium.»
Sie, die verspielte – er, der zackige
Strukturiert und zackig «Werner war immer sehr zielstrebig», sagt seine Frau Romy (62). Die Primarlehrerin und der studierte Agrarwissenschafter, der heute neben seinem Amt als Ständerat als Chefexperte bei der kantonalen Steuerverwaltung arbeitet, sind seit rund 40 Jahren ein Paar. Im ausgebauten Keller des Hauses teilen sie sich ein Büro. Seine Seite: zwei Laptops, zwei Bildschirme, ein Locher. Ihre Seite: unzählige Fächli mit Stiften, Gümmeli und Post-its in allen Farben. «Meine Frau ist die Verspielte, Kreative», sagt er. «Du bist der Zackige, Strukturierte», sagt sie. Kennengelernt haben sie sich, «wie das damals halt so üblich war», auf dem Tanz. «Werner ist lieb, zuverlässig und ein Familienmensch.» Klar könne er manchmal auch ausrufen und sehr direkt sein. «Dafür weiss man stets, woran man bei ihm ist.»
Salzmann blickt aus dem Fenster. Der Nebel, welcher um diese Jahreszeit das Bauerndorf oft dick einhüllt, hat sich verzogen, die Schweizer Flagge im Garten flattert in der Sonne. «Ich liebe die Idylle hier», sagt er. Lärm kommt nur von den Traktoren wie jenem von Salzmanns Bruder Peter, der den elterlichen Bauernhof bewirtschaftet.
«Nicht nur ein Militärkopf» Salzmanns Kindheitstraum war ebenfalls, Bauer zu werden – doch er merkt schnell: Sein Weg führt in eine andere Richtung. «Schon als Lehrling habe ich die Führung übernommen, das liegt mir einfach.» In der Armee bekleidet Salzmann, der die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats präsidiert, den Rang des Oberst. «Ich bin noch immer im Dienst», wie er nicht ohne Stolz betont. Obwohl er an vorderster Front gegen die Initiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» kämpfte und auch heute nicht versteht, warum angesichts der Bedrohung Russlands die Leute keine Munition zu Hause haben dürfen – er sei nicht nur ein Militärkopf! Das zeige nur schon ein Blick auf seine diversen Einsitze, von der Verkehrs- über die Ge- schäftsprüfungskommission bis hin zur OSZE-Delegation. «Unser Land besser auf Krisen vorzubereiten, das ist meine Motivation für das Amt. Da kann ich etwas beitragen.»
«Meine Frau wird mich beim Englisch noch etwas coachen» Werner Salzmann
Er ist kein Rebell
Das Bundesratsgen, es liegt bei Salzmanns in der Familie. An der Wand im Wohnzimmer hängt das Ölbild von Ruedi Minger, dem legendären Grün- der der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, die heute SVP heisst. Minger war in den 30ern der erste Bundesrat der Partei. «Mein Ururgrossvater Fritz war sein Cousin», erzählt Salzmann. Auch sein Vater politisierte für die SVP, «und ich habe schon als Zwölfjähriger geholfen, Unterschriften für das Referendum zum Raumplanungsgesetz zu sammeln». Rebellieren? Nein, das war für Salzmann nie ein Thema. Mit 20 tritt er der Partei bei, mit 24 übernimmt er erste Ämter auf Gemeindeebene.
Die Enkel nennen ihn «Döttu»
Die Enkelkinder Leonie (12) und Luc (10) sind wie üblich einmal die Woche zum Zmittag gekommen. Gekocht hat Moni, Salzmanns Schwägerin. «Ich bewirte sonst häufig Gäste – am liebsten mit einem Rindsfilet», sagt er. Leonie erzählt ihrem «Döttu», dass sie in der Schule gefragt wurde, ob er denn Bundesrat werde. Hört man sich in Bern um, trauen ihm Kollegen von links bis rechts das Amt zu. «Ich nehme Werner Salzmann als sehr führungserfahrene und führungsstarke Persönlichkeit wahr. Er ist sehr gradlinig und verlässlich», sagt sein Ständeratskollege Daniel Jositsch von der SP. «Werner verfügt über ein fundiertes Wissen – weit über die Sicherheitspolitik hinaus. Wenn er von der Fraktion nominiert wird, ist er ein starker Kandidat», lobt FDP-Präsident Thierry Burkart.
Salzmann ist klar, dass er es neben Kronfavorit Albert Rösti schwer haben wird, als zweiter Berner aufs Ticket zu kommen. «Allerdings tickt die Fraktion oft anders als die Medien.» Seinen guten Kollegen Albert habe er sofort angerufen, als sein Entscheid fest- stand. «Er wünschte mir Glück.» «Ich weiss, dass Werner Lust hat auf dieses Amt, darum unterstütze ich ihn», sagt Gattin Romy Salzmann. Er schmunzelt: «Sie hat mir versprochen, dass sie mich noch etwas coachen wird beim Englisch.» Im Gegensatz zu Französisch, das Salzmann nicht nur bei Reisen an ihren Sehnsuchtsort Frankreich oft nutzt, bestehe da noch Aufholbedarf. Ansonsten geht er die nächsten Wochen an wie den Schiesssport: alles andere ausblenden. «Wenn ich das Gefühl habe, etwas sei richtig, schaue ich nicht auf die Konkurrenz.»