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  4. Walter Andreas Müller: Der grosse Volksschauspieler wird 80!
Happy birthday, Walter Andreas Müller!

Vom kleinen Cowboy zum grossen WAM

Er begann im Wilden ­Westen, und die SRF-Sitcom «Fascht e Familie» machte ihn bekannt. Berühmt ist Walter Andreas Müller für seine Parodien als Blocher. Und dank Globi ist er ­legendär. Jetzt wird die Schauspiel-Ikone 80!

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<p>«Ich hatte Glück, dass ich im ­richtigen Moment den richtigen ­Menschen begegnet bin», sagt WAM mit Blick auf seine Karriere.</p>

«Ich hatte Glück, dass ich im richtigen Moment den richtigen Menschen begegnet bin», sagt WAM mit Blick auf seine Karriere.

Geri Born

Der Rummel um seinen Geburtstag nervt Walter Andreas Müller (79). Nicht weils der achtzigste ist, sondern grundsätzlich. «Ich feiere nie!», brummt WAM, wie er landauf, landab genannt wird. Doch seinen Ehrentag zu ignorieren, ist keine Option. Immerhin gehört WAM zur Garde der grossen «Volksschauspieler», die in den 1990er-Jahren die Schweizer Fernsehlandschaft prägten.

<p>Hoch oben: Walter Andreas Müller auf dem Dach ­seines <br /> Erdhauses im Zürcher Oberland. Es ist seit über 25 Jahren sein <br /> Zuhause.</p>

Hoch oben: Walter Andreas Müller auf dem Dach seines Erdhauses im Zürcher Oberland. Es ist seit über 25 Jahren sein Zuhause.

Geri Born

So grummelig er sich im Vorfeld gab, so heiter ist er beim Besuch in seinem Erdhaus im Zürcher Oberland. Dabei bescherte ihm der Dauerregen am Vortag des 1. August noch einen Wasserschaden im Parterre des 180-Quadratmeter-Domizils. «Das Wasser hat sich wohl einen Weg durch ein undichtes Fenster gebahnt», sagt WAM und zeigt auf die Stelle, wo sich ein kleiner See gebildet hatte. Der ist zwar beseitigt, «aber es schmöckt noch leicht muffig», entschuldigt sich der Schauspieler und steigt behände die Wendeltreppe zum Wohnbereich empor.

WAM ist auch mit fast 80 noch fit. «Mit 50, als mir klar wurde, dass die Hälfte meines Lebens vorbei ist, grübelte ich, wie es wohl sein wird mit 60 und ob ich dann schon an Demenz leide? Ich wurde 60, 70 – und Gopfridstutz, es war immer noch gleich wie mit 40 oder 50. Sogar jetzt, kurz vorm Achtzigsten, fühle ich mich gleich. Abgesehen von kleinen Zipperlein bin ich agil – ein ungeheures Geschenk!»

<p>Auf der Sonnenseite: Trotz dem frühen Tod seiner Mutter und dem Schlaganfall seines Partners, der heute im Pflegeheim lebt, sagt WAM, er sei ein «Glückskind».</p>

Auf der Sonnenseite: Trotz dem frühen Tod seiner Mutter und dem Schlaganfall seines Partners, der heute im Pflegeheim lebt, sagt WAM, er sei ein «Glückskind».

Geri Born

Er fährt bis heute Ski und spielt Golf. Vor zehn Jahren fing er damit an, «um mich zu bewegen und draussen in der Natur zu sein»; seit Kurzem hat er Handicap 35, «aber nur, damit ich auf bestimmten Plätzen spielen kann». WAM isst gern gut, gönnt sich dazu einen feinen Wein – und zündet sich hin und wieder eine edle Zigarre an. «Aber ich paffe nur!» Das Einzige, zu dem ihm die Ärztin nach dem letzten Check riet, ist eine Tablette zur Senkung des Cholesterinspiegels. «Die nehme ich jetzt halt jeden Morgen.»

<p>Morgenritual: Ein frisch gepresster Orangensaft gehört für Walter Andreas Müller zum Start in den Tag.</p>

Morgenritual: Ein frisch gepresster Orangensaft gehört für Walter Andreas Müller zum Start in den Tag.

Geri Born

Er könnte seit 15 Jahren sein Leben als Pensionär geniessen. Doch sein Beruf ist seine Berufung. Selbst am 3. September – seinem 80. Geburtstag – steht Müller auf der Bühne: Im Casinotheater Winterthur an der Premiere der Geburtstagskomödie «Dinner for WAM».

Was inspiriert Sie nach 55 Jahren auf der Bühne noch heute, jeden Tag Ihr Bestes zu geben?

(Lacht.) Grundsätzlich ist es das Gefühl von einem Hamster im Rad. Der läuft und läuft – und kann nicht abspringen. Aber im Ernst: Zum einen ist es die Faszination meines Berufs. Das Metier fordert mich jeden Tag neu. Zum anderen sehe ich jede Vorstellung als Premiere. Wenn ich abends ins Theater komme, sitzen da Besucher, die das Stück zum ersten Mal sehen. Meine innere Überzeugung ist, dass sie alle ein Anrecht auf eine Premierenvorstellung haben. Ich kann mich nicht auf die Bühne stellen und sagen: «Mir stinkts!» Mein Beruf ist mein Leben. Ich habe das Glück, dass dieser Beruf mich ausgesucht hat. Ich selbst habe nicht viel dazu beigetragen. Er ist mir zugeflogen. Ich habe den schönsten Beruf und nie das Gefühl, etwas anderes machen zu wollen.

Haben Sie nie daran gedacht, zumindest kürzerzutreten?

Das schon. Als ich 75 wurde, kamen mir so Gedanken wie: Man soll aufhören, wenns am schönsten ist, man körperlich gesund, geistig agil und flexibel ist. Bei jeder Produktion sagte ich mir: Das jetzt ist die letzte. Doch dann kam wieder eine Anfrage, und ich fand: So ein schönes Stück! Das mache ich noch. Bis heute ist das so geblieben (lacht).

Auf dem gläsernen Esstisch zwischen Küche und Wohnzimmer hat WAM einige Fotoalben ausgebreitet. Blickt er aus dem Fenster, sieht er an prächtigen Tagen sogar die Rigi. Im Moment hat er aber nur Blicke für die Fotografien, die sein Vater Walter vom kleinen «Wädeli», wie WAM als Kind gerufen wurde, gemacht hat. Auf deren Rückseiten finden sich kleine Bleistiftnotizen. Ein Bild zeigt WAM mit seiner Mutter, wie sie ihn im Waschzuber badet.

<p>… an seine Mutter: Der kleine «Wädeli» ist viereinhalb, als er sie zum letzten Mal sieht. Sie starb, als er gerade fünfjährig war.</p>

… an seine Mutter: Der kleine «Wädeli» ist viereinhalb, als er sie zum letzten Mal sieht. Sie starb, als er gerade fünfjährig war.

ZVG

Erinnern Sie sich noch an Ihre Mutter?

Der Tag, an dem ich sie das letzte Mal sah, grub sich fest in mein Gedächtnis ein. Ich war viereinhalb und hörte morgens ein dumpfes Poltern. Ich ging ins Schlafzimmer, und da lag meine Mutter am Boden; sie hatte einen epileptischen Anfall. Ich rannte die Treppe rauf zur Nachbarin, sie rief die Ambulanz. Das Letzte, was ich von meiner Mutter sah, war, wie sie auf einer Trage ins Sanitätsauto geschoben wurde und davonfuhr. Sie starb, als ich fünf war, aber ich sah sie vor ihrem Tod nie mehr, da ich als Kind nicht zu ihr ins Spital durfte.

Ihr Vater heiratete nochmals, da waren Sie elf. Wie war das Verhältnis zu Ihrer Stiefmutter?

Ich bezeichnete sie nie als Stiefmutter. Sie war meine Mutter. Aber ich gebe zu, das erste Jahr, nachdem sie zu uns gezogen war, zeigte ich mich nicht gerade von meiner besten Seite. Doch ich spürte schnell, dass sie eine wirklich herzensgute Frau ist. Eines Morgens fasste ich mir ein Herz, ging zu ihr und sagte, dass ich sie ab sofort «Mami» nennen würde. Sie ist vor fünf Jahren gestorben – mit 97.

Ein Foto zeigt WAM als jungen Mann – volles Haar, weisses Hemd, akkurat gebundene Krawatte. «Das war ich in der Lehre zum Verlagskaufmann bei Musik Hug in Zürich.» Erst danach machte er seine Ausbildung zum Schauspieler am damaligen Bühnenstudio Zürich – und suchte anschliessend sein Glück in Deutschland.

<p>Erinnerungen … Hinten auf fast jeder der vielen Schwarz-weiss-Fotos findet sich eine kleine Bleistiftnotiz seines Vaters.</p>

Erinnerungen … Hinten auf fast jeder der vielen Schwarz-weiss-Fotos findet sich eine kleine Bleistiftnotiz seines Vaters.

Geri Born

Was war Ihre erste Theaterrolle?

Das war in einem Musical mit dem blöden Namen: «In Ehrenfeld ist heute Wilder Westen». Ehrenfeld ist ein Kölner Stadtbezirk. Ich spielte einen kleinen Cowboy, war lange Zeit auf bubenhafte Rollen abonniert. Bis ich 35 war, sah ich sehr jugendlich aus, ausserdem war ich nie sehr gross.

Apropos Grösse: Messen Sie 165, 162 oder 162,5 Zentimeter? Diese drei Zahlen geistern herum.

Beim letzten Check-up sagte die Ärztin, dass sie mich mal messen müsste. Ich erwiderte, sie könne sich das sparen, ich wüsste, dass ich 1,62 Meter sei. Ich musste trotzdem unter den Grössenmessstab, und sie offenbarte mir, dass da 1,59 Meter angezeigt seien. Ich sagte ihr, dass ich das «scheisse» fände und sie bitte, 1,60 Meter in den Unterlagen zu notieren. Sie tat mir den Gefallen. Auf meiner neuen ID steht jetzt «160 Zentimeter». Aber ich bin quasi auf dem absteigenden Ast (lacht).

Ein Foto zeigt WAM Anfang der 80er-Jahre als Moderator im Radiostudio Zürich. Nach drei Jahren in Deutschland kehrte er 1972 in seine Heimat zurück. «Mir war klar geworden, dass dort niemand auf mich als Schauspieler gewartet hatte.» Doch auch hierzulande kann er von seinen ersten Engagements an Kleintheatern nicht leben. Er arbeitet fürs Radio, ist Hörspielsprecher, spielt unzählige Musical- und Theaterrollen, macht sich einen Namen als Kabarettist und Imitator – und wird 1976 die Stimme von Globi. Dank dem Kultvogel wird er selbst zur Legende. Und natürlich sind da seine grossartigen Parodien: Ob SVP-Urgestein Christoph Blocher, die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Schweizer Bundesräte wie Moritz Leuenberger und Samuel Schmid – WAM bringt mit seinem Talent, Politiker auf die Schippe zu nehmen, das Publikum zum Lachen.

<p>… an seine Zeit beim Radio: 42 Jahre war er Sprecher und Moderator bei SRF 1 und SRF Musikwelle. Sein Dienstkürzel WAM wurde zu seinem Über­namen.</p>

… an seine Zeit beim Radio: 42 Jahre war er Sprecher und Moderator bei SRF 1 und SRF Musikwelle. Sein Dienstkürzel WAM wurde zu seinem Übernamen.

ZVG

Wie sind Sie dort angekommen, wo Sie heute stehen – Talent oder Fleiss?

Beides. Das Schicksal hat mir eine Begabung geschenkt. Dazu kommt, dass ich drangeblieben bin, wie man so sagt. Ich versuchte stets, immer etwas besser zu werden. Und nicht zuletzt kam dazu, dass ich im richtigen Moment am richtigen Ort den richtigen Menschen zur richtigen Zeit begegnete. Das hat wohl mit Glück zu tun – und das hatte ich.

<p>Gartenfreude: Sein Bougainvillea-Hochstämmchen hegt und pflegt WAM penibel. Was verblüht ist, wird ausgerupft.</p>

Gartenfreude: Sein Bougainvillea-Hochstämmchen hegt und pflegt WAM penibel. Was verblüht ist, wird ausgerupft.

Geri Born

Sie sind also ein glücklicher 80-Jähriger?

Absolut! Wenn ich täglich in den Nachrichten sehe, was auf der Welt abgeht, wird mir bewusst, wie dankbar ich sein kann, mein Leben in der Sicherheit und Geborgenheit dieses Landes verbringen zu dürfen.

René Haerig, Ringier
René HaenigMehr erfahren
Von René Haenig am 1. September 2025 - 06:00 Uhr