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Nicole Loeb über das Jelmoli-Aus

«Die Ansprüche sind gestiegen»

Mit der Schliessung von Jelmoli ist eine Zürcher Ikone bald Geschichte. Das bedeutet nicht das Ende der Warenhäuser, sagt Nicole Loeb. Die Chefin der Berner Loeb-Gruppe über besondere Kundenpflege, ihr Lieblingswarenhaus und liberale Öffnungszeiten.

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Nicole Loeb

Nicole Loeb im Verkaufshaus in Bern. «Kuscheldecken und Haushaltsartikel laufen besonders gut.» Die Loeb-Gruppe beschäftigt 350 Mitarbeiter.

Urs Bigler

Das Aus nach 125 Jahren! Die Nachricht vom Ende des Traditionswarenhauses Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrasse erreicht Nicole Loeb (55) beim Skifahren in Schönried BE. «Ich war sehr überrascht», sagt die Chefin der Loeb-Warenhäuser in Bern, Biel und Thun. Ersteres gibts seit 141 Jahren.

Nach Manor verschwindet mit Jelmoli ein weiteres Traditionshaus aus der Zürcher Innenstadt. Nicole Loeb, kommt die Kundschaft nun zu Ihnen nach Bern?
Natürlich sind alle Kundinnen und Kunden jederzeit willkommen bei uns.

Gab es in Zürich für Jelmoli mit Globus gleich ums Eck zu viel Konkurrenz?
Ich bin der Überzeugung, dass Konkurrenz etwas Gutes ist. Die Vielfalt von Geschäften macht ja eine Stadt attraktiv. Das gilt für die Gastronomie genauso wie für den Detailhandel.

René Zahnd, CEO von Jelmoli-Eigentümer Swiss Prime Site, sagt: «Ein derart grosses Warenhaus, das von der Pfanne über die Handtasche bis zum Turnschuh alles bietet, lässt sich heute einfach nicht mehr rentabel betreiben.» Stimmen Sie dem zu?
Nein, bei einem Warenhaus ist genau dieser Gesamtmix für die Kundschaft das Spannende. Was aber in jedem Unternehmen wichtig ist: Es braucht eine klare Strategie und Fokussierung. Nur ein gutes Sortiment anzubieten, reicht heute nicht mehr. Was ist denn die Strategie bei Loeb? Wir haben den Anspruch, das persönlichste Warenhaus der Schweiz zu sein.

Das klingt toll. Aber am Schluss kommt es auch bei Ihnen nur auf die Umsätze an!
Klar prüfen wir unsere Abteilungen auch regelmässig auf ihre Rentabilität. Aber wenn ich etwa in den USA in ein Warenhaus gehe, wo nicht investiert wurde, die Produkte lieblos rumliegen und es an Personal fehlt, bleiben auch die Kundinnen und Kunden fern. Zudem: Die Ansprüche sind gestiegen. Die muss man erfüllen.

Jelmoli hat in den letzten zwei Jahren viel umgebaut und modernisiert. Wann waren Sie zuletzt vor Ort?
Um Weihnachten. Jelmoli kann man sicher nicht vorwerfen, dass es an Innovation fehlte – im Gegenteil.

Schlaflose Nächte wegen Corona

Ein grosses Thema in Zürich sind die horrenden Mietpreise an der Bahnhofstrasse.
Eine grosse Immobiliengesellschaft als Eigen- tümerin eines Warenhauses hat unter Umständen andere Ansprüche, als wenn das Warenhaus wie bei uns in Familienbesitz ist – auch wenn wir ebenfalls Aktionärinnen und Aktionäre haben, die ihre Rendite einfordern. Ich bin eine davon.

Wegen Corona erlebte der Detailhandel harte Zeiten. Dachten Sie mal ans Ende?
Als die Behörden unsere Läden schlossen – diesen Moment werde ich nie im Leben vergessen. Das Loeb-Warenhaus hat zwei Weltkriege, die Spanische Grippe, die Öl- und die Finanzkrise miterlebt – und immer blieb das Geschäft offen. Wegen Corona konnte ich plötzlich meine DNA nicht mehr leben, hatte keinen Umsatz mehr und musste trotzdem Löhne zahlen. Da schlief ich schon eine Weile schlecht.

Wie geht es Loeb heute?
Gut. Obwohl es im operativen Geschäft mit dem Kriegsausbruch Ende Februar in der Ukraine wieder einen Dämpfer gab. Wichtig für uns: Das Weihnachtsgeschäft lief sehr gut.

Nicole Loeb

Seit 2005 führt die Bernerin das 141-jährige Familienunternehmen Loeb als Delegierte des Verwaltungsrats in der fünften Generation.

Urs Bigler
Partnerschaft mit Zalando

Die Online-Konkurrenz wird immer grösser. Warum soll man noch ins Warenhaus?
Weil wir der Kundschaft ein Erlebnis bieten, das sie ihm Netz nicht finden. Ein Beispiel: An einem Samstagnachmittag wollte ein Kunde eine 10 000 Franken teure Berkel-Aufschnittmaschine kaufen – aber nur, wenn diese am Abend in seinem Chalet im Berner Oberland steht. Also fuhr der Geschäftsführer am Abend hoch. Das nenne ich Kundenpflege. Mein Vater hat in den 70er-Jahren das Loyalitätsprogramm mit Kundenkarte in die Schweiz gebracht – heute nutzen dies praktisch alle Warenhäuser. Was super ankommt, sind unsere Events wie etwa die Ladies Night, an der sich Frauen unter anderem vor Ort tätowieren lassen konnten. Das war besonders begehrt (lacht). Oder ein Herrenabend mit Spieltisch. Wir haben einen Kinderhort, die schönsten WCs von Bern und ab dem Sommer ein Rooftop-Restaurant mit Sicht auf die Berge. Ohne solche Zusatzservices gehts nicht mehr – das ist der Unterschied zu früher.

Jelmoli war in Sachen E-Commerce ein Spätzünder. Sie arbeiten seit einem Jahr mit Zalando. Wie läuft das?
Gut – ohne genaue Zahlen nennen zu können. Als kleiner Player hätten wir viel Geld in die Hand nehmen müssen, um nur annähernd so gut zu sein wie Zalando. Deshalb macht die Partnerschaft Sinn. Wir können bestimmen, was wir über die Plattform anbieten, die Risiken sind begrenzt.

Sie haben zwei Töchter. Treten sie mal in Ihre Fussstapfen?
Die ältere ist 22 und geht Richtung internationale Beziehungen, die jüngere ist 20 und interessiert sich für die Gastronomie. Es ist also noch völlig offen – und ich setze da keinen Druck auf. Das haben auch meine Eltern bei mir so gehandhabt, wofür ich ihnen dankbar bin. Als ich Mitte 30 ins Geschäft einstieg, passte das für mich.
 

«Bedaure, dass wir am Samstag um 17 Uhr schliessen müssen»

Welches ist Ihr Lieblingswarenhaus?
Harrods in London. Ich war vor Weihnachten vor Ort, und wenn ich da reinlaufe und die Deko sehe, wird es mir warm ums Herz. Lassen Sie sich im Ausland inspirieren? Absolut, ich bin etwa letztes Jahr nach New York gereist, staunte bei Saks Fifth Avenue über viel Luxus. Ein anderer Trend in den USA geht Richtung «resale», früher nannte man das secondhand. Wir arbeiten da etwa mit Reawake zusammen.

Wie Jelmoli … Apropos: 850 Angestellte verlieren ihren Job. Wie waren die Reaktionen bei Ihren Mitarbeitenden?
Das hat sie stark beschäftigt. Wie bei Jelmoli gibt es auch bei uns viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten angestellt sind. Bei mir wurde kürzlich eine Frau nach 44 Jahren pensioniert. Das Warenhaus ist eine Art Familie. Darum sind wir seit Kurzem alle per Du bei uns. Das ist in unserer formellen Branche noch selten.

Im Ausland haben die Warenhäuser oft auch sonntags geöffnet. Würden liberale Öffnungszeiten in der Schweiz helfen?
Jeden Sonntag offen zu haben, ist kein Kundenbedürfnis. Aber dass wir in Bern am Samstag bereits um 17 Uhr schliessen müssen, bedaure ich sehr.

Sie führen Loeb in der fünften Generation. Haben Sie nie Angst, dass das Warenhaus ein Auslaufmodell ist?
Die Warenhäuser wurden schon 100-mal totgesagt. Etwa bei der Ölkrise in der 70er-Jahren. Man muss sich anpassen, innovativ sein. Handel ist Wandel, dieser Spruch begleitete schon meinen Vater.

Jessica Pfister
Jessica PfisterMehr erfahren
Interview: Jessica Pfister am 10. Februar 2023 - 17:02 Uhr