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Die grosse Zahl

Warum macht man so ein Ding um den 30. Geburtstag?

Dem 18. Geburtstag fiebern die allermeisten freudig entgegen. Denn mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben winken neue Freiheiten und mehr Selbstbestimmung. Mit zunehmendem Alter, wenn es etwa auf die Zahl 30 zugeht, verändert sich die Einstellung zum bevorstehenden Geburtstag. Wir haben bei einer Psychologin nachgefragt, weshalb uns die Zahl 30 so beschäftigt.

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Symbolbild Mann der seinen 30. Geburtstag feiert mit Freunden

Den 30. Geburtstag muss man feiern, darüber sind sich viele einig.

Getty Images

Der herannahende 30. Geburtstag fühlt sich für manche Menschen wie eine drohende schwarze Wolke an. Weshalb ist das so?
Dazu haben die Menschen eigentlich keinen Grund. Mit 30 haben die Betroffenen heute so viele Optionen offen wie kaum eine andere Altersgruppe sowie keine Generation zuvor. Allerdings kann die 30 für einige als ein Mahnzeichen empfunden werden, dass es nun beruflich und privat ernst wird. Dabei geht es etwa um die Frage nach der zufriedenstellenden und gutbezahlten Arbeitsstelle oder der Familiengründung.

Machen wir uns selbst mehr Druck oder ist es vor allem der Druck von anderen?
Beides trifft zu. Die Arbeitswelt stellt ihre Bedingungen und die Familie kann häufig ebenfalls Druck machen bezüglich Familienplanung, also Heiraten und Kinder kriegen. Der soziale Druck ist mehr oder weniger explizit da, man vergleicht sich jedenfalls mit anderen, die erfolgreich sind – und man will mithalten können. 

Welche Personen aus unserem Umfeld machen ein grösseres Ding um unseren runden Geburtstag, diejenigen unter 30 oder diejenigen über 30?
Wohl eher die über 30. Die unter 30 sehen das zumeist nicht so eng, da sie selber weniger sozialem Druck ausgesetzt sind.

«Das kalendarische Alter ist keine zwingende Grösse mehr für die Gestaltung des Lebenslaufes»

Warum feiern viele Menschen ihren 30. Geburtstag ausgiebiger als ihren 20.?
Mit 20 ist noch so vieles in der Schwebe. Mit 30 hat man aber doch schon einiges erreicht, gleichzeitig hat man aber noch wichtige Ziele vor sich, die man in der Zukunft erreichen möchte. Diese Lebenszwischenbilanz zwingt sich mit 30 viel mehr auf als mit 20.

Ist die 30 denn wirklich ein Meilenstein im Leben?
Über die Lebensspanne gesehen zwar kein ganz grosser, aber doch ein wichtiger. Es ist ein Zeitpunkt, wo sich viele gewahr werden, dass sie die jungen Jahre noch richtig nutzen sollten, bevor sie den Lebenszenit erreichen. 

Mit 30 steht man heute an einem anderen Punkt im Leben als noch vor 50 Jahren. Viele Frauen und Männer gründen etwa erst nach 30 eine Familie. Inwiefern wirkt sich diese Veränderung auf den Druck um den 30. Geburtstag aus?
Lebensläufe sind heute weit mehr individuell gestaltbar als früher. Vieles ist zu vielen Zeitpunkten möglich, das kalendarische Alter ist keine zwingende Grösse mehr für die Gestaltung des Lebenslaufes. Die Familiengründung ist eine Frage des günstigen Zeitpunkts geworden. Für einige kommt dieser gar nie – das zeigt etwa der Geburtenrückgang – für viele um die 30 jedoch ist er nun da, weil man sich beruflich und finanziell etwas etabliert hat.

Ist die 30 ein Wendepunkt im Leben, wo man seine Meinungen und Haltungen nochmal drastisch ändert?
Nein. Aber die neuen Lebensziele sind zumeist auch mit neuen Werthaltungen verbunden – etwa mit dem Wunsch nach mehr Verbindlichkeit und Konstanz.  

Können Sie Beispiele für solche neuen Lebensziele machen?
Vieles bekommt eine neue Wertigkeit – ein gesichertes Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf, eine verlässliche Partnerschaft, gesunde Kinder, sich endlich politisch betätigen.

«Unsere Persönlichkeit festigt sich ab 30 und erweist sich von da an als ziemlich stabil über die Lebensspanne»

Wie steht es um unsere Psyche mit 30?
Wie viele Langzeitstudien gezeigt haben, festigt sich unsere Persönlichkeit ab 30 und erweist sich von da an als ziemlich stabil über die Lebensspanne. Auch wenn sich in der Folge unser Selbstbild immer wieder ändert, bleiben wir im Kern die Alten hinsichtlich der Persönlichkeitsdimensionen wie etwa Extraversion, Neurotizismus und Offenheit.  

Wie steht es mit 30 in Sachen Selbstwert und Klarheit, was man im Leben will?
Dies ist eine Frage der jeweiligen Persönlichkeit und daher grossen individuellen Unterschieden unterworfen. Aber ja, die meisten sind spätestens jetzt finanziell und sozial unabhängig, haben klarere Lebensziele und das widerspiegelt sich in einem besseren Selbstwert.

Zur Person

Prof. em. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello Emeritierte Honorarprofessorin Universität Bern
ZVG

Prof. em. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello ist emeritierte Honorarprofessorin am Institut für Psychologie an der Universität Bern.

«Mit 30 hat man generell eine höhere kognitive Geschwindigkeit und Flexibilität als mit 40»

Was kann man mit 30 besser als mit 20?
Aufgrund der zwischenzeitlich gemachten Lebenserfahrung hat man realistischere Lebensziele und Ansprüche, eine gefestigtere Persönlichkeit und zumeist mehr Kompetenz – beruflich wie im Alltag.

Was kann man mit 30 besser als mit 40?
Mit 30 hat man generell eine höhere kognitive Geschwindigkeit und Flexibilität als mit 40. 

Wie schaffen wir es, eine gelassene Haltung einzunehmen, sodass wir unserem 30. Geburtstag total entspannt entgegen schauen können?
Indem man sich erstens bewusst wird, dass die kommenden Jahre so dicht, spannend und mit so vielen Möglichkeiten verbunden sind wie nie zuvor oder danach. Und zweitens, dass man damit die Chance hat, Charakterstärken zu entwickeln, die zeitlebens von Gewinn sein werden – wie etwa Ausdauer, Weitsicht, Selbstverantwortlichkeit, Hoffnung oder Fairness.

Von Sarah Huber am 20. August 2020 - 11:19 Uhr