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Sein Leben als Banker

Was wurde aus SRF-Jass-Schiedsrichter Dani Müller?

Weder Krawatte noch Millionen-Bonus: Dani Müller leitet in Speicher AR die kleinste Bank der Schweiz. Bekannt ist er als TV-Jass-Schiedsrichter. Seine grosse Leidenschaft? Kopfrechnen!

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Schiedsrichter Dani Müller und Moderatorin Monika Fasnacht Samschtig Jass

Bis 2018 war Dani Müller Schiedsrichter der SRF-Sendungen «Samschtig-Jass» (mit Monika Fasnacht) und «Donnschtig-Jass».

Oscar Alessio

Die Credit Suisse beschäftigt 45 680 Mit- arbeiter, die Ersparniskasse Speicher drei. Die Credit Suisse betreibt Filialen auf der ganzen Welt, die Ersparniskasse Speicher hat nicht einmal einen Bancomaten. Bei der Credit Suisse gabs in den letzten 20 Jahren sechs verschiedene Chefs, bei der Ersparniskasse Speicher – einen.

Dani Müller ist ein Appenzeller mit kräftiger Stimme. Ein Banker, der nie Krawatte trägt, «das ist mir ganz wichtig!». Der 57-Jährige verbringt bereits sein halbes Leben bei der Ersparniskasse, der kleinsten Bank der Schweiz. Seit 1991 ist er deren Chef, zwei Angestellte unterstützen ihn zu jeweils 50 Prozent und springen in seinen Ferien ein.

Alles ist klein in der Ersparniskasse in Speicher. Der Vorraum mit dem Kundenschalter, das Sitzungszimmer, aus dem man diesen Schalter sieht, selbst das WC ist schmal und eng. Viel Platz braucht es nicht, denn mehr als zwei Personen arbeiten nie gleichzeitig in der Bank. «Am Anfang war ich hier sogar ganz allein», erzählt Müller. In Eigenregie mal eben eine Bank führen? «Das ist ja nicht so kompliziert.»

Dani Müller, Kleinste Bank der Schweiz,

In der einzigen Filiale in Speicher AR kontrolliert Dani Müller die Schliessfächer der Ersparniskasse.

Geri Born
Die Ersparniskasse gehört zum Dorf wie der Beck und die Metzg

Dani Müller wuchs in Urnäsch AR auf, lebte aber 30 Jahre lang in Speicher, bevor er nach Horn am Bodensee zog. Er gilt also als «Spicherer», was für seine Kunden nicht ganz unwichtig ist. Die Ersparniskasse gehört zum Dorf wie der Beck und die Metzg. Die Mini-Bank hat eine Eigenkapitalquote von 13 Prozent, bei der Credit Suisse sinds nicht mal halb so viel. Vor einigen Wochen machte die Credit Suisse Schlagzeilen, als sie ihren Top-Banker Iqbal Khan überwachen liess. «Ich werde auch überwacht», sagt Dani Müller lachend, «die Nachbarn sehen genau, wann ich morgens in die Bank komme und wann ich abends wieder gehe.»

Zwei alteingesessene Spicherer Bürger gründeten die Bank 1819. Beide verzichteten auf einen Lohn, und maximaler Gewinn war weniger wichtig als das Motto: Geld aus dem Dorf für das Dorf. In der Stiftungsurkunde steht explizit, dass die Bank den Spicherern und anderen Kunden Gelegenheit gibt, «Ersparnisse sicher und zinstragend anzulegen sowie Kredite zu gewähren».

Komplizierte Anlagen, Spekulationen und Hochrisiko-Fonds wie bei Schweizer Grossbanken? «Nein», sagt Dani Müller. «Die Einwohnerinnen und Einwohner von Speicher haben einfach einen Ort, wo sie ihr Erspartes hinbringen und Geld ausleihen können, um ihre Häuser und Wohnungen zu finanzieren.»

Dani Müller, Kleinste Bank der Schweiz,

Dani Müller am einzigen Bankschalter. Karin Rohner und er betreuen 1800 Kunden.

Geri Born
Müller bekam noch nie einen Bonus

Und Dani Müller hat einen Ort, an dem er seine Leidenschaft ausleben kann, doch dazu später. Er muss das Gespräch kurz unterbrechen. Ein Kunde steht am Schalter, und Mitarbeiterin Karin Rohner ist am Telefon. Müller schlüpft durch die Sicherheitsschleuse und begrüsst den alten Mann mit einem lauten «Hoi!».

«Wir besetzen eine Nische und sind für viele Kunden ihre Zweitbank», sagt er, als der Mann weg ist. Ganz ohne Bancomaten geht es für die meisten Kunden nicht. Letzten Frühling wurde das E-Banking eingeführt, demnächst soll das Mobile Banking auf dem Handy folgen. «Viele unserer Kunden sind über 60 Jahre alt. Ein Schwatz muss drinliegen.» Karin Rohner bestätigt: «Die Leute brauchen und schätzen diese Gespräche mit uns.»

Die Gewinnsumme der Credit Suisse lag letztes Jahr bei zwei Milliarden. Die Gewinnsumme der Ersparniskasse bei 118 700 Franken. Tidjane Thiam, CEO der Credit Suisse, erhielt einen Bonus von neun Millionen. Dani Müller bekam noch nie einen. «Fortschritt möglich machen», heisst es auf der Website der Credit Suisse. «Wachstum ist für uns nicht wichtig», sagt Dani Müller.

Dani Müller, Kleinste Bank der Schweiz,

Dani und Claudia Müller wohnen nicht mehr im Appenzell, sondern am Bodensee.

Geri Born
Seit September wieder im TV

Ortswechsel. Mittagessen in der «Hohen Buche» in Trogen AR. Mitarbeiterin Karin Rohner und Dani Müllers Frau Claudia sind auch dabei. Aber drei sind einer zu wenig, also wird ein Mann vom Nachbartisch rekrutiert, und los geht die erste Runde.

Dani Müllers Beruf ist das Banking, sein grosses Hobby aber ist das Jassen, und beides zeugt von seiner Lieblingsbeschäftigung: «Kopfrechnen!» Er strahlt, während er die Karten verteilt. Das Kopfrechnen brachte ihn sogar ins Fernsehen und machte ihn in der ganzen Deutschschweiz bekannt. Bis 2018 war er Schiedsrichter beim «Samschtig-Jass» und beim «Donnschtig-Jass». War eine Runde vorbei, musste er die Punkte der Jasser an die Tafel schreiben. Verrechnet habe er sich nie, sagt Müller. «Konzentrationssache.» Mit Moderatorin Monika Fasnacht ist er seit September wieder im TV zu sehen. Beim Lokalsender Tele Top machen sie die Sendung «Top Jass».

Monika Fasnacht Dani Müller

TV-Comeback: Mit Monika Fasnacht macht Müller seit September die neue Sendung «Top Jass».

ZVG
«Banker haben keine Zeit zum Jassen»

Müller mischt schon wieder die Karten, teilt aus, und innerhalb weniger Minuten ist auch diese Runde Schieber durch. «Jassen ist keine Plauderstunde», sagt er grinsend. «Dani, was soll ich mit diesem Blatt machen?» Karin Rohner ist etwas «eingerostet», wie sie selber sagt. Und Müllers Frau Claudia versucht ihm in die Karten zu gucken. «Er hat mir das Jassen beigebracht, jetzt spiele ich gerne mit ihm – oder gegen ihn.»

Müller selbst lernte das Jassen von seinem Vater. «Jeden Mittag spielten wir von 12 bis 12.20 Uhr. Dann war die Mutter mit dem Essen fertig.» So konnte er das Kopfrechnen trainieren, jahrelang.

Während seiner Zeit als Jass-Schiedsrichter fiel ihm auf, dass vor allem Sportler gut jassen. «Sie sind ehrgeizig und den Wettkampfdruck gewohnt.» Und wie stehts mit den Bankern? Müller lacht. «Ausser mir haben die doch gar keine Zeit zum Jassen.»

LS
Lynn ScheurerMehr erfahren
Von Lynn Scheurer am 10. November 2019 - 15:21 Uhr