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Zwei Ski-Ikonen, zwölf Fragen

Wer ist ordentlicher – Wendy Holdener oder Michelle Gisin?

Schon als Kind sind Wendy Holdener und Michelle Gisin eng miteinander verbunden. In zwölf verspielten Fragen lassen wir die beiden unabhängig voneinander übereinander sprechen – und erhalten Einblicke, die überraschend viel über zwei Ski-Ikonen verraten.

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<p>Michelle Gisin: «Am liebsten laufe ich Wendy auf dem Podest über den Weg.»</p>

Michelle Gisin: «Am liebsten laufe ich Wendy auf dem Podest über den Weg.»

Sven Thomann

Sie gehören zum Schweizer Ski-Palmarès wie nur wenige andere: Bereits als Kinder standen Wendy Holdener (32) und Michelle Gisin (31) gemeinsam am Start – zwei aufgeweckte Mädchen mit leuchtenden Augen und grossen Träumen. Seit 2006 kämpften die beiden bei den Juniorinnenrennen gegeneinander. «Wendy war schon immer das ‹Tempo-Häsli› unter uns. Ich habe ihr stets nachgeeifert», erzählt Michelle Gisin und lacht bei der Erinnerung.

Das «Tempo-Häsli» Wendy Holdener hingegen erzählt: «Die letzten beiden Juniorenjahre hat sie mehr gewonnen als ich, das hat mich gepusht. Ich wollte auch so gut sein wie sie.» Der Start im Weltcup war dann leichter für Holdener, 2012 trafen sie sich dort wieder, und seither fahren sie sich um die Ohren. Aus Konkurrentinnen wurden Freundinnen, die sich über Jahre hinweg zu Höchstleistungen antrieben.

<p>wendy Holdener: «Rücktrittsgedanken waren schon mal präsenter als jetzt.»</p>

wendy Holdener: «Rücktrittsgedanken waren schon mal präsenter als jetzt.»

keystone-sda.ch

Wendy Holdener gewann sechs olympische Medaillen (1 × Gold, 3 × Silber, 2 × Bronze), neun WM-Medaillen und feierte sieben Weltcupsiege bei 54 Podestplätzen.

Michelle Gisin ist zweifache Olympiasiegerin, holte zwei WM-Medaillen und erreichte im Weltcup 21 Podestplätze, darunter einen Sieg.

Heute bewegen sie sich auf unterschiedlichen Routen: Wendy glänzt als Slalom- und Kombispezialistin, Michelle in der Kombi und als Speedfahrerin. Sie trainieren heute selten zusammen, doch wenn sie sich begegnen, ist es, als wäre null Zeit vergangen. Eine Freundschaft, rein wie Neuschnee und beständig wie der Fels darunter. Wir haben beiden unabhängig voneinander zwöf Fragen gestellt

Haben Sie schon mal das Hotelzimmer geteilt, und wenn ja – wer ist ordentlicher?

Holdener: Ja, schon oft. Michelle ist ordentlicher – hat sie das auch gesagt? (Lacht.) Zu meiner Verteidigung: Ich bin die letzten Jahre wirklich ordentlicher geworden.

Gisin: Ich! Ganz bestimmt! Aber das ist keine Herausforderung, Wendy hat immer so viele Sachen dabei. Ich hab schon auch viel Zeugs, aber Wendy hat immer dreimal so viel.

<p>Weggefährtinnen seit Jugendtagen: Michelle Gisin ...</p>

Weggefährtinnen seit Jugendtagen: Michelle Gisin ...

Lukas Maeder

Welche Macke hat die jeweils andere?

Holdener: Sie hört keine Sprachnotizen ab. Also wenn du ihr eine schickst, warte nicht auf eine sofortige Antwort.

Gisin: Sie ist manchmal ein bisschen hektisch. Alles muss immer zack, zack gehen. Dadurch kommt sie aber auch gut vorwärts. Wenn man mit ihr zusammen ist, «kläpfts und tätschts», aber das ist auch das Tolle an ihr.

Wann hat Ihnen die andere schon mal geholfen?

Holdener: Immer wieder. Einmal waren wir in Argentinien im Training und mein Gepäck ist nicht angekommen. Ich durfte dann ihre Slalomausrüstung inklusive Helm etc. ausleihen. Das war grossartig. Aber das ist nur eines von vielen Beispielen.

Gisin: Schon sehr oft. Mein Weg hätte anders ausgesehen, wären wir uns nicht begegnet. Sie hat mich stets mitgezogen. Ich habe immer daran geglaubt, dass wir es beide schaffen können.

Wann sind Sie froh, der anderen über den Weg zu laufen?

Holdener: Eigentlich immer. Die letzten Jahre haben wir uns weniger gesehen, weil sie kein Slalom mehr machte. Da habe ich sie schon vermisst.

Gisin: Am liebsten auf dem Podest! Das waren einfach die schönsten Momente. Olympia 2018 und 2022 – auf der grössten Bühne der Welt – haben wir uns schon zweimal das Podest geteilt.

<p>... und Wendy Holdener  kennen sich seit ihren ersten Rennen – und sind trotz unterschiedlicher Karrieren bis heute eng verbunden.</p>

... und Wendy Holdener  kennen sich seit ihren ersten Rennen – und sind trotz unterschiedlicher Karrieren bis heute eng verbunden.

Lukas Maeder

Wer ist der grössere Morgenmuffel?

Holdener: Ich hätte jetzt gesagt beide nicht wirklich. Bin gespannt, was Michelle dazu sagt!

Gisin: Sicher ich! Wendy steht auf und gibt direkt Vollgas! (Lacht.)

Wer hat den grösseren Hang zu Ritualen oder Glücksbringern?

Holdener: Michelle! Nur schon weil sie immer ihre Plüscheule dabeihat. Ich bin nicht abergläubisch … oder einfach weniger. Michelle hat mehr Tricks und Routinen, würde ich jetzt behaupten.

Gisin: Beide. Aber sie hat sicher mich genannt (lacht). Sie hat schon auch ihre Ticks. Aber bei ihr ist es mehr Struktur, und bei mir sind es Rituale. Ich habe eine Plüscheule namens Leo, die ich dabeihaben muss. Wendy ist da rationaler.

<p>Doppel-Olympiasiegerin Michelle Gisin: «Meine Mama ist abergläubisch, aber dieses Mal wird sie endlich dabei sein.»</p>

Doppel-Olympiasiegerin Michelle Gisin: «Meine Mama ist abergläubisch, aber dieses Mal wird sie endlich dabei sein.»

Lukas Maeder

Sie gehören einer goldenen Generation von Schweizer Skirennfahrerinnen an. Lara Gut-Behrami hat ihren Rücktritt angekündigt. Inwiefern sind solche Gedanken bei Ihnen präsent?

Holdener: Diese Gedanken kommen immer mal wieder. Das hat man immer im Alltag als Sportlerin. Aber ich kann sagen, dass diese Gedanken schon mal präsenter waren als jetzt.

Gisin: Mit bald 32 Jahren viel präsenter als früher. Ich hatte immer einen Plan A bis Z. Falls ich in den 20ern den Sprung nicht schaffe, wollte ich Medizin studieren. Von dem bin ich jetzt weit weg. Ich habe doch nie so weit gedacht, dass ich mal so eine unglaubliche Karriere haben darf!

Nach den Geisterspielen in Peking sind diesmal keine Coronaeinschränkungen mehr nötig. Worauf freuen Sie sich am meisten beim vollen Olympiaerlebnis?

Holdener: Peking waren für mich keine Geisterspiele, es waren normale Rennen. Das Bobteam hat uns gross angefeuert, und meine Familie war auch stets dabei. Nicht immer live, das nur in Pyeongchang, aber immer in Gedanken, auch in Sotschi und Peking.

Gisin: Dass wir in Italien sind. Mein Verlobter Luca De Aliprandini und ich wohnen ja zusammen am Gardasee – das wird ein Katzensprung für uns. Und dass meine Familie das erste Mal dabei sein wird.

Welche Ziele verfolgen Sie nach der Karriere?

Holdener: Im Moment geniesse ich, was ich habe. Ich habe keine fixen Zukunftspläne, einfach ein paar Ideen. Ein paar Länder, in die ich reisen möchte. Ein paar Ferien, die sich nicht mit dem Skifahren kombinieren liessen. Aber ich versuche, mich nicht darauf zu versteifen, was sein muss und was nicht.

Gisin: Ich habe sehr viele Interessen und würde gern noch ein Studium beginnen. Mich interessieren klimapolitische Fragen, aber auch die komplexen Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft. An der Uni Luzern gäbe es einen spannenden Studiengang mit Politik, Wirtschaft und Philosophie, was zudem nahe bei meinem Zuhause in Engelberg wäre.

<p>Freut sich auf ihre ersten Olympischen Spiele in Europa: Wendy Holdener.</p>

Freut sich auf ihre ersten Olympischen Spiele in Europa: Wendy Holdener.

Lukas Maeder

Auf wen freuen Sie sich im Olympia-Zielgelände am meisten?

Holdener: Wer dabei sein will – auf die freue ich mich.

Gisin: Ich freue mich wahnsinnig auf meine Familie. Meine Schwester Dominique und ich haben insgesamt vier olympische Medaillen – aber unsere Familie war nie dabei. Meine Mama ist sehr abergläubisch: Sie hat gedacht, wir verletzen uns, wenn sie davor Hotel und Flug bucht. Aber jetzt kommen alle!

Erstmals wird die alpine Team-Kombination olympisch sein. Wie stehen die Chancen, dass das Team Holdener/Gisin zusammen an den Start gehen wird?

Holdener: Ziemlich schlecht! (Lacht.) Geplant ist, dass Lara Gut-Behrami und ich zusammen antreten, um unser Ergebnis in Saalbach zu wiederholen. Aber wie wir gesehen haben, kann sich alles rasch ändern.

Gisin: Für mich liegt der Fokus darauf, mich nach der schweren letzten Saison für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Wendy und Lara hatten mit Silber letztes Jahr in Saalbach einen tollen Erfolg und möchten zusammen antreten. Ich gebe alles, um dabei zu sein, und stehe natürlich bereit, wenn es mich doch braucht. So gut Abfahrt zu fahren wie Wendy Slalom, wird aber sicher die grösste Schwierigkeit.

Beschreiben Sie die andere in drei Worten

Holdener über Gisin

  • kommunikativ
  • aufgestellt
  • fair

Gisin über Holdener

  • energiegeladen
  • unfassbar ehrgeizig
  • willensstark
Yara Vettiger, Redaktorin Schweizer Illustrierte
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Von Yara Vettiger vor 4 Minuten