Die Sonne strahlt durch den Wienerwald, der direkt ans Grundstück grenzt, wo Zoë Jenny daheim ist. Die 45-Jährige pflückt mit Tochter Naomi, 9, im Garten Johannisbeeren. Vögel zwitschern. Kater Franzl tollt herum und beobachtet das Geschehen. Ihr neuer Lebenspartner Markus, 56, kocht Coq au Vin. Zoë Jenny, die sich als «urban» bezeichnet und von Basel über London in die weite Welt hinaus gereist ist, fühlt sich in Wien pudelwohl.
Nie hätte sie gedacht, dass es ihr in der Natur so gefallen würde: «Ich habe mich in den Wienerwald verliebt.» Das neue Haus sei auch perfekt für Naomi, die hier unbeschwert aufwachsen kann und die gerne an heissen Tagen im Pool herumplanscht.
Nur ein kleiner Wermutstropfen trübt die Idylle: ihre Sehnsucht nach der Schweiz. «Ich vermisse meine Heimat sehr», so die Baslerin leise. «Es hat mir wehgetan, als wir wegziehen mussten.»
Vor vier Jahren verliess Zoë Jenny mit ihrem damaligen österreichischen Freund Manfredo Iazzetta und ihrer Tochter fluchtartig Altendorf SZ und liess sich in Wien nieder. In der Schweiz war sie in einen Konflikt mit der Kesb, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, verwickelt.
Sie fürchtete, dass die Kesb ihr Naomi wegnehmen würde. Sie und ihr Ex Matthew Homfray, Naomis leiblicher Vater, mit dem sie erst in London, später in Indonesien lebte, stritten sich damals erbittert ums Sorgerecht.
Inzwischen haben sich die Wogen glücklicherweise geglättet. «Matthew und ich haben alles ohne Kesb geregelt. Seither läufts prima zwischen uns.» Sie und Naomi besuchten Matthew letztes Jahr sogar auf Bali, wo er heute lebt. Und dieses Jahr treffen sie sich in Singapur. Stets dabei: Markus, der neue Mann an Zoë Jennys Seite.
Der Rotweinduft des Coq au Vin entfaltet sich im ganzen Haus. Markus ruft zu Tisch und serviert das Essen. Kennengelernt hat sich das Paar dank gemeinsamen Freunden. «Vor drei Jahren», erzählt Zoë Jenny. «Vor zwei», kontert der Psychotherapeut. Beide lachen. Es war Liebe auf den ersten Blick: «Ich sah ihn und wusste, da sind starke Gefühle.» Und Markus, mit Schalk in den Augen: «Ich dachte, da komme ich nicht mehr lebend raus.»
Zoë und Markus widersprechen einander und wirken trotzdem harmonisch – auch wenn er mindestens zwei Köpfe grösser ist als seine Liebste. Die beiden sind auch charakterlich wie Feuer und Wasser: Er, der ruhende Pol in der Beziehung, standfest und ausgeglichen, typisch verständnisvoller Therapeut. Sie, die emotionale und impulsive Schriftstellerin. «Wir sind ein Klischee», sagen beide im Scherz.
Und Naomi ist Jennys Ein und Alles. Die Bestsellerautorin («Das Blütenstaubzimmer», «Der Ruf des Muschelhorns») ist sehr darauf bedacht, ihrer Tochter eine sorgenfreie Kindheit zu ermöglichen – ohne Dramen und Probleme, die ihre eigene Kindheit prägten.
Zoë Jenny wuchs nach der Scheidung ihrer Eltern beim Vater auf, dem Basler Verleger Matthyas Jenny. In einem linksliberalen Haushalt ohne Regeln und Strukturen, geplagt von existenziellen Ängsten: «Manchmal stellte man uns den Strom ab, weil wir die Rechnung nicht bezahlen konnten.»
Als Kind litt sie an Depressionen, es vergehen viele Jahre, bis sie zu sich selber findet. Naomi soll es besser ergehen. «Ich muss aufpassen, dass ich meine kleine Prinzessin nicht zu sehr verwöhne», gesteht Jenny. «Aber ich bin auch streng. Ein Kind braucht Regeln.»
Nächstes Jahr kommt ihre Tochter, die leidenschaftlich Klavier spielt, auf die Privatschule Amadeus – ein englischsprachiges Musik-Gymnasium in Wien. Das Mädchen mag klassische Musik – aber auch Christina Perri.
Am Nachmittag gehts mit einem Fiaker zu dritt auf eine Rundfahrt durch das historische Zentrum. Eine romantische Kutschenfahrt würde sich doch auch bei einer Hochzeit anbieten, oder? «Von mir aus schon. Ich habe nix dagegen», sagt sie. Und Markus kontert erneut: «Nix dagegen? Das ist zu wenig!» Jenny lacht. «Du musst mich fragen», fordert sie Markus heraus. «Ja, in dieser Hinsicht ist sie sehr traditionell, trotz linksliberaler Erziehung», sagt er ebenfalls lachend. Eine Traumhochzeit wie 2008 mit ihrem Matthew solls aber nicht nochmals geben. Lieber im kleinen Rahmen – und ohne langen Schleier.
Doch erst muss Zoë Jenny ihren neuen Roman fertig schreiben! Er handelt von einem Astrophysiker und hätte eigentlich bereits diesen Sommer erscheinen sollen, aber eine lukrative Auftragsarbeit für Hollywood sei dazwischengekommen … «Vertraglich habe ich mich zu Stillschweigen verpflichtet», gibt sie immerhin preis. Und Jenny schreibt zurzeit auch noch Songtexte fürs nächste Album der Berner Sängerin Natacha.
Ihr Erstlingswerk, «Das Blütenstaubzimmer», erschien, als Zoë Jenny 23 Jahre alt war. Der Bestseller wurde in 27 Sprachen übersetzt. Diesen Erfolg konnte sie seither mit keinem ihrer Werke toppen. Druck verspürt sie deshalb beim Schreiben nicht. «Das muss ich auch nicht», sagt sie bestimmt. «Ich habe Erfolge und Misserfolge erlebt und gelernt, damit zu leben.»
Blütenstaub und Schmetterlinge sind auch am heutigen Tag Thema. Denn Naomi will unbedingt noch das Schmetterlingshaus besuchen. Und Markus? Der gönnt sich in der Zwischenzeit lieber Kaffee und Kuchen.