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  4. Zu Besuch in der urbanen Wohnung von SVP-Bundesratskandidat Hans-Ueli Vogt

Bundesratskandidat Hans-Ueli Vogt

Das urbane Gesicht der SVP

Er ist die Antithese zu Albert Rösti. Der Zürcher alt Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt. Wie er lebt, weshalb das Image vom Einzelgänger nicht stimmt und welche Eigenschaft er mit Roger Federer gemeinsam hat.

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Hans-Ueli Vogt, Bundesratspräsident, in seiner Wohnung im Industriequartier in Zürich

New-York-Feeling in Zürich-West. Hans-Ueli Vogt in seiner 122 Quadratmeter grossen Eigentumswohnung, in der er seit acht Jahren lebt.

Nik Hunger

Hans-Ueli Vogts Wohnung in Zürich-West versprüht einen Hauch von New York. Vom zwölften Stock des 23-Etagen-Hochhauses blickt der SVP-Bundesratskandidat auf die Lichter des Gleisfelds und des Prime Tower. «Ich habe zwei Jahre in New York gelebt. Der Blick aus dem Fenster erinnert mich an die Aussicht, die ich in Downtown Manhattan hatte.»

An der Einrichtung haben er und eine Beraterin zusammen zwei Jahre gefeilt – herausgekommen ist ein Mix aus Massivholzmöbeln, minimalistischen Designerlampen und flauschigen Teppichen. «Obwohl ich momentan nicht viel Zeit zu Hause verbringe, geniesse ich jeden Moment, in dem ich mich hier entspannen kann», sagt Vogt und setzt sich auf seinen weinroten Sessel.

«Die Karten werden neu gemischt»

Hauchdünn hat es der Zürcher Professor für Wirtschaftsrecht auf das Zweierticket für die Nachfolge von Ueli Maurer in den Bundesrat geschafft. «Es ist eine Ehre, auf dem Ticket zu sein. Jetzt werden die Karten neu gemischt.» Er habe kein Problem damit, im Schatten seines Berner Kontrahenten Albert Rösti zu stehen. «Wir sind in der gleichen Partei, haben aber unterschiedliche Profile.»

Er lebe seit 30 Jahren in der Stadt und kenne die Lebensverhältnisse und Sorgen der urbanen Bevölkerung. Als Wissenschafter vertrete er zudem den Forschungsstandort Schweiz. «Jemand mit diesem Hintergrund würde gut in den Bundesrat passen.»

Hans-Ueli Vogt, Bundesratspräsident, in seiner Wohnung im Industriequartier in Zürich

Vogt in seiner Bibliothek. Meist liest er mehrere Bücher gleichzeitig. Den Crosstrainer nutzt er regelmässig, geht aber lieber ins Fitness.

Nik Hunger
Fühlt sich in der englischen Sprache wohl

Obwohl er heute nicht den typischen SVP-Stallgeruch verströmt, verbringt Vogt als Kind viel Zeit auf dem grosselterlichen Bauernhof in Illnau im Zürcher Oberland. Sein Vater arbeitete stets dort neben seinem Beruf als Notar. «Noch heute spricht er am liebsten über Weizen und Klee.»

Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, der Bauer gelernt hat, zieht es Vogt nach seinem Jurastudium früh in die Welt hinaus. Er forscht an den Unis von Florenz, Harvard und Peking, arbeitet in einer grossen Anwaltskanzlei in New York. «In der englischen Sprache fühle ich mich fast ebenso wohl wie in der deutschen», sagt Vogt, der zudem fliessend Französisch und Italienisch spricht.

Mit seiner internationalen Erfahrung könnte er sich nicht nur im Aussendepartement einbringen. «In allen Departementen gibt es Herausforderungen, bei denen die Schweiz mit dem Ausland zusammenarbeiten muss.»

Hans-Ueli Vogt, Bundesratspräsident, in seiner Wohnung im Industriequartier in Zürich

Vogt arbeitete zwei Jahre lang in New York in einer grossen Anwaltskanzlei.

Nik Hunger
«Zäh und trotzdem emotional»

Vogts grösster Nachteil ist, dass er nach sechs Jahren Ende 2021 aus dem Nationalrat zurückgetreten ist – mit der Begründung, er fühle sich im Parlament wie ein Tennisspieler auf dem Fussballplatz. Dazu passt, dass in seinem Bücherregal neben Belletristik von Benedict Wells oder Bernhard Schlink die Biografie von Roger Federer steht. Er bewundere dessen Grösse in der Niederlage und Bescheidenheit im Erfolg. «Seine Stärke gründet darin, dass er ein Mensch ist, der seine Emotionen zeigt.»

Es kommt nicht von ungefähr, dass Vogt das Thema anspricht. Die Episode, als er bei den Beratungen zur Aktienrechtsrevision unter Tränen die Sitzung verlässt, hat ihm viel Zuspruch, aber auch Zweifel an seiner Krisen- festigkeit eingebracht. Als SVP-Politiker im universitären Feld sei er sich Gegenwind gewohnt, sagt Vogt. «Ich bin zäh und trotzdem emotional. Das eine schliesst das andere nicht aus.» Ein Exekutivamt wie jenes des Bundesrats passe einfach besser zu seinen Stärken.

Hans-Ueli Vogt, Bundesratspräsident, in seiner Wohnung im Industriequartier in Zürich

«Die Wäsche mache ich natürlich selber», sagt Vogt. Dafür kocht der Single selten zu Hause. «Ich bin kein begnadeter Koch.»

Nik Hunger

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder erinnert sich gern an ihren ehemaligen Kollegen in der Rechtskommission: «Ich schätze die Diskussionen mit Hans-Ueli über Gott und die Welt sehr, auch wenn wir politisch nicht immer gleicher Meinung sind.» Zudem sei er ein brillanter Jurist.

SP-Politikerin Min Li Marti stimmt zu, sagt aber: «Ich frage mich, ob er auch Entscheidungen treffen kann, wenn es eine Situation mit grosser Dringlichkeit und vielen Unsicherheiten gibt.» Damit konfrontiert, sagt Vogt schmunzelnd: «Ich habe kein Problem, Entscheidungen zu treffen, egal, in welcher Situation.»

Will Problem verstehen

Er sei der Analytiker, der ein Problem verstehen will, um es zu lösen. «Für mich ist das eine wichtige Voraussetzung, damit ein Gremium wie der Bundesrat funktioniert.» Klar sei, dass er bei einer Wahl nicht mehr in der Art des Professors auftreten könne, sagt Vogt, während er die Wäsche zusammenlegt.

Hans-Ueli Vogt, Bundesratskandidat, mit Maurus Candreia, Kollege, im Café Buchmann, Oberstrass

«Hans-Ueli ist sehr vielseitig», sagt Maurus Candreja, ein langjähriger Freund.

Nik Hunger
«Kein Einzelgänger»

Ein Bild, das Medien oft im Zusammenhang mit Vogt verwenden, ist jenes des Einzelgängers. «Wenn Hans-Ueli etwas nicht ist, ist das Einzelgänger», sagt sein langjähriger Freund Maurus Candreja am nächsten Tag bei einem Kafi im Uniquartier. Der Ökonom aus Falera GR kennt Vogt seit 18 Jahren und schätzt dessen Vielseitigkeit und Unternehmenslust.

Vogt mag gern Schlager – für seine Bundesratsfeier könnte er sich Beatrice Egli vorstellen –, geht regelmässig mit Freunden auswärts asiatisch essen oder in Gruppenfitnesskurse.

Erstaunt reagierte er an der Pressekonferenz zu seiner Kandidatur auf die Frage nach seiner sexuellen Orientierung. «Ob ich schwul bin, ist für den Job des Bundesrats nicht relevant.» Und doch ist ihm klar, dass seine Wahl Signalwirkung hätte. «Wenn ich Menschen, die mit ihrem Outing hadern, Zuversicht für ihr Leben gebe, freut mich das.»

Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 26. November 2022 - 12:00 Uhr