Dass ein Leckerly nicht gleich Leckerli oder Läckerli ist, mag vor dem ersten Biss in das traditionelle Basler Gebäck verwirren. Doch wer einmal reinbeisst, merkt rasch: Die kleinen, rechteckigen Lebkuchen-Plättchen sind entweder härter und dünner, oder sie sind weich, dafür aber doppelt so dick. Wie die von Jakob’s Basler Leckerly, einem Basler Traditionsunternehmen, das 1753 erstmals urkundlich erwähnt wird. Seit 2017 ist die Firma in den Händen von Andreas Kuster (53) und dessen Frau Charlotte (45) einer gebürtigen Französin. Das Ehepaar ist die sechste Besitzerfamilie. Seit sie vor acht Jahren das Ruder übernommen haben, ist das Unternehmen von fünf auf 30 Mitarbeiter gewachsen.

Gekonnt: Frédéric Ressel und Kevin Emberger stauben die fertigen Leckerly-Platten ab, ehe sie zu feinen Rechtecken geschnitten und weiterverarbeitet werden.
Kurt ReichenbachDass Kusters eines der 30 ältesten Unternehmen der Schweiz gehört, ist eine besondere Geschichte: «Zwar komme ich aus einer Familie, in der Unternehmertum seit Generationen grossgeschrieben wird.» Aber Leckerly wurden daheim vor allem nur privat in der Vorweihnachtszeit gebacken. «Das ist in Basler Familien Tradition. Als wir Kinder waren, backte unser Vater mit meinem Bruder und mir Leckerly. Dass das Männer machen, ist ebenso Tradition.»

Die Leckerly-Zutaten: Mehl, Mandeln, Zucker, kandierte Früchte, Gewürze, Natron, Honig und Kirsch. Der sorgt für Geschmack, verdunstet aber beim Backprozess.
Kurt ReichenbachAndreas studierte Wirtschaft in Basel und Genf, arbeitete danach für eine grosse internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ehe er zu einem Versicherungsriesen wechselte. Acht Jahre war er in den USA tätig, hängte an der dortigen Kellogg School of Management der Northwestern University ein MBA-Studium an. «Sie gilt als die führende Marketingschule der Welt», sagt Kuster. «Gerade wenn man eine Firma wie die unsere übernimmt, muss man das Marketing sehr gut verstehen.» Seine Frau Charlotte, gelernte Dolmetscherin und Übersetzerin, arbeitete früher für das Schweizer Fernsehen und für Coca-Cola.
Kennengelernt haben sich Charlotte und Andreas bereits 1998, ein Paar sind sie seit seiner Rückkehr aus den USA. «Irgendwann war uns beiden klar, dass wir unser eigenes Unternehmen möchten.» So machte sich Kuster auf die Suche, wagte 2016 einen sogenannten Cold Call (eine unerwartete telefonische Kontaktaufnahme) bei der Witwe des damals bereits verstorbenen Besitzers von Jakob’s Basler Leckerly. «Ich fragte, ob die Firma zu verkaufen sei, und war darauf vorbereitet, mit Schimpf und Schande überzogen zu werden.» Doch die Besitzerin telefoniert eine halbe Stunde mit ihm und vereinbart einen persönlichen Gesprächstermin. «Als Charlotte und ich ihr erklärten, das Unternehmen als Familienbetrieb weiterführen zu wollen, entschied sie, es an uns abzugeben.»

Wagemutig: Kusters im Stammgeschäft in der Basler St. Johanns-Vorstadt. Vor fünf Jahren eröffneten sie in der historischen Altstadt am Spalenberg den zweiten Laden.
Kurt ReichenbachOhne Fremdkapital modernisiert
Kusters krempeln erst mal alles komplett um. «Es gab keinen Computer, Bestellungen des berühmten Münchner Delikatessenhauses Dallmayr kamen per Fax herein, die Empfangsbestätigung wurde auf einer mechanischen Schreibmaschine getippt und retourgefaxt», erinnert sich Kuster. Die neuste Maschine in der Backstube hat über 50 Jahre auf dem Buckel, Sicherheitsvorkehrungen gibt es nur wenige und die Beschäftigten seien am Monatsende gegen Quittung bar bezahlt worden.
Dass er und Charlotte die Firma total auf den Kopf stellen würden, sei der Vorbesitzerin durchaus klar gewesen. Allerdings sei ihr wichtigstes Anliegen gewesen, das die Marke Jakob’s Basler Leckerly beziehungsweise die Firma Karl Jakob Nachf. von J. J. Steiger sel. Erben AG, wie sie eigentlich mit vollem Namen heisst, als Familienunternehmen bewahrt bleibt.

Geschichtsträchtig: Die alten Leckerly-Verpackungen zeugen von einer über 272 Jahre andauernden Tradition in Basel.
Kurt Reichenbach«Die Übernahme war eine Riesenherausforderung», sagt Andreas Kuster rückblickend. Stolz ist er vor allem darauf, dass sie es geschafft haben, das alte Unternehmen ohne Fremdkapital neu aufzustellen.
Drittgrösster Hersteller
Mit Zahlen zu Produktionsmengen und Umsatz hält sich der Firmenchef zwar zurück, verrät aber: «Wir sind nach der Migros und dem Läckerli Huus, die beide über 1000 Tonnen Läckerli pro Jahr produzieren, der drittgrösste Hersteller.» Zu Kusters Kunden gehören Feinkostläden in der ganzen Schweiz sowie Warenhäuser wie Globus oder Manor.
Aber auch im Firmenkundengeschäft ist die kleine Manufaktur stark: Ob Novartis, Zolli Basel oder Longines, sie alle schwören auf Jakob’s Basler Leckerly. «Wir haben ein Produkt, das mit Emotionen verbunden ist», weiss Andreas Kuster. Leckerly ist eben nicht gleich Leckerli oder Läckerli. Die mit dem «e» statt «ä» und «y» am Ende sind die ältesten – und die weichsten.
Fakten
7 Stunden
So lange dauert die Produktion der Leckerly. Pro Tag können jeweils zwei Chargen gebacken werden – von drei Bäckern und einem Hilfsbäcker.
6000 Besucher
So viele Interessierte besichtigen jedes Jahr die Manufaktur und zahlen dafür. Die Führungen sind ein weiteres Standbein der Familienfirma.
400 Quadratmeter
So gross ist die Produktionsstätte für Jakob’s Basler Leckerly in der Basler St. Johanns-Vorstadt. Hinzu kommen noch externe Lager.

