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Ian Raubal gewinnt EM-Silber

Zwischen Barren und Bachelor

Er kam als Debütant – und kehrte mit zwei EM-Medaillen zurück: Ian Raubal hat die Schweiz im Kunstturnen überrascht. Sein Weg führt über Kalifornien, ein hartes Studium und tägliche ­Disziplin. Der Traum: Olympia.

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<p>Leidenschaft und Job: Ian Raubal auf dem Sportplatz bei seinem Zuhause in Fällanden ZH. «Die Schweiz ist meine Heimat», sagt der Halbamerikaner.</p>

Leidenschaft und Job: Ian Raubal auf dem Sportplatz bei seinem Zuhause in Fällanden ZH. «Die Schweiz ist meine Heimat», sagt der Halbamerikaner.

Joseph Khakshouri

Jeder Muskel ist angespannt, jede Bewegung sitzt. Mit voller Konzentration stemmt sich Ian Raubal (23) über die Kante des Metallkastens, der Körper in perfekter Spannung, der Blick fokussiert. Es ist ein Moment, wie er ihn tausendmal trainiert hat – deshalb wirkt er leicht, fast spielerisch. Wer ihn so über den Pausenplatz turnen sieht, könnte erahnen, dass dieser Körper wenige Wochen zuvor zwei EM-Silbermedaillen geholt hat. Für den 23-Jährigen aber unvergesslich. Auch für die Schweiz: Noch nie war ein Schweizer Team bei einer Kunstturn-EM so erfolgreich, die fünf Kunstturner schafften Historisches!

In seinem Zimmer in der Wohnung seiner Eltern in Fällanden ZH lässt Ian Raubal das Ereignis Revue passieren: «Im ersten Moment haben wir uns einfach wahnsinnig gefreut. Aber es ist schon verrückt, dass ich einen Teil zu so etwas Grossem beigetragen habe. Das macht mich stolz.» Im Barren holt er als einziger Schweizer noch eine Medaille. Wieder Silber! Und überrascht damit alle inklusive sich selbst, denn es war sein EM-Debüt. «Ich dachte, dass man nach so einer Leistung hauptsächlich Zufriedenheit spürt. Und Glück. Aber bei mir war es vor allem ein grosser Ansporn, noch besser zu werden», erzählt er. Der Teamerfolg war für ihn emotionaler als die Einzelmedaille: «Wenn du für dich gewinnst, ist das ein Moment. Gemeinsam ist es eine Geschichte.»

<p>Raubal in seinem Zimmer in der Elternwohnung. «Die EM-Medaillen bedeuten mir so viel. Es ist der Lohn für all die Arbeit.»</p>

Raubal in seinem Zimmer in der Elternwohnung. «Die EM-Medaillen bedeuten mir so viel. Es ist der Lohn für all die Arbeit.»

Joseph Khakshouri

Ian Raubals Geschichte beginnt in Kalifornien. Der Turner ist in Santa Barbara aufgewachsen, zweisprachig, mit einer amerikanischen Mutter. Mit fünf Jahren entdeckte Ian das Turnen – und blieb dabei. Heute studiert er an der Penn State University Medizintechnik. Und hat damit einen eigenen Weg für sich gewählt. «Ich wollte unbedingt studieren, um abgesichert zu sein.» Finanziell bringt ihm der Sport wenig. «Es gibt einen kleinen Lohn, aber ausgesorgt hat man nicht. Darum ist das Studium wichtig.» Der Alltag an der Penn State ist hart. «Am Anfang war es körperlich brutal. Ich musste mittags schlafen, das kannte ich nicht.»

In Pennsylvania wohnt er von August bis Mai jeweils in einer WG, die Sommermonate verbringt er in der Schweiz. Er sagt: «Das Sportstipendium war eine Riesenchance. In den USA gibt es viel mehr Wettkämpfe. Ich konnte einen gewaltigen Sprung nach vorne machen dadurch.» In einer Beziehung ist er momentan nicht. Mit dem Hin und Her in der USA sei das ein bisschen schwierig.

<p>Raubal mit seinen grössten Unterstützern auf dem Balkon: Bruder Eric (l.) und sein bester Freund, der Schweizer Karateprofi Yuki Ujihara.</p>

Raubal mit seinen grössten Unterstützern auf dem Balkon: Bruder Eric (l.) und sein bester Freund, der Schweizer Karateprofi Yuki Ujihara.

Joseph Khakshouri

Grosse Träume

Nächstes Jahr wird er den Bachelor abschliessen und in die Schweiz zurückkehren. Darauf freut sich auch sein Bruder Eric (21). «Es war schon blöd, dass Ian so früh ausgezogen ist. Aber ich bin megastolz auf seine Leistung», erzählt der gelernte Polymechaniker. Nach diesem Triumph träumt Raubal gross. «Es ist für mich jetzt auf einmal realistisch geworden, das höchste Ziel eines Sportlers zu erreichen – Olympia.» Er lächelt. Die Schweiz 2028 in Los Angeles vertreten zu dürfen, das wäre für Raubal nicht in Worte zu fassen. «Es wäre sehr speziell für mich, da ich in Kalifornien aufgewachsen bin und dort alles anfing. Meine Familie aus den USA, Freunde, Nachbarn – alle könnten wohl dabei sein.» Was mit einem Sprung begann, könnte in einem Flug enden – nach Los Angeles, zurück zu den Wurzeln, hin zu den Sternen des Sports. Ian Raubal hat längst abgehoben. Und landet vielleicht schon bald ganz oben.

Von Yara Vettiger am 21. Juni 2025 - 18:00 Uhr