Laura Martinez ist erschöpft, doch sie lächelt. «Es war ein strenger 14-Stunden-Tag, einmal mehr in dieser Corona-Zeit.» Die 44-Jährige steht vor dem Hauptsitz des Roten Kreuzes von El Salvador, dieser befindet sich in der Hauptstadt San Salvador. Angestellt ist sie vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) als Landeskoordinatorin. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt das Schweizer Hilfswerk das Cruz Roja Salvadoreña.
«Mit der Pandemie ist die Situation noch dramatischer geworden», sagt Martinez. Es sind immer dieselben verzweifelten Fragen, die sie und ihr Team hören, wenn sie bei den vielen Notleidenden in den gewalt- und armutsbetroffenen Quartieren sind: Wann kommt ihr wieder? Zum einen verteilen Helferinnen und Helfer des einheimischen Roten Kreuzes Essen und sauberes Wasser. Gerade gestern dankte ein blinder Mann Martinez für ein paar Bohnen.
Um seine Familie durchzubringen, hat der Witwer früher in Bussen Süssigkeiten verkauft. Doch nun fahren die Busse nicht mehr, und auf der Strasse machen die Leute einen Bogen um ihn – aus Angst, er habe Corona. Die Helfer verteilen auch Hygienekits an 5000 Familien. Menschen in Quarantäne bringen sie Matratzen und Decken, stehen ihnen mit psychosozialer Unterstützung zur Seite.
Zudem hat das Rote Kreuz 500 Freiwillige für eine grosse Sensibilisierungskampagne geschult. So erfahren die Einheimischen, wie wichtig regelmässiges Händewaschen ist und wie man bei Verdacht auf eine Virusansteckung vorgehen sollte. 350000 Menschen hat die Hilfe des Roten Kreuzes schon erreicht.
Einer, der die Not in diesem Land gesehen hat, ist Nemo Mettler. Der 21-jährige Musiker aus Biel BE, bekannt als Nemo – hat sich mit dem SRK vor Ort ein Bild gemacht; die SI berichtete. «Ich tauchte tief ein in das Leben der Menschen dort, hörte so viele Geschichten, traurige, aber auch hoffnungsvolle», sagt Nemo heute.
«In einigen meiner Geschichten spiegelt sich etwas von diesen Erinnerungen.» Noch immer hat er Kontakt mit Leuten, die er damals kennenlernte. Mit Daniel Lopez zum Beispiel, einem 24-jährigen Musiker. «Vor ein paar Tagen habe ich ihm meinen neuen Song geschickt.» Der Besuch hat ihm die Augen geöffnet, «wie gut wir es hierzulande haben. Wir sollten dankbar sein.»
In 30 Ländern unterstützt das SRK die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. So auch im westafrikanischen Togo, einem der ärmsten Länder. 50 Mütterklubs wurden mobilisiert: Vor ihren Dorfgemeinschaften singen Frauen, führen Sketche auf. Stets mit der Botschaft: «So lässt sich Corona eindämmen.» Denn in den entlegenen Dörfern kursieren Gerüchte: Corona sei eine Krankheit der Weissen, sie betreffe nur Reiche und Menschen in der Stadt. Aufklärung betreiben auch lokale Journalisten. Mit über 25 speziellen Radioprogrammen bringen sie die Botschaft unter die Leute, selbst in entlegensten Landesteilen.
Zu den zentralen SRK-Projekten in Togo gehört seit Jahren die Verbesserung der Hygiene in medizinisch unterversorgten Regionen – mit dem Bau von Brunnen und Latrinen. Die Einheimischen haben Vertrauen zu den Rotkreuzfreiwilligen, sie befolgen ihre Empfehlungen. Denn sie wissen, dass die Ratschläge zu grossen Verbesserungen im Alltag führen.
Davon konnte sich Dominique Gisin, 35, überzeugen. Die ehemalige Spitzen-Skirennfahrerin besuchte als ehrenamtliche SRK-Botschafterin das Land 2019. Die Obwaldnerin aus Engelberg: «Es stimmte mich traurig zu sehen, in welcher Armut die Menschen leben. Umso tiefer beeindruckt war ich, mit welcher Geduld und Kraft sie ihren schweren Alltag ertragen.»
Immer wieder denkt Gisin an ihre Reise nach Togo. «Ich habe viele willensstarke Frauen kennengelernt. Diese Begegnungen gingen mir ans Herz.» Einfache Momente des Glücks schätzt sie nach solchen Erfahrungen noch mehr als früher. Diesem Land gehe es sonst schon schlecht. «Und nun kommt noch Corona dazu. Hilfe ist nötiger denn je!»