«Komm, Egée, bring es mir!», ruft Daniel Joggi. Die fünfjährige Labradorhündin sieht sofort, worum es geht: Joggis Handy ist von seinem gelähmten Bein auf den Stubenboden gefallen. Der Hund nimmt eine Vorderpfote zu Hilfe – nach zwei, drei Versuchen hält er das Handy im Mund und streckt es seinem Besitzer hin. Der 74-Jährige gibt dem Vierbeiner ein Hundeguetsli. «Brav, Egée, brav!» Der gebürtige Neuenburger sitzt in der Stube seines Hauses in Trélex VD. Hier wohnt er mit seiner Frau Françoise, 73. Die beiden waren schon zusammen, als er noch nicht im Rollstuhl sass. 1977, als der damals 28-jährige Agrarwissenschaftler seinen fatalen Skiunfall hat, ist Françoise zum zweiten Mal schwanger. «Es war ein banaler Sturz», erinnert sich Joggi, «aber ich realisierte sofort: Ich kann meine Glieder nicht mehr bewegen.» Vier Halswirbel sind gebrochen. Beine und Hände des Tetraplegikers sind vollständig, die Arme teilweise gelähmt. Noch immer sportlichDoch Daniel Joggi ist ein Kämpfer. Durch seine Beeinträchtigung lässt er sich nicht behindern: Er baut die IT-Abteilung seines Arbeitgebers auf, nimmt im Jahr 2000 im Rollstuhl- Rugby-Nationalteam an den Paralympics in Sydney teil, ist sechs Jahre Gemeindepräsident von Trélex. Von 2010 bis 2020 präsidiert er die Schweizer Paraplegiker-Stiftung in Nottwil LU. Bis 2012 ist er OK-Mitglied beim Paléo Festival in Nyon VD. Im Winter fährt er Mono-Skibob. Nach dem Zmorge trainiert er in der Stube eine Stunde mit seinem Handbike auf der Rolle.
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Egée steht auf. «Gell, du willst raus», sagt Joggi. Es ist sein dritter Assistenzhund. Auch Egée wurde von der Stiftung Le Copain in Granges VS aus- gebildet, bevor Joggi ihn in Empfang nehmen konnte. «Egée ist meine treue Begleiterin, ich bin auf sie angewiesen.» Tagein, tagaus ist der Labrador in seiner Nähe. Schaut, ob Joggi etwas braucht. Mindestens einmal pro Nacht kommt Egée ins Schlafzimmer, um sich zu vergewissern, dass Joggi gut liegt. Dieser übt täglich mit ihr, über 40 Kommandos beherrscht sie. «Gib Laut!» zum Beispiel. Dann macht die Hündin Françoise darauf aufmerksam, dass ihr Mann Hilfe braucht – beim Transfer vom WC zurück in den Rollstuhl etwa.
Françoise zieht ihrem Mann die Winterjacke an, dann gibt sie ihm die Hundeleine, öffnet die Haustür. «Mach dein Geschäft!», befiehlt Joggi dem Hund. Dieser geht in den Garten, verrichtet seine Notdurft. «So muss ich mich während der Spaziergänge nicht sorgen, Egées Geschäft nicht in ein Robidog-Säckli versorgen zu können.»
Egée half in einer brenzligen Situation
Wenn es nicht stark regnet, machen die beiden täglich eine grosse Runde an der frischen Luft. Egée trottet an Joggis Seite. Einmal, erzählt Daniel Joggi auf dem Spaziergang, sei sein Rollstuhl wegen eines kleinen Hindernisses umgekippt. «Geh zu Françoise!», hat er Egée befohlen. Der Hund zischte los, Minuten später war Joggis Frau zur Stelle, stellte den Rollstuhl auf die Räder, setzte ihren Mann wieder hinein.
«Wir verstehen uns blind», sagt Daniel Joggi. Nach dem Spaziergang dreht sich Egée neben dem Rollstuhl auf den Rücken. Joggi weiss: Sie will liebkost werden! Gemächlich streicht er mit dem Handrücken über ihr Fell, sie schliesst die Augen. «Egée gibt mir so viel. Wir sind Freunde geworden.»
FAKTEN
12 Assistenzhunde bilden die Trainer der Walliser Stiftung Le Copain jährlich aus. Das zweijährige Training kostet 35 000 Franken pro Hund. Dann werden die Tiere, auch dank dem Engagement der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, gratis an Personen mit ein geschränkter Mobilität abgegeben.
50 Befehle, die für solche Menschen schwierig oder unmöglich sind, kann ein Assistenzhund ausführen: zum Beispiel Türen öffnen, Knopf drücken, am Ärmel ziehen beim Jacke ausziehen.