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Weekend-Trip

Ein Wochenende im Glarnerland

Bergseen und Felswände, altbewährt und kreativ: Im Glarnerland findet man inspirierende Kraftorte. Und Abenteuerliches wie eine Nacht im Baumzelt inklusive Kochen über dem Feuer.

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Glarnerland

Der drei Quadratkilometer grosse Klöntalersee wird seit dem Jahr 1908 auch zur Gewinnung von Elektrizität genutzt.

Véronique Hoegger

Früh am Morgen, wenn sich die Bergspitzen im glatten Wasser spiegeln, tuckert ein einziges Fischerbötchen auf dem Klöntalersee. Ein paar Ruderer und Kanufahrer machen ihre Boote am steinigen Ufer parat. Knapp eine Stunde werden sie brauchen, um bis zum Seeende und wieder zurück zu paddeln. 

Ginge es nach ihnen, dürfte man für die zehnminütige Fahrt von Riedern rauf zum Natursee nur das Postauto benutzen. «Vor allem in den Ferien kann es hier richtig voll werden, und es gibt kaum mehr Parkplätze», erzählen die Ruderer. Trotzdem, ganz geheim halten wollen die Glarner ihre «Perle» dann doch nicht und verraten bereitwillig den besten Ausblick auf den Klöntalersee: Diesen soll man von der Schwammhöchi aus haben. 

Um dorthin zu gelangen, läuft man vom Campingplatz Güntlenau rund eine Stunde den Berg hinauf. Auf 1100 Metern über Meer gibts im Bergasthaus Schwammhöhe zum Rivella ein atemberaubendes Panorama: Eingebettet zwischen Glärnisch und Dejenstock, zeigt sich der Klöntalersee in seinen schönsten Blautönen. Gerüchten zufolge liegt auf dem Grund ein Schatz. Der russische General Suworow führte im Jahr 1799 seine Armee von Schwyz über den Pragelpass ins Klöntal und soll beim Bärentritt seine Kriegskasse versenkt haben. Bisher blieben jedoch alle Suchaktionen erfolglos. 

Glarnerland

Pferdestärke plus Strom: Jakob Schuler betreibt im autofreien Braunwald die einzige E-Kutsche der Schweiz.

Véronique Hoegger
Glarnerland

Eben wurde die alte Sennhütte im Gasthaus Richisau mit einem modernen Anbau erweitert. Der Platz gilt als Kraftort, schon der Schweizer Autor Carl Spitteler liess sich hier inspirieren.

Véronique Hoegger

Geschichten gibt es auch im Gasthaus Richisau einige. Hier, wo einen 300-jährige Bergahornbäume begrüssen, kann man sich gut vorstellen, wie schon im 19. Jahrhundert Künstler umherwanderten und sich vom Kraftort inspirieren liessen. Heute finden im Gasthaus regelmässig Lesungen statt. Zum Zmittag wählen wir den gratinierten Geisskäse mit Apfelrisotto und Marktgemüse – mmh. Wer möchte, bleibt gleich über Nacht, öffnet die Fenster und lässt sich vom Rauschen der Blätter in den Schlaf wiegen. 

Uns zieht es weiter nach Braunwald. Rauf geht es mit der Standseilbahn, der Ort ist autofrei. Oben angekommen, wartet Jakob Schuler auf uns: «Hallo, ich bin Köbi.» Er begleitet uns zu seiner Kutsche. «Keine Angst, meine Rösser müssen nicht schwer ziehen», beschwichtigt er uns, als wir etwas zögerlich einsteigen. Köbi besitzt schweizweit die einzige E-Kutsche. Das bedeutet, die Pferde bekommen Unterstützung von einem elektrischen Motor. «Meine Rösser sollen es gut haben. Seit sie nicht mehr alles selber ziehen müssen, kann ich sogar Fondue-Fahrten anbieten», sagt er und lacht. Der 57-Jährige ist im Dorf aufgewachsen und kutschiert oft Gäste zum Abenteuercamp Braunwald hinauf.

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Im Gasthaus Richisau im Klöntal wird ausschliesslich mit Holz geheizt. Die Gästezimmer sind schlicht und gemütlich. 

Véronique Hoegger
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Véronique Hoegger

Dort begrüsst uns Erlebnispädagoge und Outdoor-Trainer Sven Klug. Sein Konzept ist einfach: Über die Homepage wählt man aus, in welcher Unterkunft man schlafen möchte, bezahlt und bekommt den Code für das jeweilige Zahlenschloss. Am beliebtesten sind die Bubble-Suites, halbrunde, durchsichtige Zelte, die freie Sicht auf den Sternenhimmel bieten. Abenteuerlich wird die Nacht im Baumzelt, das Ufo-ähnlich über dem Waldboden schwebt, festgemacht an dicken Baumstämmen. Familien entscheiden sich meistens fürs Tipidorf oder die mongolische Jurte. Einmal in der Woche schaut Sven – «in den Bergen duzen wir uns» – vor Ort zum Rechten. Ansonsten ist man hier oben alleine. Der 32-Jährige hat sich mit seinem Camp einen lang ersehnten Wunsch erfüllt. «Als ich vor zwölf Jahren von Deutschland in die Schweiz kam, kannte ich niemanden. Da ging ich am Wochenende alleine in die Berge und berichtete auf Facebook darüber. Irgendwann begleiteten mich ein paar Leute, es wurden immer mehr, und ich beschloss, daraus meinen Beruf zu machen», erzählt er, während er im Wald Brennnesseln, Sauerklee und Löwenzahn sucht. Die Kräuter kommen in den Risotto, den er für den Znacht auf dem Feuer zubereitet. Das Brot hat Sven bereits in den selbst gebauten Lehmofen geschoben. 

«Schon als Kind war ich am liebsten im Wald. Mit dem Abenteuercamp habe ich mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt.» Sven Klug

Glarnerland

Warm und mit Butter schmeckt es am besten: Brot aus dem Lehmofen im Abenteuercamp Braunwald.

Véronique Hoegger
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Sven Klug, eigentlich gelernter Bierbrauer, führt das Abenteurcamp und möchte seinen Gästen die Natur näherbringen.

Véronique Hoegger

Nach dem Essen machen wir uns, ausgestattet mit Stirnlampe, auf den Weg in unsere Jurte. Mit vollem Magen, inmitten der Berge und warm eingepackt schlafen wir schnell ein. 

Zurück im Tal, besuchen wir in Mitlödi Monika Schröder-Brak und ihre Hühnerschar. Der grösste Teil des Gartens gehört Luna, Dorie, Hedwig und weiteren sechs gefederten Freundinnen: Auf tausend Quadratmetern können die Hennen scharren, picken, dösen. «Sie brauchen viel Platz», sagt Monika Schröder-Brak. Vor drei Jahren nahm sie die ersten Hühner von einem kleinen Bauernhof in Cham bei sich auf und startete das Projekt Sorello. «Sie wären sonst einfach entsorgt worden, das ist bei Legehennen nach einem Jahr üblich. Am liebsten würde ich alle retten.» Am Anfang seien die Tiere zerrupft, ängstlich und aggressiv – schon nach kurzer Zeit normalisiere sich das Verhalten, erzählt die Tierhomöopathin, die Findelkinder werden sogar ziemlich zutraulich. Sicher trägt dazu auch die Inneneinrichtung des Stalls bei: Hier duftets wie in einem Kräutergarten. Monika Schröder-Brak mischt nämlich getrockneten Thymian, Ringelblumenblüten und Oregano unters Stroh. In diesem Ambiente legen die eigentlich ausrangierten Hühner doch noch gerne Eier. Diese verkauft Monika Schröder-Brak – sie selbst ist Veganerin und isst nichts Tierisches – im Bioladen Ulme in Glarus. 

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Anhänger aus Glarner Bergkristallen von Goldschmied Peter Oberholzer.

Véronique Hoegger
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Gratinierter Geisskäse auf Apfelrisotto und Marktgemüse: Die Küche des «Richisau» zeichnet sich durch regionale Zutaten und ungewohnte Kombinationen aus.

Véronique Hoegger
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Im Garten von Monika Schröder-Brak erhalten ausgediente Legehennen ein zweites Leben.

Véronique Hoegger
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Der Brummbach-Wasserfall in Braunwald

Véronique Hoegger

«Legehennen werden nach einem Jahr entsorgt. Am liebsten würde ich alle retten.» Monika Schröder-Brak

Ein Besuch im Kantonshauptort plant man am besten am Samstagmorgen ein, auch wegen der Markthalle Glarus. Dort gibt es frisches Gemüse, regionalen Käse und Handwerk. Beim Stand von Maya Reiser bleiben wir hängen: Die Seifen und Pflegeprodukte duften zu verlockend – alles ist selbst gemacht, hundert Prozent natürlich und frei von Palmöl. Wir wählen neben Seifen und Lippenbalsam auch einen Naturdeo (Testergebnis: «Es verhebt!»). Vor der Markthalle kaufen wir zum Zmittag vegane Momos beim Foodtruck des Restaurants Yak und essen die tibetanischen Teigtaschen auf einer Bank vor dem Rathaus. Von dort erspähen wir in einem Schaufenster farbige Glarnertüechli. Im Laden Glarussell gibt es typische Produkte aus der Region, einen süffigen Glarner Alpenbitter (sogar zum Nachfüllen) und Infos für Touristen. 

Wer auf der Suche nach einem besonderen Souvenir ist, besucht den Laden Bergschmuck von Peter Oberholzer. Der Goldschmied arbeitet nur mit Ökogold. Sein Markenzeichen sind Fingerringe mit detailgetreuen Alpenreliefs und Schmuckstücke aus Glarner Bergkristallen. Diese funkeln auch noch, wenn auf der Rückreise die Glarner Alpen kleiner und kleiner werden.

Glarnerland

Im Abenteuercamp Braunwald spielt sich das Leben draussen ab. Gekocht wird auf dem Feuer, die Outdoor-Küche ist für zwanzig Personen ausgestattet.

Véronique Hoegger
Ein Wochenende im Glarnerland

 

Kultur

1 Anna Göldi Museum Alles über eine der letzten Frauen Europas, die der Hexerei beschuldigt und hingerichtet wurden. Bis Oktober, Mi–So 13.30–18 Uhr. Fabrikstrasse 9, Ennenda. www.annagoeldimuseum.ch

2 Lesecafé Bsinti Hier kann man im Café oder auf der Terrasse kleine Köstlichkeiten geniessen und die Bibliothek durchstöbern. Mo–Sa 10–18 Uhr, So 11–17 Uhr. Dorfstrasse 9, Braunwald. www.bsinti.ch
 

Einkaufen

3 Markthalle Glarus Regionale Spezialitäten, Seifen und Kunsthandwerk. Öffnungszeiten im Sommer: Mi und Sa 7.30–13 Uhr. Bahnhofstrasse 14, Glarus. www.markthalle-glarus.ch

4 Teeboge Hier gibt es biologisch angebaute Teeraritäten. Mo geschlossen. Bankstrasse 26, Glarus. www.teeboge.ch

5 Bergschmuck Goldschmied Peter Oberholzer bezieht einen Teil seiner Steine von Strahlern aus dem Glarnerland. Mo geschlossen. Hauptstrasse 35, Glarus. www.bergschmuck.ch

 

Erleben

6 E-Kutsche Schweizweit die einzige elektrische Pferdekutsche. Nur das separat buchbare Apéroplättli toppt die Aussicht auf die Bergwelt von Braunwald. www.e-kutsche-braunwald.ch

7 Zwerg-Bartli-erlebnisweg Hier laufen sogar die Kleinsten gerne. Dank den verschiedenen Stationen
und Feuerstellen vergeht die Zeit wie im Flug. Start: Gumen. Ziel: Dorf. Ganze Wanderung: 3½ Stunden, Teilstrecken möglich, Infos bei der Standseilbahn-Station Braunwald. www.braunwald.ch

8 Sorello Besuchen Sie Monika Schröder-Brak und ihre glückliche Hühnerschar. Soolerstrasse 21, Mitlödi. Infos und Anmeldung www.sorello.ch

 

Übernachten & Essen

9 Gasthaus Richisau Schlichte Zimmer, lauschige Gartenterrasse und regionale Küche. DZ zwischen CHF 170.– und 190.–, Richisauerstrasse 106, Klöntal. www.gasthaus-richisau.ch

10 Abenteuercamp Braunwald Ob Tipi, Bubble-Suite, Jurte oder Baumzelt: Im Abenteuercamp findet jeder seinen Platz. Tipi ab CHF 44.– pro Nacht. Bei der Gondelstation Grotzenbüel, Braunwald. www.abenteuercamp-braunwald.ch

Glarnerland
Anna Haas
Von Lisa Merz am 12. August 2019 - 16:59 Uhr