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Kreativer Chaot

«Der gerade Weg langweilt mich»

Der Kunstmaler Timmermahn hat eine wilde Vergangenheit und eine farbige Zukunft. Sein Haus in Rüeggisberg BE ist ein Kraftort, gebaut auf alten Klostermauern.

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Ob die Welt hier oben noch in Ordnung ist? «Ich würde sagen ja.» Timmermahn schaut ruhig zum Fenster des 250-jährigen Bauernhauses hinaus, sein Blick schweift über den Kirchturm bis zu den verschneiten Berner Alpen.

Die Nebelgrenze klebt im Tal, unterhalb von Rüeggisberg BE. Jenem Kraftort aus dem frühen Mittelalter mit seinem romanischen Cluniazenser-Kloster, das Zufluchtstätte war für die Jakobspilger auf ihrem weiten Weg nach Santiago de Compostela.

Timmermahn ist Maler, Musiker, Geschichtenerzähler. Er ist Harley- Davidson-Biker, Gauloise-Bleu-Raucher, und seine Frau Sandra züchtet Tibetische Tempelhunde und hält rätisches Grauvieh. Einer wie er muss in dieser geraniendekorierten Idylle aus dem Rahmen fallen – und das schon zwei Jahrzehnte.

Schon als 25-Jähriger legte sich der Enkel des Basler Bonbonfabrikanten André Klein den ungewöhnlichen Künstlernamen zu – «mit einem H als mahnende Komponente». Sogar sein Pass lautet auf Timmermahn – geboren 1942 in Louisiana (USA).

Tim Klein zeichnete als Bub am liebsten Engel: fliegende, sitzende, lachende, weinende. «Die Lehrer trieben mir die Flausen aus, wie man das bei Kindern gerne macht. Mein Ziel war trotzdem, Maler, Musiker und Autor zu werden. Oder Seemann, was mir aber dann doch zu einseitig war.»
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Seine Wünsche gingen alle in Erfüllung:
«Der gerade Weg langweilt mich.» Seit 40 Jahren verfasst das Multitalent Texte und Theaterstücke, wie die bekannten Walterli-Geschichten. Im März steht er als Alleinunterhalter mit seinem «Beschtoffer»-Programm auf der Bühne.

Nebenbei ist Timmermahn mit der Band Los Hobos und der sechsten Produktion «Blyb uf em Trottoir, Johnny!» unterwegs. Es handelt von Sehnsüchten, für die selbst die grosse, weite Welt zu klein ist.

Seit der Ausstellung bei Jetset-Galerist Andy Illien in Zürich ist Timmermahn auch in der Kunstwelt ein stiller Star. Der Glamour färbte nicht auf ihn ab. Er redet auch weiterhin niemandem nach dem Mund, bleibt seinem schrullig-schrägen Stil treu. Bis Ende Februar sind im Wohnform-Center Münsingen bei Bern 125 Bilder von ihm ausgestellt – so viel Timmermahn gabs noch nie!

Die Werke kosten zwischen 800 und 18 000 Franken und entstanden im grosszügigen Atelier in Rüeggisberg. Es befindet sich im Dachstock des Bauernhauses aus dem Jahr 1748, ist Rückzugs-, Arbeits- und Kraftort. «Das Fundament wurde auf den Mauern des abgerissenen Klosters errichtet. Das fühlt man.»

Mickey Mouse auf Dollarnoten, Elvis als Baby mit Schmalztolle, tanzende Elefanten: Die schier unübersichtliche Fülle an Sujets, die er während Jahrzehnten mit Pinsel und Fantasie verfolgte, erinnert an eine Lebensreise. Auch das letzte Bild hat Timmermahn schon gemalt: Es trägt das Datum des Jahres 2034.

Der Maler huldigt darauf Picasso. Man kann sagen: Der Spanier hat viel von Timmermahn gelernt – schliesslich lenkt dieser den Pinsel in Picassos Hand.

Unten in der Küche köchelt auf einem gusseisernen Ofen Milch. Der Holzboden knarrt. Am Eingang hängen Gebetsfahnen, tibetische Klangschalen zieren die Kommode im Stübli. Knautschige Sofas für Mensch und Hund wirken sehr gemütlich. Moderne Möbel sucht man vergebens.

Sagen und Märchen passen zu diesem Haus der Weltkulturen. Es verwundert nicht, dass auch ein Hauszwerg manchmal vorbeischaut und still und leise Ordnung macht. «Man sieht ihn nicht, aber er ist immer da», sagt Geschichtenerzähler Timmermahn geheimnisvoll.

Früher wohnte das Ehepaar mit Sohn Mario im Tessin. In einem modernen Haus samt Kleintierzoo. «Zufällig kamen mir die Werke von Jeremias Gotthelf in die Finger.

Als ich alle 250 Bücher verschlungen hatte, war klar: Ich muss zurück ins Bernbiet. Das Bauernhaus in Rüeggisberg haben wir vom Fleck weg gekauft.» An jenem Dezembertag, als Timmermahns ihr Bijou einweihten, reichte die Nebeldecke bis unters Fenster. «Der Anblick war genial. Magie erfüllte unser Herz.»

Der 67-jährige Lebenskünstler liebt sein «Nest», zu dem auch ein Rudel Tibetische Tempelhunde, Appenzeller Sennenhunde und mehrere Rindviecher gehören. Trotzdem zieht es den Biker immer wieder hinaus in die Welt. «Ich muss wissen, dass ich wegkann.» Seine neuste Harley steht schon in der Garage. Timmermahn spürt den Frühling.

Seine skurrile Welt in Bildern, Wohnform Münsingen
Infos zur Ausstellung weiter »


am 17. Februar 2009 - 19:26 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:36 Uhr