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Carlo Rampazzi

Hohepriester des Wohnens

Er ist schrill, liebts bunt und zählt zu den Top-Designern. Für manche ist der Tessiner Carlo Rampazzi so etwas wie der Salvador Dalí der Innenausstatter.

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Carlo Rampazzi in seinem Wohnzimmer in Ascona. Kitsch? «Kitsch ist etwas, was verrückt ist. Ich bin ein bisschen verrückt.»

Als Carlo Rampazzi, 59, am Mittag zu einem von seinen Lieblingsitalienern an der Seepromenade in Ascona schreitet, verrenken sich sämtliche Touristen die Köpfe. Münder klappen staunend auf. Es folgt heftigstes Getuschel. Der Tessiner Star-Designer bekommt davon nichts mit.

Oder er lässt sich nichts anmerken. Wo immer Rampazzi auftaucht, er fällt auf – in seiner Galliano-Leopardenhose samt dazu passendem Halstuch, dem silbernen Hermès-Gürtel, polierten Berluti-Tretern, einen dicken Kieselstein-Ring am Finger und das ebenfalls dazu passende, nicht weniger opulente Krokodil-Bracelet am Handgelenk. Die goldene Rolex Daytona, selbstverständlich eine limited Edition, fällt schon fast nicht mehr auf.

Der Tessiner Star-Innenarchitekt ist davon überzeugt, in einem früheren Leben Priester im alten Ägypten gewesen zu sein. Es könnte sein exzentrisches Auftreten erklären. Arrogant ist er deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Er kann sich über Dinge freuen wie ein kleines Kind.

«Am Anfang war es hart. Aber ich glaubte immer an meinen Erfolg»

In der Schweiz machte sich Rampazzi vor allem durch die Einrichtung von Luxushotels einen Namen. Häuser wie das «Giardino» und das «Eden Roc» in Ascona, das «Carlton» in St. Moritz und das «Tschuggen» in Arosa tragen seine unverkennbare Handschrift. Mit seinen bunten Fantasiewelten gilt er in der Architekturszene als der Salvador Dalí der Innenausstatter.

Karl-Heinz Kipp, Multimilliardär und Wahlschweizer, schätzt den Stil des Tessiners besonders. Kipps Tochter Ursula Bechtolsheimer, die als Vizepräsidentin der väterlichen Tschuggen Hotel Group amtet, weiss auch wieso: «Carlo Rampazzi gibt den Räumen und Häusern, die er gestaltet, eine Seele.»

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Seit acht Jahren arbeitet Rampazzi bereits für das Kipp-Hotel-Imperium. «Und die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend», lobt Bechtolsheimer. Zwischendurch könne man auch herzlich über Rampazzis Ideen lachen. Mancher Hotelchef ist im ersten Moment bei Rampazzi-Vorschlägen schon aschfahl im Gesicht geworden.

Christopher Cox, Direktor des «Carlton» in St. Moritz, hat diese Erfahrung gemacht, als Rampazzi zwei sehr spezielle Suiten des Fünf-Sterne-Hauses einrichtete: inspiriert von Marc Chagall und Wassily Kandinsky. «Als ich das erste Mal einen Blick in die beiden Räume warf, war ich schockiert», erzählt Cox lachend. Die Wände waren bemalt mit Motiven der beiden Malergenies. «Ich sagte Rampazzi, dass wir a) keinen Platz für solche Experimente und b) keine Zeit für Spässchen dieser Art haben.» Die Wiedereröffnung des Hotels stand unmittelbar bevor.

Rampazzi kämpfte. Man könne die zwei Suiten erst begreifen, wenn sie komplett fertig seien, argumentierte er gegenüber dem Zahlenmenschen Cox. Der liess sich erweichen und den Designer gewähren. Die Chagall- und Kandinsky-Suite sind längst der Renner im «Carlton», über Monate ausgebucht.

«Rampazzi ist sehr risikofreudig und enorm begeisterungsfähig. Er läuft so lange mit einem über die Etagen und erklärt, bis es sich auch der Letzte vorstellen kann», so das Fazit von Christopher Cox. «Wir machen ihm gewisse Vorgaben, lassen ihm aber danach freie Hand, Vorschläge zu präsentieren», erklärt Ursula Bechtolsheimer.

«Die endgültige Entscheidung über die Richtung, in die gegangen wird, liegt bei uns, die künstlerische Gestaltung überlassen wir Rampazzi», betont die Tschuggen-Hotel-Group-Vizepräsidentin.

Nicht ganz so viel freie Hand hatte Rampazzi im eigenen Elternhaus. «Meine Eltern wollten, dass ich das Versicherungsbüro meines Onkels weiterführe», erzählt der Designer. Dabei trieb er sich lieber im Antiquitäten-Geschäft von Freunden seiner Eltern herum. Damals schon liebte er Farben. Die Wände seines Jugendzimmers pinselte er ockerfarben, die Decke blau.

Irgendwann las Carlo im «Corriere della Sera» von einer Möbelmesse in Mailand. «Also liess ich mir 20 Visitenkarten drucken, fuhr nach Mailand und bestellte naiv zwei Tische samt Stühlen, ein Sofa und einen Spiegel, um mein Geschäft zu gründen. Als man mich nach Garantien wegen der Bezahlung fragte, gab ich meinen Vater an», erinnert sich Rampazzi lachend.

Zu Hause gabs Ärger, eine schlaflose Nacht und am nächsten Morgen das Einverständnis vom Senior. Dessen Bedingung: Der Sohn darf den Familiennamen nicht gebrauchen, und die Bezahlung der bestellten Ware bleibt das einzige Startkapital. Rampazzis Firma Selvaggio besteht nun seit 34 Jahren.

Neben dem Innenarchitekturbüro gehören je eine Galerie in Paris und in Ascona dazu. Der Tessiner beschäftigt 15 Mitarbeiter, darunter seine jüngere Schwester Michela. «Anfangs wars hart. Es vergingen zehn Jahre, ehe ich meine Linie fand. Aber ich glaubte immer an meinen Erfolg», sagt er nicht ohne Stolz. Dass er weder einen Computer bedienen, noch ein SMS schreiben oder empfangen kann, stört ihn null.

«Dafür habe ich eine Sekretärin.» Erst dreimal in seinem Leben hat er in einem Supermarkt eingekauft. «Ich stand an der Kasse und wusste nicht, was ich machen sollte. Die Leute legten meine Einkäufe aufs Band.» Ein Priester im alten Ägypten musste wahrscheinlich auch nicht selbst einkaufen? «Eben», sagt Rampazzi.


am 23. Dezember 2008 - 14:04 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:35 Uhr